Nachgesang für die Enkel
Der uns das Lied gesungen hat,
Der war ein frommer Singer.
Er ging der alten Meister Pfad,
Ein unverdrossener Jünger;
Stets eingedenk des späten Ruhms,
Genannt zu sein des Altertums,
Des schönen, Wiederbringer.
Sein altes Liedlein: Gut und Schön!
Gab Sinn und Kraft den Matten
Und hob den Geist zu edlern Höhn
Als Übermut der Satten.
O manches gleißt hier unterm Mond,
Was kaum des Seitenblicks sich lohnt;
Froh lebt der Weis im Schatten.
Im Schirm der Musengrotte dort
Und dort des schönen Baumes
Erweitern Lied und frohes Wort
Sein Leben enges Raumes.
Und schloß er dann die Augen zu,
So freut er sich in holder Ruh
Des hehren Morgentraumes.
Der Singer sang uns Freude gern,
Ein immer wohlgemuter.
Am Nachtigallgebüsche fern,
Im Pappelschatten ruht er.
Nicht grünet unbesucht sein Grab,
Das Mägdlein bricht ein Blümchen ab,
Und saget sanft: Du Guter!
August Wilhelm Schlegel
Gesang und Kuß
Wenn fremde Blicke wachsam uns umgeben,
Und unsre tiefe Sehnsucht, ungestillt,
Sich in der Heiterkeit Geberde hüllt,
Und leise kaum den Busen wagt zu heben:
Dann ist nur eins, o mein geliebtes Leben!
Was mein Gemüth mit Wonn' und Ahndung füllt:
Die Melodie, so deinem Mund' entquillt,
Der seelenvollen Töne sanftes Schweben.
Wie Liebesodem fühl' ich den Gesang
Auf diesen Lippen, die vergebens glühen;
Zum Kuße wird mir jeder zarte Klang.
Und nenne dies nicht eitle Phantasieen.
Vernehm' ich nicht im schweigenden Umfang
Auch deines Herzens schöne Harmonieen?

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