Emanuel Geibel
Der Mond kommt still gegangen
Der Mond kommt still gegangen
Mit seinem goldnen Schein,
Da schläft in holdem Prangen
Die müde Erde ein.
Im Traum die Wipfel wehen,
Die Quellen rauschen sacht,
Singende Engel durchschweben
Die blaue Sternennacht.
Und auf den Lüften schwanken
Aus manchem treuen Sinn
Viel tausend Liebesgedanken
Über die Schläfer hin.
Und drunten im Tale, da funkeln
Die Fenster von Liebchens Haus;
Ich aber blicke im Dunkeln
Still in die Welt hinaus.
Mattias Claudius
Abendlied
Der Mond ist aufgegangen,
Die goldnen Sternlein prangen
Am Himmel hell und klar;
Der Wald steht schwarz und schweiget,
Und aus den Wiesen steiget
Der weiße Nebel wunderbar.
Wie ist die Welt so stille
Und in der Dämmrung Hüle
So traulich und so hold!
Als eine stille Kammer,
Wo ihr des Tages Jammer
Verschlafen und vergessen sollt.
Seht ihr den Mond dort stehen?
Er ist nur halb zu sehen
Und ist doch rund und schön!
So sind wohl manche Sachen,
Die wir getrost belachen,
Weil unsre Augen sie nicht sehn.
Wir stolzen Menschenkinder
Sind eitel arme Sünder
Und wissen gar nicht viel;
Wir spinnen Luftgespinste
Und suchen viele Künste
Und kommen weiter vor dem Ziel.
Gott, laß uns dein Heil schauen,
Auf nichts Vergänglichs trauen,
Nicht Eitelkeit uns freun!
Laß uns einfältig werden
Und vor dir hier auf Erden
Wie Kinder fromm und fröhlich sein.
Wollst endlich sonder Grämen
Aus dieser Welt uns nehmen
Durch einen sanften Tod!
Und wenn du uns genommen,
Laß uns in Himmel kommen,
Du, unser Herr und unser Gott!
So legt euch denn, ihr Brüder,
In Gottes Namen nieder;
Kalt ist der Abendhauch.
Verschon` uns, Gott, mit Strafen
Und laß uns ruhig schlafen!
Und unsern kranken Nachbar auch!
Christoph Martin Wieland
Ahnungen
Der Mondschein hat dies eigen, wie uns deucht,
Er scheinet uns die Welt der Geister aufzuschließen:
Man fühlt sich federleicht,
Und glaubt in Luft dahinzufließen;
Der Schlummer der Natur hält rings um uns herum
Aus Ehrfurcht alle Wesen stumm;
Und aus den Formen, die im zweifelhaften Schatten
Gar sonderbar sich mischen, wandeln, gatten,
Schafft unvermerkt der Geist sich ein Elysium.
Die Werktagswelt verschwindet. Ein wollustreiches Sehnen
Schwellt sanft das Herz. Befreit von irdischer Begier
Erhebt die Seele sich zum wesentlichen Schönen,
Und hohe Ahnungen entwickeln sich in ihr.
Max von Schenkendorf
An den Mond
Lächle, lächle lieber Mond
In der Zelle Nacht,
Wo die stille Liebe wohnt,
Wo die Sehnsucht wacht.
Meines Herzens ew'gen Drang
Bring' ihn doch zur Ruh,
Sing' ihm süßen Wiegensang,
Tröstungen ihm zu.
Lächle mit dem Himmelstrahl
Trauter, lieber Mond
In das stille Friedensthal,
Wo die Freundin wohnt.
Ströme deinen Segensquell
Hin auf ihr Gemüth,
Das so lieblich, rein und hell
Wie dein Antlitz blüht.
Zeuge meiner Seligkeit,
Meiner Freundin Freund,
Der oft still und ohne Neid
Mich mit ihr vereint.
Ist der Tag nicht bald vollbracht,
Holder Bundesstern?
Ach, ist die Vermählungsnacht
Immer noch so fern?
Mond, wann fällt dein bleicher Strahl
Lächelnder herab
Auf das ew'ge Friedensthal,
Auf das stille Grab,
Wo die Sehnsucht schläft und ruht,
Ach wohin sie zieht,
Wenn mit ihrem höchsten Gut
Sie der Erd' entflieht?
Mond, mein Geist fliegt auf zu dir,
Um den Ort zu weihn,
Wo er eins mit Ihr, mit Ihr,
Seliger wird sein.
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen