Auf Urlaub
Erzählen soll ich, wie's gewesen?
Schön war es nicht. Geht selber hin!
Ich möchte von dem Druck genesen,
so lang ich in der Heimat bin.
Erzählt mir lieber, wie's zu Hause
gewesen, als ich draußen war.
Lebt noch der Spitz vom Nachbar Krause,
pfeift bei der Laube noch der Staar?
Wie sieht's im Garten aus? Die Bohnen,
wie sind sie heuer, und das Kraut?
Wird sich die Apfelernte lohnen?
Und habt ihr schon den Stall gebaut?
Wie oft, wenn ich im Schützengraben
im Feuer der Granaten lag,
dacht ich an unsre Honigwaben,
und wie's den Kühen gehen mag.
Nun gönnt mir diese Feierstunden
und laßt mich unsre Hühner sehn,
anstatt noch mal durch Blut und Wunden
und allen Graus mit euch zu gehn.
Schön war es nicht, das könnt ihr glauben,
doch Krieg ist Krieg, und Pflicht ist Pflicht!
O seht, sind das des Nachbars Tauben?
So schön wie unsre sind sie nicht.
Oft in der Nacht aus heißen Träumen
sah ich empor und rief Hurra!
Und kein Gefecht möcht ich versäumen,
bei Gott, und kein Viktoria!
Doch jetzt erzählen? Nimmer! Nimmer!
Ihr wißt nicht, wie mir davor graut.
O seht, im goldnen Sonnenschimmer
wie schön die liebe Heimat schaut.
Tief trink ich ihren süßen Frieden
aus Morgenrot und Abendrot
und geh für sie, ist's mir beschieden,
noch mal so freudig in den Tod.
Ludwig Thoma
Sommeridylle
Berge und Täler sind jetzt voll von Menschen,
Welche sich Urlaub genommen haben
Und an der reinen Luft der Kurorte
Sowohl sich als ihre Angehörigen laben.
Viele hört man mit Neugierde fragen,
Ob hier noch echte Wilderer wachsen,
Welche die wirklichen Gemsen töten.
Meistens sind diese Leute aus Sachsen.
Manche baden in dem klaren Gewässer,
Wobei erwachsene Töchter nicht geizen
Mit ihren Formen, von denen man füglich
Glaubt, dass sie den Junggesellen anreizen.
Ihre Mütter stricken indes im Garten,
Wo sie Kaffee mit Honig genießen
Und sich über die Dienstboten äußern,
Welche sie in der Stadt darin ließen.
Abgesondert sitzen die Ehemänner,
Welche sich gründlich dadurch erfrischen,
Dass sie nichts von den Frauen hören,
Sondern beim Skat ihre Karten mischen.
Auf den Ruhebänken am Seeufer
Sitzen zwei Richter, welche verdauen
Und anderen Leuten durch Fachsimpeln
Ihren Sommeraufenthalt versauen.
Kurt Tucholsky
Auf Urlaub
Die Residenz!
Gu'n Tag, du Metropole!
Da ist auch schon der Alexanderplatz . . .
Verstatte, daß ich mich das Schneuztuch hole,
das Herz schlägt stürmisch unterm Busenlatz.
Du gute Spree mit dem geduldigen Rücken,
der Ruderklubs und der Mamsells Entzücken –
ich seh dich still und mächtig dreckig ziehn . . .
Berlin!
Die Weiche knackt. Der Zug zischt an den Hallen
der Stadtbahn lang. Da liegt der dicke Dom.
Die pfui! die Friedrichstraße will mir recht gefallen,
am Charitéhaus grünt ein Appelboom.
Die Völker auf den Straßen sind nicht ohne:
dem Gang nach lauter Jrafens und Barone.
Es riecht nach Geld. Prozente, Mensch, verdien!
Berlin!
Charlottenburg. Da steht die lange Claire,
den Bastard meiner Liebe an der Hand.
Ob auch die Rationierung an uns zehre –
der Knochenbau hält allen Feinden stand.
Das wird die rechte Wiedersehensfeier!
Ich hab (im Rucksack) fünfundsiebzig Eier –
Da hält der Zug! Die Kümmernisse fliehn . . .
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