geboren: 31.03. 1817 Stuttgart
gestorben: 07.04.1875 Lichtenthal
1831
Seminarist in Maulbronn
1835
Theologisches Studium in Tübingen
1836/37
1836
wegen Unbotmäßigkeit aus den theologischen Stift entlassen/1837 gibt das
Studium auf/ wird Schriftleiter in Stuttgart- ( Zeitschrift "Europa")
1839
Entzieht sich der Wehrpflicht und flüchtet in die Schweiz
1840
"Gedichte eines Lebendigen" erscheinen
1842
Reise durch Deutschland/ Ausweisung aus Preußen/ Wieder in der Schweiz
1844
Siedelt nach Paris über
1848
Sammelt in Paris 800 Mann die den Aufständischen in Baden zur Hilfe eilen.
Werden bei Dossenbach geschlagen. Flucht in die Schweiz.
1866
Nach Amnestierung nach Baden-Baden
Werke Lyrik
1841/43 Gedichte eines Lebendigen
1839/40 Gedichte und kritische Aufsätze
Georg Herwegh ist neben Georg Weerth, der bedeutenste Dichter des deutschen Proletariats im 19. Jahrhundert.
Berühmt wurde er vor allem mit seiner Gedichtsammlung "Gedichte eines Lebenden" mit der er den Zeitgeist traf. Das Erstlingswerk wurde damals mit großer Begeisterung aufgenommen und Herwegh war mit einem Schlag berühmt. Sonette, Gedichte im volksliedhaften Ton, in starken und formvollendeten Sätzen machen einige dieser Gedichte auch für die heutige Zeit noch lesbar, und die Besten von ihnen besitzen durchaus noch Aussagen die für die Nachgeborenen von Interesse sind.
Der zweite Band der "Gedichte eines Lebenden" erschien 1843 konnte aber bei weitem nicht den Erfolg des ersten Teiles erreichen.
1863 schrieb Herwegh sein berühmtes "Bundeslied für den Allgemeinen Deutschen Arbeiterverein" das aber schnell verboten wurde. Viele Jahre lang konnte es nur illegal erscheinen und zählt heute zu den bekanntesten Arbeiterkampfliedern.
Quelle:
Erläuterungen zur deutschen Literatur
Vormärz 1830-48 Volk und Wissen 1977
Alle Gedichte aus der Sammlung "Gedichte eines Lebendigen"
Leicht Gepäck (1840)
Ich bin ein freier Mann und singe
Mich wohl in keine Fürstengruft,
Und alles, was ich mir erringe,
Ist Gottes liebe Himmelsluft.
Ich habe keine stolze Feste,
Von der man Länder übersieht,
Ich wohn' ein Vogel nur im Neste,
Mein ganzer Reichtum ist mein Lied.
Mich wohl in keine Fürstengruft,
Und alles, was ich mir erringe,
Ist Gottes liebe Himmelsluft.
Ich habe keine stolze Feste,
Von der man Länder übersieht,
Ich wohn' ein Vogel nur im Neste,
Mein ganzer Reichtum ist mein Lied.
Ich durfte nur, wie andre, wollen,
Und wär' nicht leer davongeeilt,
Wenn jährlich man im Staat die Rollen
Den treuen Knechten ausgeteilt;
Allein ich hab' nie zugegriffen,
So oft man mich herbeibeschied,
Ich habe fort und fort gepfiffen,
Mein ganzer Reichtum ist mein Lied.
Der Lord zapft Gold aus seiner Tonne,
Und ich aus meiner höchstens Wein;
Mein einzig Gold die Morgensonne,
Mein Silber all der Mondenschein!
Färbt sich mein Leben herbstlich gelber,
Kein Erbe, der zum Tod mir riet;
Denn meine Münzen prägt' ich selber;
Mein ganzer Reichtum ist mein Lied.
Gern sing' ich abends zu dem Reigen,
Vor Thronen spiel' ich niemals auf;
Ich lernte Berge wohl ersteigen,
Paläste komm' ich nicht hinauf;
Indes aus Moder, Sturz und Wettern
Sein golden Los sich mancher zieht,
Spiel' ich mit leichten Rosenblättern;
Mein ganzer Reichtum ist mein Lied.
Nach dir, nach dir steht mein Verlangen,
O schönes Kind, o wärst du mein!
Doch du willst Bänder, du willst Spangen,
Und ich soll dienen gehen? Nein!
Ich will die Freiheit nicht verkaufen,
Und wie ich die Paläste mied,
Lass' ich getrost die Liebe laufen;
Mein ganzer Reichtum sei mein Lied.
Das Lied vom Hasse (1841)
Wohlauf, wohlauf, über Berg und Fluß
Dem Morgenrot entgegen,
Dem treuen Weib den letzten Kuß,
Und dann zum treuen Degen!
Bis unsre Hand in Asche stiebt,
Soll sie vom Schwert nicht lassen;
Wir haben lang genug geliebt,
Und wollen endlich hassen!
Die Liebe kann uns helfen nicht,
Die Liebe nicht erretten;
Halt du, o Haß, dein jüngst Gericht,
Brich du, o Haß, die Ketten!
Und wo es noch Tyrannen gibt,
Die laßt uns keck erfassen;
Wir haben lang genug geliebt,
Und wollen endlich hassen!
Wer noch ein Herz besitzt, dem soll's
Im Hasse nur sich rühren;
Allüberall ist dürres Holz,
Um unsre Glut zu schüren.
Die ihr der Freiheit noch verbliebt,
Singt durch die deutschen Straßen:
»Ihr habet lang genug geliebt,
O lernet endlich hassen!«
Bekämpfet sie ohn' Unterlaß,
Die Tyrannei auf Erden,
Und heiliger wird unser Haß ,
Als unsre Liebe, werden.
Bis unsre Hand in Asche stiebt,
Soll sie vom Schwert nicht lassen;
Wir haben lang genug geliebt,
Und wollen endlich hassen!
Der letzte Krieg (1841)
Wer seine Hände falten kann,
Bet' um ein gutes Schwert,
Um einen Helden, einen Mann,
Den Gottes Zorn bewehrt!
Ein Kampf muß uns noch werden,
Und drin der schönste Sieg,
Der letzte Kampf auf Erden,
Der letzte heilige Krieg!
Herbei, herbei, ihr Völker all,
Um euer Schlachtpanier!
Die Freiheit ist jetzt Feldmarschall,
Und Vorwärts heißen wir.
Der Zeiger weist die Stunde,
O flieg, mein Polen, flieg,
Mit jedem Stern im Bunde,
Voran zum heiligen Krieg!
Ja! vorwärts, bis der Morgen blinkt,
Ja! vorwärts, frisch und froh!
Vorwärts, bis hinter uns versinkt
Die Brut des Pharao!
Er wird auch für uns sprechen,
Der Herr, der für uns schwieg,
Und unsre Ketten brechen
Im letzten heiligen Krieg.
O walle hin, du Opferbrand,
Hin über Land und Meer,
Und schling ein einig Feuerband
Um alle Völker her;
So wird er uns beschieden,
Der große, große Sieg,
Der ewige Völker-Frieden, -
Frisch auf zum heiligen Krieg!
Bundeslied für den Allgemeinen deutschen Arbeiterverein (1864)
Bet und arbeit! Ruft die Welt,
Bete kurz! Denn Zeit ist Geld.
An die Türe pocht die Not -
Bete kurz! Denn Zeit ist Brot.
Und du ackerst und du säst,
Und du nietest und du nähst,
Und du hämmerst und du spinnst -
Sag, o Volk, was du gewinnst!
Wirkst am Webstuhl Tag und Nacht,
Schürfst im Erz- und Kohlenschacht,
Füllst des Überflusses Horn,
Füllst es hoch mit Wein und Korn.
Doch wo ist dein Mahl bereit?
Doch wo ist dein Feierkleid?
Doch wo ist dein warmer Herd?
Doch wo ist dein scharfes Schwert?
Alles ist dein Werk! O sprich,
Alles, aber nichts für dich!
Und von allem nur allein,
Die du schmiedst, die Kette, dein?
Kette, die den Leib umstrickt,
Die dem Geist die Flügel knickt,
Die am Fuß des Kindes schon
Klirrt - o Volk, das ist dein Lohn.
Was ihr hebt ans Sonnenlicht,
Schätze sind es für den Wicht;
Was ihr webt, es ist der Fluch
Für euch selbst - ins bunte Tuch.
Was ihr baut, kein schützend Dach
Hat’s für euch und kein Gemach;
Was ihr kleidet und beschuht,
Tritt euch voll Übermut.
Menschenbienen, die Natur,
Gab sie euch den Honig nur?
Seht die Drohnen um euch her!
Habt ihr keinen Stachel mehr?
Mann der Arbeit, aufgewacht!
Und erkenne deine Macht!
Alle Räder stehen still,
Wenn dein starker Arm es will.
Deiner Dränger Schar erblasst,
Wenn du, müde deiner Last,
In die Ecke lehnst den Pflug,
Wenn du rufst: Es ist genug!
Brecht das Doppeljoch entzwei!
Brecht die Not der Sklaverei!
Brecht die Sklaverei der Not!
Brot ist Freiheit, Freiheit Brot!
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