Hanns von Gumppenberg 04.12.1866 Landshut- 29.03.1928 München
Pieter van der Butterseiten
(Für die "Elf Scharfrichter")
Pieter von der Butterseiten
Lebt in jubilo
Tut kutschieren, reisen, reiten
Andre leben so zu Zeiten
Erlebt immer so.
Pieter van der Butterseiten
Frißt den ganzen Tag
Andre futtern, wenn sies haben
Er genießt die guten Gaben
Wann er fressen mag.
Pieter van der Butterseiten
Trinket nichts als Sekt
Andre trinken den im Sterben
Noch ein Stündlein zu erwerben
Er trinkt, weils ihm schmeckt.
Pieter van der Butterseiten
Liebt die Mägdelein
Andre stürzen erst zu Füßen
Er läßt nur die Butter fließen
Und dann sind sie sein.
Pieter van der Butterseiten
Hat ein großes Maul
Ist ein Meister in Kritiken
Schimpft auf alle Domestiken
Selber ist er faul.
Pieter van der Butterseiten
Ist voll Mannesmut
Triffts ihn einmal auzugleichen
Fällt er auf die Butterseiten
Und da ruhts sichs gut.
Ernst von Wolzogen 23.04.1855 Breslau- 30.04.1934 Puppling
(Eigenvortrag "Überbrettl")
Die merschten Deitschen sin aus Sachsen.
Das merkt der Mensch uf Reisen schnell:
Aus Chemnitz, wo de Strümpe wachsen,
Aus Dresden, wo se höllisch hell,
Aus Leipzig, wo sie egal drucken —
Der Sachse kriegt den Kram nicht satt,
Und alles muß er sich begucken,
Was auf der Welt zwee Sternchen* hat.
Wenn du ein stilles Plätzchen fandest,
Sei‘s deiner Heimat fern, sei’s nah,
Wenn du bei den Lofoten landest —
E Sachse is gewiß schon da.
Wenn dich die höchsten Gipfel grießen,
Zieht es dich in die Wieste hin,
Liegt dir e Paradies zu Fießen —
E Sachse liegt schon mitten drin.
Der Sachse läbt auf Reisen billig:
Zwee deilen sich in die Portion.
Wenn mer zufrieden is und willig,
Nuja, nu ne, da geht‘s ooch schon.
Dem, der e Sachse von Gebliet is,
Das Läben doppelt freindlich winkt,
Weil er poetisch von Gemiet is
Und nich so starken Kaffee drinkt.
In Sachsen gibt‘s de merschten Tanten.
Das steht Sie fest wie ein Axiom,
Und geht der ganze Knätsch zu Schanden,
De Tante, die muß mit nach Rom.
Sei gutes Tantchen, wenn‘s ooch humpelt —
Bloß, daß du dich dran laben kannst,
Findst du se da, so hibsch verschrumpelt
Grad vor de Venus hingepflanzt.
Der Sachse, der ist unersetzlich
Als Bannerträger der Kultur.
Nur wirkt er oft merkwürdig pletzlich
In der umgäbenden Nadur.
Er is von Wißbegier geladen
Und hat für Keischheit keenen Sinn —
Schwärmst du von heimlichen Gestaden,
Brillt er: „Da machen mer ooch noch hin!"
Drum wackrer Deitscher, sei nur friedlich
Und bändge deinen Schimpfinstinkt;
De Welt is ieberall gemietlich,
So weit de sächssche Zunge klingt.
Der Sachse, der tut nicht zerdeppern,
Für den bleibt stets die Hoffnung stehn:
Es wärd sich schon zusammenläppern;
Nun ne, das Leben is doch scheen!
Max Dauthendey 25.07.1865 Würzburg- 29.08.1918 Malang/Java
Die Dame und das Grammophon
Einmal, in der Sommerfrische,
Stand auf einem Gasthaustische
Schön poliert ein Grammophon,
Dieses hatte Menschenton.
Prächtig schrie sein Blechzylinder.
Solches lockt zuerst die Kinder,
Doch auch Damen ist Geschrei
Nicht so gänzlich einerlei.
Manche stand mit langem Halse
An dem Trichter und der Walze.
Denn nicht jeder sieht gleich, wie
Vor sich geht die Melodie.
Keiner glaubt von diesem Dinge,
Daß es Stimmen fertig bringe.
Niemand gar vermutet hätt',
In dem Dinge ein Quartett.
Ist 'ne Nummer abgelaufen,
Darf man sich 'ne andere kaufen.
Und weil es die Walze kann,
Kommt auch ein Tenor daran.
Der Tenor brüllt aus dem Trichter,
Und verzückt sind die Gesichter.
Manche Dam' hätt's gern heraus,
Wie sieht der Tenor wohl aus!
Und mein Gott, wer hätt's erwartet!
Schicksale sind abgekartet!
Eine Dame – das kommt vor –
Wird besessen vom Tenor.
Ach, er singt so unverfroren
Sich ins Herz ihr und die Ohren.
Aus der Walze, die sich schiebt,
Singt ein Mann, den's nicht mehr gibt.
Ihn, der einst hineingeschrieen,
Möcht' die Dame an sich ziehen;
Und die Dam', mit einem Wort,
Geht nicht mehr vom Trichter fort.
Ach, total tut sie erwarmen,
Möcht' den Trichter fest umarmen.
Endlich kauft sies Grammophon.
Hätt' sie nur was mehr davon!
Aber ich darf's nicht verhehlen,
Sie tat nur die Nachbarn quälen.
Kaum kam der Tenor ins Haus,
Stirbt ein jedes Stockwerk aus.
Und auch sie wär' dran gestorben,
Wärs Gehör nicht erst verdorben.
Jetzt ihr's nicht mehr schaden kann,
Denn sie wurde taub daran.
Doch weil sie nicht blind, die Tauben,
Schraubt sie weiter an der Schrauben,
Schont auch gar nicht den Tenor,
Bis er seine Stimm' verlor.
Wenn sich auch die Walzen drehen,
Kein Tenor tut mehr entstehen;
Denn das Grammophon, das hat
Endlich mal die Sache satt.
Nur die Dam' ist noch vorhanden.
Und nach Jahren noch, da fanden
Wir sie an dem Grammophon
Horchend und verzückt davon.
Keiner könnt' es ihr beibringen,
Daß die Walzen nicht mehr singen.
Trotz sie taub auf jedem Ohr,
Hört sie heut' noch den Tenor.
Detlef von Liliencron 03.04.1844 Kiel- 22.07.1909 Alt-Rahlstedt
Schöne Junitage
Mitternacht, die Gärten lauschen,
Flüsterwort und Liebeskuß,
Bis der letzte Klang verklungen,
Weil nun alles schlafen muß -
Flußüberwärts singt eine Nachtigall.
Sonnengrüner Rosengarten,
Sonnenweiße Stromesflut,
Sonnenstiller Morgenfriede,
Der auf Baum und Beeten ruht -
Flußüberwärts singt eine Nachtigall.
Straßentreiben, fern, verworren,
Reicher Mann und Bettelkind,
Myrtenkränze, Leichenzüge,
Tausendfältig Leben rinnt -
Flußüberwärts singt eine Nachtigall.
Langsam graut der Abend nieder,
Milde wird die harte Welt,
Und das Herz macht seinen Frieden,
Und zum Kinde wird der Held -
Flußüberwärts singt eine Nachtigall.
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