Musik
Wüsste ich für wen ich spiele, ach!
immer könnt ich rauschen wie der Bach.
Ahnte ich, ob tote Kinder gern
tönen hören meinen innern Stern;
ob die Mädchen, die vergangen sind,
lauschend wehn um mich im Abendwind.
Ob ich einem, welcher zornig war,
leise streife durch das Totenhaar...
Denn was wär Musik, wenn sie nicht ging
weit hinüber über jedes Ding.
Sie, gewiss, die weht, sie weiß es nicht,
wo uns die Verwandlung unterbricht.
Dass uns Freunde hören, ist wohl gut -,
aber sie sind nicht so ausgeruht
wie die Andern, die man nicht mehr sieht:
tiefer fühlen sie ein Lebens-Lied,
weil sie wehen unter dem, was weht,
und vergehen, wenn der Ton vergeht
Rainer Maria Rilke
Musik
Was spielst du, Knabe? Durch die Gärten gings
wie viele Schritte, flüsternde Befehle.
Was spielst du, Knabe? Siehe, deine Seele
verfing sich in den Stäben der Syrinx.
Was lockst du sie? Der Klang ist wie ein Kerker,
darin sie sich versäumt und sich versehnt,
stark ist dein Leben, doch dein Lied ist stärker,
an deine Sehnsucht schluchzend angelehnt. -
Gib ihr ein Schweigen, daß die Seele leise
heimkehre in das Flutende und Viele,
darin sie lebte, wachsend, weit und weise,
eh du sie zwangst in deine zarten Spiele.
Wie sie schon matter mit den Flügeln schlägt:
So wirst du, Träumer, ihren Flug vergeuden,
daß ihre Schwinge, vom Gesang zersägt,
sie nicht mehr über meine Mauern trägt,
wenn ich sie rufen werde zu den Freuden.
Klabund
Musik! Musik!
Musik! Musik! Zusammensein
Mit tausend Tönen, das mich nicht verlässt.
Ich schwinge mich im angesagten Fest
Und bin zu vielen und nicht mehr zu zwein.
Ich bin erlöst von meinem Blondverlangen.
Und Sybil ist mir wie ein ferner Wald,
Aus dem, bevölkert mit den schönen Schlangen,
Der herbstlich rote Schrei des Hirsches schallt.
Nicht mehr im Ruch der faulen Gossen sein.
Ein Eherner zur Sternparade schreiten.
Unter dem blauen Brückenbogen gleiten.
O ganz im süssen See verflossen sein!
George, Stefan
GEBROCHENE MUSIK
Die mutter wenn sie meint dass im gelall
Des säuglings sie zuerst ein wort erkannt:
Sie rührt sich kaum · die augen abgewandt
Mit offnem mund und ohr · dass dieser schall
Sie nochmals rufe .. angst- und zweifelvoll
Hat so die seele oft gelauscht bis Sang
Ein taglang innres wimmern schliesslich klang
Und süss musik und süss die träne quoll.
Doch jezt – wie oft auch meine seele schon
Auf dies gewohnte flüstern horcht – wie ein
Verschlossner dumpfer meeresmuschel-ton:
Es kommt kein sang · allein die stimme dein ·
O bitterlich geliebte! und ihr lohn
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