Allerseelen
Ernsthaft und still stieg heut der Tag herab.
Die Menschheit träumt und in umflorten Schalen
Fängt sie der Sonne herbstlich blasse Strahlen
Und schüttet all' auf ein geliebtes Grab.
Im Daseinskampf wird kein Erinnern wach,
Denn wer den Helm trägt greift nicht zum Breviere,
Doch Allerseelen pocht an jede Türe,
Und heut sinnt jeder seinen Toten nach.
Auch ich und du. - Doch ob wir betend knien,
Ob wir verträumt nur stille Stirnen senken,
Aus bangem Gram und trauerndem Gedenken
Muß uns ein Trost als goldne Frucht erblühn.
Ein Trost, der lieblich uns entgegen lacht
Und uns erzählt an schwarzem Sarkophage,
Das auch der Tod nur eine lange Nacht,
Die schwanger geht mit einem neuen Tage.
Max Dauthendey
Allerseelen
Ich sehne mich nach tiefer Ruh'!
Kein Frieden mehr im Atmen ist.
Deckt mich mit stiller Erde zu!
Damit mein Heimweh mich vergisst!
Deckt mich mit stiller Erde zu,
Die wilde Leere stößt mich fort.
Ich sehne mich nach tiefer Ruh'
Und nach dem neuen Heimatort.
Ludwig Thoma
Allerseelen
Nun welkt, was einstens grün war, Philippine.
Nach dem Gesetze der Vergänglichkeit
Weist die Natur uns ihre Sterbemiene.
Auch uns, Geliebte, droht es seinerzeit!
O schaue rings um dich! Mit ernsten Lettern
Schreibt es der Herbst in unser Lebensbuch:
Wir werden nach und nach uns ganz entblättern,
Dann, Philippine, kommt das Leichentuch.
Sieh dort am Rand des Waldes: immer gelber
Färbt sich die Linde, gestern war sie grün.
Und sprich, Geliebte, merkst du es nicht selber,
Das unsre Triebe minder heftig glühn?
Die Glocken läuten dumpf. 's ist Allerseelen.
Man wendet seinen Sinn den Toten zu.
Wie bald wird eines von uns beiden fehlen!
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