August Heinrich Hoffmann von Fallersleben-Unpolitische Lieder (Auswahl)
Aus dem 2. Band/ Sonnabend-Sonntag-Anhang
Freitag
Die deutschen Fahnen zu Paris
Ihr braucht nicht Fahnen und Standarten,
Ihr habt Erinnerung genug,
Genug, genug an Bonaparten,
Wie er die Welt in Fesseln schlug.
Nicht durch sein Siegen, Plündern, Morden
Ward er dereinst der Mann der Zeit;
Er ist was Großes nur geworden
Durch seiner Zeit Erbärmlichkeit.
Dies Große wißt ihr schlecht zu schätzen,
Ihr wollt kein Bild vom Zeitenlauf,
Sonst hingt ihr für die Fahnenfetzen
Euch einen deutschen Schlafrock auf.
Die deutsche Presse unter des durchlauchtigsten deutschen Bundes schützenden Privilegien
Büßen mußt du, deutsche Presse,
Mit Gefängniß und mit Geld,
Bringst du etwas von Interesse
Was den Fremden nicht gefällt.
Frankreich pfuscht in deine Sachen,
Frankreich hält bei uns Gericht,
Frankreich kann es heute machen,
Daß kein Deutscher deutsch mehr spricht.
Rußland, dieser Geisterzwinger,
Rußland steht von fern und droht,
Rußland hebt den kleinen Finger:
Deutsche Press', es ist dein Tod.
China wird nun auch erwachen,
Sehn was man in Deutschland schreibt,
Und bei Allem Einspruch machen
Was dir jetzt noch übrig bleibt.
Deutsche Presse, arme Presse,
Kauf dich bald in Gotha ein,
Daß zu deiner Todtenmesse
Uns noch wird ein Prämienschein!
Sonnabend
Soldaten
Wie schrecklich sind die Meinungskriege!
Weh ihm wer dafür kämpft und ficht!
Zwar Niederlagen oder Siege
Entehren ihren Kämpfer nicht.
Doch seine Haut zu Markte tragen
Für eine Handvoll Lohn und Sold –
Das kann ein Lumpenhund nur wagen,
Und hätt' es selber Gott gewollt.
Deutscher Nationalreichthum
Hallelujah! Hallelulah!
Wir wandern nach Amerika.
Was nehmen wir mit ins neue Vaterland?
Wohl allerlei, wohl allerhand:
Viele Bundestages-Protokolle,
Manch Budget und manche Steuerrolle,
Eine ganze Ladung von Schablonen
Zu Regierungsproclamationen –
Weil es in der neuen Welt
Sonst dem Deutschen nicht gefällt.
Hallelujah! Hallelujah!
Wir wandern nach Amerika.
Was nehmen wir mit ins neue Vaterland?
Wohl allerlei, wohl allerhand:
Corporal- und andre schöne Stöcke,
Hunderttausend Schock Bedientenröcke,
Nationalcocarden, bunte Kappen,
Zehnmalhunderttausend Knöpfe mit Wappen –
Weil es in der neuen Welt
Sonst dem Deutschen nicht gefällt.
Hallelujah! Hallelujah!
Wir wandern nach Amerika.
Was nehmen wir mit ins neue Vaterland?
Wohl allerlei, wohl allerhand:
Kammerherrenschlüssel viele Säckel,
Stamm- und Vollblutbäume dicke Päckel,
Hund- und Degenkoppeln tausend Lasten,
Ordensbänder hunderttausend Kasten –
Weil es in der neuen Welt
Sonst dem Deutschen nicht gefällt.
Hallelujah! Hallelujah!
Wir wandern nach Amerika.
Was nehmen wir mit ins neue Vaterland?
Wohl allerlei, wohl allerhand!
Schlendrian, Bocksbeutel und Perrücken,
Privilegien, Sorgenstühl' und Krücken,
Hofrathstitel und Conduitenlisten
Neunundneunzighunderttausend Kisten –
Weil es in der neuen Welt
Sonst dem Deutschen nicht gefällt.
Hallelujah! Hallelujah!
Wir wandern nach Amerika.
Was nehmen wir mit ins neue Vaterland?
Wohl allerlei, wohl allerhand:
Steuer-, Zoll-, Tauf-, Trau- und Todtenscheine,
Päss' und Wanderbücher groß' und kleine,
Viele hundert Censorinstructionen,
Polizeimandate drei Millionen –
Weil es in der neuen Welt
Sonst dem Deutschen nicht gefällt.
Anhang
Vergänglichkeit des Erdenlebens
Mensch, sag' an, was ist dein Leben?
Eine Blum' und dürres Laub,
Das am Zweige kaum mag kleben
Und verkreucht sich in den Staub.
Dies bedenk', o Menschenkind,
Weil wir alle sterblich sind.
Was ist Adel, hoch Geschlechte?
Was ist hochgeboren sein?
Muß der Herr doch mit dem Knechte
Leiden bittre Todespein;
Kaiser, König, Edelmann,
Alle müssen sie daran.
Was ist Weisheit? was sind Gaben?
Was ist hochgelahrte Kunst?
Was hilft Ehr' und Ansehn haben?
Und bei Herren große Gunst?
Dringt sich doch der Tod herein,
Nichts hilft klug und weise sein.
Was ist Reichthum? was sind Schätze?
Nur ein glänzend gelber Koth,
Mensch, darauf dein Herz nicht setze!
Sieh die Zeit an und den Tod!
Dieser nimmt das Leben hin,
Jene frißt Gut und Gewinn.
Was ist Jugend, frische Jahre,
In der besten Blüthe stehn?
Junger Muth und graue Haare
Müssen mit dem Tode gehn;
Ist doch hie kein Unterscheid
Unter jung' und alte Leut'.
Menschentöchter, Menschensöhne,
Laßt euch dies gesaget sein!
Seid ihr hoch, weis', reich und schöne,
Ihr seid doch nur Todtenbein;
Hier ein wohlgeschmückter Bau,
Nach dem Tod der Würmer Au.
Staub und Asch, was willt du prangen
Mit dem Wissen und Verstand,
Mit der Röthe deiner Wangen,
Mit dem Gold an deiner Hand?
Kann es doch nicht helfen dir,
Wenn der Tod klopft an die Thür.
Menschenkind, nimm dies zu Herzen!
Hier ist Leben, hier ist Tod;
Hier ist Freude, hier sind Schmerzen.
Willt du meiden ewig Noth,
Denke daß du sterben mußt;
So erstirbt der Sünden Lust.
Leg ab Mißgunst, Neid und Hassen!
Demuth lieb', laß Hoffarth sein!
Alles mußt du Andern lassen,
Nackt zur Gruben kriechen ein.
Heute bist du Herr im Haus;
Morgen trägt man dich hinaus.
Ach Herr Jesu, wollst uns lehren,
Wie, woher, wann kommt der Tod,
Daß wir uns bei Zeit bekehren
Und entgehn der Seelennoth,
Weislich und mit klugem Sinn
Denken an das Ende hin.
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