3.Buch
13. Ich die Ursach
Sag, allerliebstes Kind, bin ichs, um den du weinst?
Ach ja, du siehst mich an, ich bins wohl, den du meinst.
14. Küssungs-Begierde
Ach laß mich doch, mein Kind, mein Gott, an deinen Füßen
Nur einen Augenblick das mindste Brünklein küssen.
Ich weiß, werd ich von dir nur bloß berühret sein,
Daß stracks verschwinden wird mein und auch deine Pein.
36. Die übertreffliche Liebe
Ganz unbegreiflich ist die Lieb, aus der sich Gott
In eines Mägdlein Schoß zum Bräutgam mir entbot.
Doch gleichet diesem nichts, daß er auch Leib und Leben
Am Kreuze wie ein Schelm für mich hat hingegeben.
103. Gerechtigkeit macht selig
Wer selig werden will, der muß mit weißer Seiden
So zierlich, als er kann, sein Leib und Seel bekleiden.
125. Die Hoffart und Demut
Die Hoffart wird gehaßt, die Demut wird geliebt,
Und doch ist kaum ein Mensch, der sie vor jener übt.
138. Die Lieb ist tot
Ach, ach, die Lieb ist tot! wie ist sie denn gestorben?
Vor Frost, weil niemand sie geacht, ist sie verdorben.
152. Der Himmlische auf Erden
Wer reines Herzens ist und züchtig in Gebärden
Und hoch verliebt in Gott, ist himmlisch auf der Erden.
167. Der Geiz ist manchmal gut
Der Geizhals scharrt und kratzt um zeitlichen Gewinn;
Ach, daß wir uns nicht so um ewigen bemühn!
179. Vom Lieben
Die Liebe dieser Welt, die endt sich mit Betrüben,
Drum soll mein Herz allein die ewge Schönheit lieben.
206. Vom Gewissen
Ein gut Gewissen ruht, ein böses beißt und billt,
Ist wie ein Kettenhund, der schwerlich wird gestillt.
4.Buch
9. Das Unaussprechliche
Das Unaussprechliche, das man pflegt Gott zu nennen,
Gibt sich in einem Wort zu sprechen und zu kennen.
16. Der Schnee in der Sonne
Wie schöne glänzt der Schnee, wenn ihn der Sonnen Strahlen
Mit himmelischem Licht bestreichen und bemalen.
So glänzt auch deine Seel, so sie ist weiß wie Schnee,
Wenn sie beschienen wird vom Anfang aus der Höh.
29. Die Liebe
Die Lieb ist wie der Tod, sie tötet meine Sinnen,
Sie brichet mir das Herz und führt den Geist von hinnen.
37. Bescheidenheit
Das Richtscheit des Gemüts ist die Bescheidenheit;
Wer sich nach ihr nicht mißt, der fehlt der Tugend weit.
63. Vom reichen Mann
Man will dem reichen Mann kein Tröpflein Wasser geben,
Weil er das Maß mit Wein schon vollgemacht im Leben.
70. Der Mensch
Das größte Wunderding ist doch der Mensch allein:
Er kann, nachdem ers macht, Gott oder Teufel sein.
81. Der Tod
Der Tod bewegt mich nicht, ich komme nur durch ihn,
Wo ich schon nach dem Geist mit dem Gemüte bin.
92. Die Tagezeiten
Im Himmel ist der Tag, im Abgrund ist die Nacht,
Hier ist die Dämmerung; wohl dem, ders recht betracht!
130. Von der Eitelkeit
Wend ab dein Angesicht vom Glast der Eitelkeit,
Je mehr man ihn beschaut, je mehr wird man verleit't.
Jedoch kehrs wieder hin, denn wer ihn nicht betracht,
Der ist schon halb von ihm gefällt und umgebracht.
132. Verlust und Gewinn
Der Tod ist mein Gewinn, Verlust das lange Leben,
Und dennoch dank ich Gott, daß er mir dies gegeben.
Ich wachs und nehme zu, solang ich hier noch bin:
Darum ist auch gar wohl das Leben mein Gewinn.
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