Geburt Christi
Hättest du der Einfalt nicht, wie sollte
dir geschehn, was jetzt die Nacht erhellt?
Sieh, der Gott, der über Völkern grollte,
macht sich mild und kommt in dir zur Welt.
Hast du dir ihn größer vorgestellt?
Was ist Größe? Quer durch alle Maße,
die er durchstreicht, geht sein grades Los.
Selbst ein Stern hat keine solche Straße.
Siehst du, diese Könige sind groß,
und sie schleppen dir vor deinen Schooß
Schätze, die sie für die größten halten,
und du staunst vielleicht bei dieser Gift -:
aber schau in deines Tuches Falten,
wie er jetzt schon alles übertrifft.
Aller Amber, den man weit verschifft,
jeder Goldschmuck und das Luftgewürze,
das sich trübend in die Sinne streut:
alles dieses war von rascher Kürze,
und am Ende hat man es bereut.
Aber (du wirst sehen): Er erfreut.
Rainer Maria Rilke
Friede auf Erden
Da die Hirten ihre Herde
Ließen und des Engels Worte
Trugen durch die niedre Pforte
Zu der Mutter und dem Kind,
Fuhr das himmlische Gesind
Fort im Sternenraum zu singen,
Fuhr der Himmel fort zu klingen:
»Friede, Friede! auf der Welt!«
Seit die Engel so geraten,
O wie viele blut'ge Taten
Hat der Streit auf wildem Pferde,
Der geharnischte, vollbracht!
In wie mancher heil'gen Nacht
Sang der Chor der Geister zagend,
Dringlich flehend, leis verklagend,
»Friede, Friede auf der Erde!«
Doch es ist ein ewger Glaube,
Dass der Schwache nicht zum Raube
Jeder frechen Mordgebärde
Werde fallen allezeit,
Etwas wie Gerechtigkeit
Webt und wirkt in Mord und Grauen,
Und ein Reich will sich erbauen,
Das den Frieden sucht der Erde.
Mählich wird es sich gestalten,
Seines heil'gen Amtes walten,
Waffen schmieden ohne Fährde,
Flammenschwerter für das Recht,
Und ein königlich Geschlecht
Wird erblühn mit starken Söhnen,
Dessen helle Tuben dröhnen:
Friede, Friede auf der Erde!
Conrad Ferdinand Meyer
Weihnachtabend
Wie die hellen Lichter scheinen!
Und die Kindlein sind gekommen,
All die Großen, all die Kleinen
Haben ihr Geschenk genommen.
Spielwerk bringt es uns zum Spielen,
Das geliebte Wunderkind.
Spielen mögen wir und fühlen,
Daß wir wieder Kinder sind.
Süße Früchte, fremde Blüthen
trägt es in der zarten Hand
Wie sie Engel ziehn und hüten
In dem selgen Himmelsland.
Und so hat es tausend Gaben
Allen Menschen mitgebracht
Allen Herzen zu erlaben
In der hochgelobten Nacht
Auch Versöhnung, ewges Leben
Trost und Freiheit, Gnadenfüll
Gottes Wort umsonst gegeben
Jedem, welcher hören will.
Nimmer kann ich euch vergessen,
All ihr schönen Christgeschenke!
Abgrund reich und unermessen,
Drein ich liebend mich verschenke.
Max von Schenkendorf
Alle Jahre wieder
Alle jahre wieder kommt das Christuskind
auf die Erde nieder, wo wir Menschen sind
Kehrt mit seinem Segen ein in jedes Haus
geht auf allen Wegen mit uns ein und aus.
Steht auch mir zur Seite still und unerkannt
daß es treu mich leite an der lieben Hand
Friedrich Silcher
deutsche-weihnachtsgedichte-teil-1
deutsche-wintergedichte-teil 1
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