Reisen
Reisen soll ich, Freunde! reisen,
Lüften soll ich mir die Brust?
Aus des Tagwerks engen Gleisen
Lockt ihr mich zu Wanderlust?
Und doch hab ich tiefer eben
In die Heimat mich versenkt,
Fühle mich, ihr hingegeben,
Freier, reicher, als ihr denkt.
Nie erschöpf ich diese Wege,
Nie ergründ ich dieses Tal,
Und die altbetretnen Stege
Rühren neu mich jedesmal;
Öfters, wenn ich selbst mir sage,
Wie der Pfad doch einsam sei,
Streifen hier am lichten Tage
Teure Schatten mir vorbei.
Wann die Sonne fährt von hinnen,
Kennt mein Herz noch keine Ruh,
Eilt mit ihr von Bergeszinnen
Fabelhaften Inseln zu;
Tauchen dann hervor die Sterne,
Drängt es mächtig mich hinan,
Und in immer tiefre Ferne
Zieh ich helle Götterbahn.
Alt' und neue Jugendträume,
Zukunft und Vergangenheit,
Uferlose Himmelsräume
Sind mir stündlich hier bereit.
Darum, Freunde! will ich reisen;
Weiset Straße mir und Ziel!
In der Heimat stillen Kreisen
Schwärmt das Herz doch allzuviel.
Joseph Christian Freiherr von Zedlitz
Die Reise
Schon verschwinden jene Berge,
Die die heit're Stadt umziehn,
Jene fernen blauen Höhen
Seh' ich auch vorüber fliehn.
Und des Stromes grüne Wogen
Rollen unaufhaltsam fort,
Und ich fahr' an seinem Ufer,
Neben, mit ihm roll' ich fort.
Doch, so wie von seiner Quelle
Bis wo er in's Meer sich gießt,
Jeder Tropfen seines Wassers
Liebend dort vorüberfließt;
Und wie er mit seinen Fluthen
Sehnend an die Stadt sich schmiegt,
Und wie, selig, seine Traute,
Sie an seinem Busen liegt;
Und, ob Woge strömt an Woge,
Und wie eilig sie entrinnt,
Doch der Strom sich nicht vermindert,
Neue Macht im Lauf gewinnt, –
So ist, was ich denke, fühle,
Meiner Liebsten zugesellt:
Hin zu ihr hat all' mein Sehnen
Immer seinen Lauf gestellt.
So umfängt sie meine Liebe,
So schmiegt sich mein Herz ihr an,
Und so ist ihr jede Regung
Meiner Seele unterthan.
Und so viel ich Liebe spende,
Sie mir nimmer doch gebricht;
Woge treibt die Woge brausend,
Doch der Strom versieget nicht.
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