Tod im Mai
Macht's der Glocken lautes Hallen?
Blüten schneien lind herab
Auf den Sarg, mit dem zum Grab
Sie dort unter Bäumen wallen.
In so lichtem Frühlingsleben,
Wo sich die Natur erneut
Vogel singt, der Mensch sich freut,
Sollt' es keine Leiche geben.
Doch wenn sich der Lenz erhebet,
Mensch und Blüte fröhlich lacht –
Habt ihr das noch nie bedacht? –
Da der Tod am liebsten lebet.
Da mit gier'gen Armen greift er
Oft am liebsten nach dem Kind,
Eine Blütenwelt geschwind
Durch den Hauch des Nachtfrosts streift er.
Siehst du jenen Sarg nun offen
Vor dem Grab? – sie beten leis.
Schau'! ein Knäblein lilienweiß,
Tot jetzt, jüngst ein süßes Hoffen.
Lüfte! weht die Blütenfülle
Nur herab aufs bleiche Kind!
Bei Geschwistern, Blüten lind,
Schlaf' und träum' es süß und stille.
Franz Theodor Kugler
Die Jungfrau und der Tod
Wie ist so heiß im Busen mir,
wie zieht es mich so weit von hier!
O sende Kühlung, sende Ruh,
du milder Mond, mir Armen zu!
Verhallt ist aller Tritte Schall
und still rings, nur die Nachtigall
auf unsres Nachbarn Lindenbaum
gibt ihrer Sehnsucht-Klage Raum.
Wie alles schon im Schlafe liegt,
in süße Träume eingewiegt!
Nur einer kommt die Straß herauf,
trieb es ihn auch vom Lager auf?
Zur Ruh hat jeder sich gelegt,
der ruhig klopfen fühlt sein Herz;
allein dem Sehnenden erregt
die stille Nacht nur neuen Schmerz.
Du aber sollst nicht klagend bang
die Nacht durchwachen, Liebchen fein,
mit Zitherspiel und mit Gesang
wieg ich dich leis in Schlummer ein.
Ludwig Uhland
An den Tod
Der du still im Abendlichte
Wandelst durch der Erde Beet,
Klare Blumen, goldne Früchte
Sammelst, die dir Gott gesät:
Schon’, o Tod, was, sanft entzücket,
An des Lebens Brust sich schmiegt,
Sich zum süßen Liede wiegt
Und zum Mutterauge blicket!
Laß der Erde ihre Söhne,
Deren Kraft im Sturme fleugt,
Daß ein freudiges Getöne
Schnell aus toten Wäldern steigt!
Lösche nicht den Geist des Weisen,
Dessen heil’gen Sonnenglanz,
Schön verwebt in sichrem Tanz,
Jugendliche Mond’ umkreisen.
Aus der Silberwolke fahre
Still dahin zur Sternezeit,
Wo ein Greis am Hausaltare
Jedem Abend Tränen weiht;
Sprich die Namen seiner Lieben,
Führ ihn auf in ihren Kranz,
Wo des Auges ew’gen Glanz
Keiner Trennung Zähren trüben!
Und den Jüngling, dem die Liebe
Heisses Sehnen aufgeweckt,
Der in ungestilltem Triebe
Offne Arme ausgestreckt,
Dann zur Blumenflur der Sterne
Aufgeschauet liebewarm:
Faß ihn freundlich Arm in Arm,
Trag ihn in die blaue Ferne!
Wo es bräutlich glänzt und hallet,
Liebeathmend ihn umschließt,
Was ihn geistig einst umwallet
Und mit leisem Gruß gegrüßt;
Wo es in der Seele maiet,
Die, von neuem Leben jung,
Ewiger Begeisterung,
Ewigen Gesangs sich freuet,
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