Friedensgebet
Gib Frieden, Herr, gib Frieden,
Du milder Liebeshort!
Einst bist du abgeschieden
Mit süßem Freudenwort:
Ich geb' euch meinen Frieden,
Wie ihn die Welt nicht gibt,
Verheißen und beschieden
Dem, der mich glaubt und liebt.
Gib Frieden, Herr, gib Frieden!
Die Welt will Streit und Krieg,
Der Stille wird gemieden,
Der Wilde hat den Sieg,
Und Unruh' herrscht auf Erden
Und Lug und Trug und List -
Ach! Laß es stille werden,
Du stiller Jesus Christ!
Gib Frieden, Herr, gib Frieden,
Du milder Liebeshort!
Dann wird es schon hienieden
Ein Paradiesesort,
Und Sorgen fliehn und Schmerzen
Aus jeder schweren Brust,
In Freuden glühn die Herzen,
In Lieb' und Himmelslust.
Gottfried Keller
Des Friedens Ende
Im Zwielicht ruht das Stoppelfeld, Nachsommerlüfte wehn,
Und fliegend über das falbe Land ein Jüngling ist zu sehn;
Sein Kranz ist wie von Tränen schwer, des Jahres letztem Tau,
Verfolgt und zitternd flieht er hin durch Morgendämmergrau.
In seines Mantels Seidengrün verbirgt und hüllt er scheu
Des Krieges grimmes Schwert, das er gehütet fromm und treu;
Doch dies zu holen hat sich schon die Zwietracht aufgemacht,
Drum über die Stoppelheide floh das Kind die ganze Nacht.
Es sucht des Berges dunkle Schlucht und eilet todesbang
Durch Wurzeln und Gestein hinan den rauschenden Bach entlang,
Und im Geschiebe hört es schon der Göttin wilden Tritt,
Als es wie ein gehetztes Reh schnell in das Wasser glitt.
Schnell in die Flut, wo ihre Wucht sich von den Felsen schwingt,
Da duckt es unter das Wurzelwerk, vom weissen Gischt umringt;
Sie aber teilt's mit straffem Arm, erglühend vorgebeugt:
»Gib mir das Schwert, du weichlich Kind, in falscher Eh' gezeugt!
Des Jahres Frucht ist eingebracht und müssig liegt das Feld,
Gesättigt ruht der Bauer aus, der Makler zählt sein Geld,
In schweren Trauben reift der Wein und reizt zum Übermut,
Bald jagt er mir im Volk empor das eingeschlafne Blut!
Was schaust du mich so flehend an, du süsses Engelherz?
Ich bin das Weh, das mächtiger ist, als all dein eitler Schmerz:
Ich bin die Wut und Unvernunft, die wie die Hölle brennt,
Der Dämon, der sich weinend selbst den bösen Willen nennt!
Gib her das Schwert!« und wie der Knauf aus den Gewändern blickt,
Hat blitzesschnell die sehnige Hand der Eris ihn umstrickt;
Sie reisst durch beide Händ' dem Kind den Stahl, der lüstern blinkt,
Dass es mit den zerschnittenen lautlos zusammensinkt.
Nun steht sie auf des Berges Grat und schlägt den roten Schein
Der Morgensonne mit dem Schwert tief in die Welt hinein.
In wilder Schönheit atmet sie, wie Brandung wogt die Brust,
Und in den Tälern wacht es auf mit dumpfer Todeslust!
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