> Gedichte und Zitate für alle: Deutsche Lyriker mit Gedichten zum Gesang (18)

2013-09-03

Deutsche Lyriker mit Gedichten zum Gesang (18)


Teil 18




Maria Luise Weissmann

Gesang an die Stadt

 Du brachst im schönen Leib der Landschaft auf.
Wie eine Eiterbeule aufbricht, brachst du
Auf in den Tag und liegst du gleißend nun
Unter den Sternen nachts.

Nun gehen alle großen Straßen zu dir hin,
Zu dir die Mühsal-Straßen, staubbedeckt,
Die Eisen-Adern, und die unsichtbaren
Straßen der Luft spannen sich nach dir hin.

Und alle großen Ströme münden in dich ein:
In dich die breiten, breiten Ströme Blut,
Die Ströme Lust, die Ströme Schmerz, es stürzen
Zu dir die tausendfachen Ströme Tod.

Daß, wer in dich trieb, Wirbel sieht zurück
Und sieht nur Weg: sieht noch in Kindheitsjahren
Von Kindheitsdrachen sehnsuchtsvoll befahren
Nach dir ein ziellos reines Blau.
Karl Henckell

Gesang des Pilgers

 Fort über Schlünde zu Geländen,
Schlafwandelnd, für Gefahren blind,
Ward ich geführt von Geisterhänden,
Die meines Weges Hüter sind.

Ich ging dahin durch Nacht und Grauen,
Und die Dämonen dräuten dicht,
Nach meinen Schritten musste schauen
Erschreckt der Menschen Angesicht.

Was will der Männer und der Frauen
Verwundert Fragen nach dem Ziel?
Mein Stern und Stab ist mein Vertrauen
Durchs ungeheuer dunkle Spiel.

Kein fremdes Irrlicht soll mich blenden,
Die eigene Krone sucht das Kind –
Mag jeder Wandrer so vollenden
Das Los, das ihm die Norne spinnt!



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