Mummelsee’s Geschenk
Zu Kappel pocht’s um Mitternacht
Einst an der Hebamm’ Fenster sacht.
Sie rafft sich auf, erschließt die Thür,
Da tritt ein hoher Greis herfür;
In Silberflocken fließt ihm lang
Der Bart herab von Kinn’ und Wang’;
Den grünen Mantel ziert ein Saum
Von weißem Pelz wie Wellenschaum.
Der Amme vor Entsetzen bleich,
Gebeut er, ihm zu folgen gleich
Und seiner Hausfrau beizustehen,
Die niederliegt in Kindeswehen.
Die Amme netzt sich an der Schwelle
Noch mit geweihtem Wasser schnelle,
Und mit geheimem Grausen dann
Folgt sie dem geisterhaften Mann.
Tief ins Gebirge ging der Weg,
Ihr war, als ob Gebüsch und Steg
Vor ihrem Blick vorüber flögen,
Als ob sie Geisterhände zögen;
Und siehe! schon am dunkeln Rand
Des Mummelsee’s die Bange stand.
Und aufs Gewässer schlug der Greis
Dreimal mit einem Birkenreis,
Daß rauschend sich die Fluthen theilten.
Auf einer Marmortrepp’ nun eilten
Die Beiden in die Tiefe jach
Bis ins erhellte Schlafgemach.
Und siehe! – durch den weiten Saal
Schien eines Leuchters bunter Strahl,
Geziert mit glitzernden Kristallen;
Mit reichen Perlen und Korallen,
Und von dem bunten Licht beschienen,
Lag hinter seidenen Gardinen
Die blasse Frau in ihren Wehen.
Frisch eilt’ die Amm’, ihr beizustehen,
Und bald ist aller Schmerz gehoben.
Der Greis geleitet sie nach oben,
Er dankt, des guten Dienstes froh,
Und reicht zum Lohn – ein Bündel Stroh.
Kaum stieg der Alte langsam wieder
Die blanke Wendeltreppe nieder,
Kaum hatten sich die dunkeln Wogen
Zusammen über ihn gezogen,
So warf die zornige Dienerin
Das Spottgeschenk ins Wasser hin.
Doch als sie bei der Morgenhelle
Nun eben trat auf ihre Schwelle,
Da sah sie hin und staunte hoch:
Es hing an ihrer Schürze noch
Ein Halm des Stroh’s, der wunderbar
In lauter Gold verwandelt war.
Nun dacht’ an ihr verscherztes Glück
Die Arme jeden Tag zurück,
Und grämte sich, bis über’s Jahr
Derselbe Tag ihr letzter war.
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