Mann und Weib
Dem Weibe ist ein schönes Loos beschieden,
Was sie auch hat, sie hat es ganz und immer,
Sie freut sich an des fernsten Sternes Schimmer,
Allein sie schließt sich ab in klarem Frieden.
Der Mann wird nie so sehr vom Glück gemieden,
Als er es meidet, denn er fast es nimmer,
Gleichgültig, wird es besser, wird es schlimmer,
Er hört nicht auf, das Dasein umzuschmieden.
Ihr ist es, wie ein zugeworf'ner Faden,
Sie hält sich d'ran, und schaudert vor den Wogen,
Die unten dräu'n, und trinkt des Himmels Lüfte.
Er widersteht nicht, sich im Meer zu baden,
Und forscht, vom hellen Leben abgezogen,
Ob Gott sich nicht verbirgt im Schooß der Grüfte.
Anastasius Grün
Mannesthräne
Mädchen, sahst du jüngst mich weinen? -
Sieh, des Weibes Träne dünkt
Mir der klare Tau des Himmels,
Der in Blumenkelchen blinkt.
Ob die trübe Nacht ihn weinet,
Ob der Morgen lächelnd bringt,
Stets doch labt der Tau der Blume,
Und ihr Haupt hebt sie verjüngt.
Doch es gleicht des Mannes Träne
Edlem Harz aus Ostens Flur;
Tief ins Herz des Baums verschlossen,
Quillt's freiwillig selten nur.
Schneiden mußt du in die Rinde
Bis zum Kern des Marks hinein,
Und das edle Naß entträufelt
Dann so golden, hell und rein.
Bald zwar mag der Born versiegen,
Und der Baum grünt fort und treibt,
Und er grüßt noch manchen Frühling,
Doch der Schnitt, die Wunde - bleibt.
Mädchen, denk' des wunden Baumes
Auf des Ostens fernen Höh'n:
Denke, Mädchen, auch des Mannes,
Den du weinen einst gesehn!
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen