> Gedichte und Zitate für alle: Dichter des Barock- Teil 4- Angelus Silesius- Kurzbiografie+Leseproben

2013-06-14

Dichter des Barock- Teil 4- Angelus Silesius- Kurzbiografie+Leseproben




getauft: 25.12.1624 Breslau

gestorben: 09.07.1677 Breslau



1639–1643
Besuch des Elisabeth-Gymnasiums in Breslau. Erste lateinische Gedichte. Sein Lehrer für Rhetorik und Poetik ist Christoph Köler, Freund und Biograph von M.Opitz

1643
Angelus Silesius geht nach Straßburg. Studium Medizin und Staatsrecht.

1644-47
Studium in Leiden

1648
In Padua. Silesius erhält den Doktorgrad in Medizin und Philosophie.

1649
Leibarzt des lutherischen Herzogs Silvius Nimrod zu Württemberg-Oels. Wegen Streitigkeiten mit dem Oelser Hofprediger geht Silesius zurück nach Breslau und läßt sich als Arzt nieder.

1653
Konfessionwechsel. Tritt öffentlich zur römisch-katholischen Kirche über und nimmt den Namen Angelus an. ( Nach dem spanischen Mystiker Johannes ab Angelis)

1657
Veröffentlichung seiner Sinn-und Schlußreime. (ab 1675 Cherubinischer Wandersmann, zweizeilige Sprüche in gereimten Alexandrinern)

1661
Angelus Silesius empfängt die Priesterweihe in Neiße.

1664–1666
Angelus Silesius steht im Dienst des Breslauer Fürstbischofs Sebastian von Rostock.

1667
Silesius führt ein zurückgezogenes Leben im Kreuzherrenstift St. Matthias in Breslau. Er verschenkt sein gesamtes Vermögen an Arme und behandelt unentgeltlich arme Patienten.
Bis zu seinem Tod verfasst Silesius noch zahlreiche theologische Schriften.

1675
»Cherubinischer Wandersmann oder Geist-Reiche Sinn- und Schluss-Reime mit dem sechsten Buche vermehrt«, erscheint in Glatz

1677
 09.07.1677 Tod des Dichters in Breslau


Werke (Auswahl)

Lyrik

Bonus Consiliarius. 352 deutsche Alexandriner. Breslau, 1642
Kristliches Ehrengedächtniss des Herrn Abraham von Franckenberg. 1652
Heilige Seelen-Lust Oder Geistliche Hirten-Lieder. Gründer, Breslau, 1657 (1668 erweitert)
Geistreiche Sinn- und Schlussreime. Kürner, Wien, 1657 1675 erweitert und als Cherubinischer Wandersmann in Glatz erschienen
Sinnliche Beschreibung Der Vier Letzten Dinge. Jonisch, Schweidnitz, 1675

Traktate und Streitschriften

Tucken-Schrifft Von den Ursachen der Türckischen Uberziehung. 1663
Kehr-Wisch Zu Abkehrung des Ungeziefers Mit welchem seine wolgemeynte Türckenschrifft Christianus Chemmtis hat wollen verhast machen. 1664
Christen-Schrifft Von dem herrlichen Kennzeichen deß Volkes Gottes.1664
Kommet her und Sehet mit vernünfftigen Augen wie Joseph und die Heiligen bey den Catholischen geeehret. 1665
Der Lutheraner und Calvinisten Abgott der Vernunfft entblösset dargestellt.  1665
Des Römischen Bapsts Oberhaubtmannschaft über die gantze allgemeine Kirche Christi.  1666
Ecclesiologia Oder Kirche-Beschreibung. Sammlung von 39 antilutherischen Streitschriften.  Glatz 1677



Angelus Silesius, eigentlich Johannes Scheffler wurde am 25.12.1624 in Breslau getauft und war einer der bedeutendsten Lyriker des Barocks. 
Bekannt sind vor allem seine "Geistreiche Sinn- und Schlussreime" die in einer späteren Ausgabe den Namen "Cherubinischer Wandersmann" erhalten, und deren, zumeist zweizeiligen Alexandriner bis heute lebendig geblieben sind. Eine zweite Sammlung die"Heilige Seelen-Lust oder Geistliche Hirten-Lieder " erschienen ebenfalls in Breslau. Silesius hat des weiteren zahlreiche rein geistliche Gedichte hinterlassen in dem er sein Dichten in den Dienst der Kirche stellt.

Als Hauptwerk von Silesius kann der "Cherubinische Wandersmann angesehen werden. 1657 erschienen die ersten 5 Bücher der Epigrammsammlung noch unter den Namen "Geistreiche Sinn- und Schlussreime". Im Jahr 1675 erschien das Werk, um ein Buch erweitert, als der  "Cherubinischer Wandersmann" . Die Sammlung ist zumeist in zweizeiligen, selten auch in vierzeiligen Alexandrinern geschrieben. 
Das gesamte Werk kreist um den Gedanken des Mensch-Gott- Verhältnisses. Die Sammlung weist viele Parallelen zu mystischen Schriften der Zeit auf und es gibt Passagen die fast als Zitate zu bezeichnen sind. Grundlegend Neues, was noch nicht von anderen Dichtern des Barocks behandelt wurde,  weißt das Werk von Silesius nicht auf, jedoch hat es der Dichter verstanden in knapper und überzeugender Sprache sein Anliegen zu formulieren. 
Die verwendeten dichterischen Mittel sind äußerst vielfältig. Logische Paradoxien, Satire oder Aufrufe ( Mensch werde.....) wechseln einander ab und lassen auch den heutigen Leser nicht unbeeindruckt.

An dieser Stelle ist es nicht möglich und angebracht den ganzen "Cherubinischen Wandersmann" zu veröffentlichen. Trotzdem möchte ich eine Auswahl aus den 6 Büchern auf meiner Seite veröffentlichen um wenigstens ein Eindruck des Werkes zu vermitteln. Im Folgenden finden sie 10 Sinngedichte je Buch. Das ist natürlich nur ein Bruchteil des Werkes das rund 2000 Sinngedichte enthält. Trotzdem hoffe ich das meine Auswahl etwas von dem geistreichen Werk vermitteln kann.

Cherubinische Wandersmann Buch 1+2
Cherubinische Wandersmann Buch 3+4
Cherubinische Wandersmann Buch 5+6

Leseproben






Aus heilige Seelenlust


Ich will dich lieben, meine Stärke,
Ich will dich lieben, meine Zier,
Ich will dich lieben mit dem Werke
Und immerwährender Begier.
Ich will dich lieben, schönstes Licht,
Bis mir das Herze bricht.

Ich will dich lieben, o mein Leben,
Als meinen allerbesten Freund;
Ich will dich lieben und erheben,
Solange mich dein Glanz bescheint.
Ich will dich lieben, Gottes Lamm,
Als meinen Bräutigam.

Ach, daß ich dich so spät erkennet,
Du hochgelobte Schönheit du!
Und dich nicht eher mein genennet,
Du höchstes Gut und wahre Ruh!
Es ist mir leid und bin betrübt,
Daß ich so spät geliebt.

Ich lief verirrt und war verblendet,
Ich suchte dich und fand dich nicht;
Ich hatte mich von dir gewendet
Und liebte das geschaffne Licht;
Nun aber ists durch dich geschehn,
Daß ich dich hab ersehn.

Erhalte mich auf deinen Stegen
Und laß mich nicht mehr irre gehn,
Laß meinen Fuß in deinen Wegen
Nicht straucheln oder stille stehn.
Erleucht mir Leib und Seele ganz,
Du starker Himmelsglanz.

Ich will dich lieben, meine Krone,
Ich will dich lieben, meinen Gott,
Ich will dich lieben ohne Lohne
Auch in der allergrößten Not.
Ich will dich lieben, schönstes Licht,
Bis mir das Herze bricht.


Sie betrachtet den gekreuzigten Jesum

Schau, Braut, wie hängt dein Bräutigam
An eines harten Kreuzes Stamm!
Ist auch wohl ein Schmerz zu nennen,
Den man nicht an ihm kann kennen?

Schau doch, er hänget ganz entblößt,
Betrübt, geängstigt, ungetröst!
Voller Beulen, voller Wunden,
Ungepflegt und unverbunden.

Die Glieder alle sind zerdehnt,
Der Mund steht offen, lechzt und gähnt.
Und die Lippen, wie Korallen,
Sind verblaßt, beschmitzt mit Gallen.

Sein huldenreiches Angesicht
Kann man vor‘m Blut erkennen nicht.
Seine Stirn ist ganz zerstochen
Und die Augen sind gebrochen.

Das Haupt ist grausamlich verhöhnt,
Mit einem Dornenkranz gekrönt.
Und der Haare tapfre Locken
Hängen voller Speichelflocken.

Die Händ und Füße sind durchbohrt,
Verrenkt, gelähmet und verkohrt.
Auch das Herz, o groß Betrüben!
Ist nicht unverwundet blieben.

Schau, Braut, so gehts dem grünen Reis!
So gehts dem fruchtbarn Paradeis!
Schau, wie wirds mit dir dann werden,
Dürres Holz, Staub, Asch und Erden.

Jedoch verzage nicht, er hat
Bezahlet deine Missetat.
Schau, er neigt sich, dich zu küssen,
Will dich um und bei sich wissen.

Geh, werde seinem Leiden gleich,
Erduld auch du mit ihm den Streich.
Denn es will sich nicht geziemen,
Daß die Braut sei ohne Striemen.

Ach, steig hinauf und stirb mit ihm,
Wie ein verliebter Seraphim.
Wer sein Leben will erwerben,
Muß mit ihm am Kreuze sterben.

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