Theodor Storm
Was fehlt dir, Mutter?
In frischer Laube ruht ein blühend Weib,
Es glänzt das Laub, die vollen Zweige brechen;
Ein schöner Knabe schmiegt an ihren Leib;
Sie lacht und küßt und lehrt ihn Namen sprechen.
Und auch ein Name, wie sie leis ihn ruft,
Daß ihn der Knabe stammelnd nacherzähle,
Wehmütig zieht, wie abends Lilienduft,
Ein Jugendbild im Flug durch ihre Seele.
Die Träne macht das helle Aug ihr blind,
Versunkne Zeiten steigen auf vom Grabe. –
»Was fehlt dir, Mutter?« koste sie das Kind.
Sie hebt das Haupt: »Nichts, nichts! mein süßer Knabe!«
Heinrich Seidel
Die trauernde Mutter
Um mein holdes Kindchen muss ich klagen:
Engel haben es emporgetragen
Nach des Himmelreiches goldnen Höhn.
Selbst ein Engel nun mit goldnen Flügeln,
Weilt es ferne hinter jenen Hügeln,
Wo die ros'gen Morgenwolken gehn!
Nimmer grüsst mich seines Auges Glänzen;
Nur sein kleines Grab kann ich bekränzen,
Wo die düstern Trauerweiden stehn.
Karl May
An die Mutter
Ich hab gefehlt, und du hast es getragen,
So manches Mal und, ach, so lang, so schwer.
Wie das mich nun bedrückt, kann ich nicht sagen;
O komm noch einmal, einmal zu mir her!
Du starbst ja nicht; du bist hinaufgestiegen
Zu reinen Geistern, meiner Mutter Geist.
Ich weiß, du siehst jetzt betend mich hier liegen;
O komm, o komm, und sag, daß du verzeihst!
Komm mir im Traum; komm in der Dämmerstunde,
Wenn, Stern um Stern, der Himmel uns umarmt.
Bring mir Verzeihung, und bring mir die Kunde,
Daß auch die Seligkeit sich mein erbarmt!
Friederike Kempner
Vor der Mutter Bild
Fast strenge sah sie zu mir nieder –
»Gefallen Dir nicht meine Lieder,
Die ich ja oftmals von Dir singe?
Bin ich nicht gut und treu und bieder?
Und tu' ich jemals schlechte Dinge?«
Antwort:
»Du tuest gut, doch nicht so, wie Du's solltest,
Und lange nicht so gut, als wie Du's wolltest –
Dir ward das höchste, schwerste Ziel: Erringe
Es ganz! Sonst sieht es aus, als wenn Du schmolltest,
Daß aufgegeben Dir die größten Dinge!«
Wilhelm Busch
An die Mutter
O du, die mir die Liebste war,
du schläfst nun schon so manches Jahr.
So manches Jahr, da ich allein,
du gutes Herz, gedenk ich dein.
Gedenk ich dein, von Nacht umhüllt,
so tritt zu mir dein treues Bild.
Dein treues Bild, was ich auch tu,
es winkt mir ab,
es winkt mir zu.
Und scheint mein Wort dir gar zu kühn,
nicht gut mein Tun,
du hast mir einst so oft verziehn,
verzeih auch nun.
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