Justinus Kerner
Der Wanderer in der Sägemühle
Dort unten in der Mühle
saß ich in stiller Ruh
und sah dem Räderspiele
und sah dem Wasser zu.
Sah zu der blanken Säge,
es war mir wie ein Traum,
die bahnte lange Wege
in einen Tannenbaum.
Die Tanne war wie lebend,
in Trauermelodie
durch alle Fasern bebend,
sang diese Worte sie:
Du kehrst zur rechten Stunde,
o Wanderer hier ein,
du bist's, für den die Wunde
mir dringt ins Herz hinein.
Du bist's, für den wird werden,
wenn kurz gewandert du,
dies Holz im Schoß der Erden
ein Schrein zur langen Ruh.
Vier Bretter sah ich fallen,
mir ward's ums Herze schwer;
ein Wörtlein wollt ich lallen,
da ging das Rad nicht mehr.
Johann Wilhelm Wolf
Die Sonn erwacht!
Mit ihrer Pracht erfüllt sie die Berge das Tal!
O Morgenlust, o Waldesduft,
o goldener Sonnenstrahl!
Mit Sang und Klang die Welt entlang!
Wir fragen woher nicht, wohin.
Es treibt uns fort von Ort zu Ort
mit freiem, fröhlichem Sinn.
In Weit und Fern führt uns ein Stern,
auf ihn, auf ihn nur gerichtet den Blick!
Preziosa, dir, dir folgen wir,
und keiner, keiner bleibt zurück.
Albert Graf Schlippenbach
Nun leb' wohl, du kleine Gasse
Nun ade, du stilles Dach!
Vater, Mutter sah'n mir traurig,
Und die Liebste sah' mir nach.
Hier in weiter, weiter Ferne,
Wie's mich nach der Heimat zieht!
Lustig singen die Gesellen,
Doch es ist ein falsches Lied.
And're Städtchen kommen freilich,
And're Mädchen zu Gesicht!
Ach, wohl sind es and're Mädchen,
Doch die Eine ist es nicht.
And're Mädchen, and're Städtchen,
Ich da mitten d'rin so stumm;
And're Mädchen, and're Städtchen,
O wie gerne kehrt' ich um!
Gottfried Keller
Wanderlied (Aus den Wanderliedern)
Nun will ich gehn und wandern
Früh bis zum Abends spät,
Soweit auf dieser Erde
Die Sonne mit mir geht!
Ich nehme nichts mit as den Becher,
Mein leichtes Saitengetön;
Ich wundre mich über die Maßen,
Wie`s überall so schön.
Die Ebne ist oft schöner
Als meine Berge noch,
Und wo kein blauer Himmel
Gibts rote Wolken doch.
Wo keine schmachtenden Lotos,
Wächst blühend Heidekraut,
Wo keine gotischen Dome,
Sind jonische Tempel gebaut.
Und bin ich des Griechischen müde,
Mich lockt die luftige Moschee:
Ich kleide in maurischen Schnörkel!
Mein europäisches Weh!
Nur eine süße Blüte
Die mangle ich überall,
Von einem süßen Namen
Den reinen Siberschall.
Hallo, du muntrer Jäger!
Sag an, du Bergmann traut!
Hast du, o stiller Fischer,
Mein Liebchen nicht geschaut?
Mein Liebchen ist die Freiheit,
Ich such sie kreuz und quer,
Sie ist doch nicht ertrunken
im alten falschen Meer?
Mörike Eduard
Auf einer Wanderung
In ein freundliches Städtchen tret ich ein,
In den Straßen liegt roter Abendschein.
Aus einem offnen Fenster eben,
Über den reichsten Blumenflor
Hinweg, hört man Goldglockentöne schweben,
Und eine Stimme scheint ein Nachtigallenchor,
Daß die Blüten beben,
Daß die Lüfte leben,
Daß in höherem Rot die Rosen leuchten vor.
Lang hielt ich staunend, lustbeklommen.
Wie ich hinaus vors Tor gekommen,
Ich weiß es wahrlich selber nicht.
Ach hier, wie liegt die Welt so licht!
Der Himmel wogt in purpurnem Gewühle,
Rückwärts die Stadt in goldnem Rauch:
Wie rauscht der Erlenbach, wie rauscht im Grund die Mühle,
Ich bin wie trunken, irrgeführt -
O Muse, du hast mein Herz berührt
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