> Gedichte und Zitate für alle: Der Totensonntag im Spiegel von Gedichten (4)

2013-11-04

Der Totensonntag im Spiegel von Gedichten (4)








Friedrich Lienhard

Totensonntag

Heil uns, wir alle gehen dem Ende zu.
Pindar.

Nicht das wir uns, ihr vielgeliebten Toten,
Dort wiedersehen, ist mein heimlich Glück:
Ihr seid ja schon hienieden bei mir, wenn ich
In Sommernächten übers Hochland wandle,
Ihr Trauten, lieber mir als Körpermenschen
Und lieb fast wie der Ew'ge, der euch schuf!
Doch das in jenem unermeßnen All
Kein unrein Stäubchen mehr den Geist befleckt,
Das aller Sprachen Hülle, aller Witz
Und alle täuschende Gebärde abfiel,
Das in so grenzenloser Nacktheit sich
Die Seele unbarmherzig offenbart ,
Oh, daß der Edelsinn dem Edelsinn
Entgegensprüht wie Funke zu dem Funken,
Ein Meer von Sprühtau, Meer von Leuchteseelen,
Dem immer neue Edlen, erdentwichen,
Anbetend nahen durch die Sternennacht.

Das ist des Totensonntags stählend Glück!

Komm, Tag der Freiheit, Tag der Wahrheit, komm!
Wir grüßen dich, die wir gekettet sind
In Form und Schall, an Hungers und der Liebe
Wildinnig wehen unbrechbaren Zwang!
Stürmisch zerbrechen wir des Todes Pforte,
Wir brechen durch zum Siegesfest der Hohen,
Denen die Welt nur eine Insel war,
Von wo sie staunend in ein Meer von Purpur,
Dem Fuße unerreichbar, schauten — das Geschaute
In Worte prägend wundersel'ger Kraft,
Aufjauchzend, wenn sie von der Erde durften —

Heil uns, wir alle gehn dem Ende zu!
 Friederike Brun

Das Grab der Liebe


Es steht ein Fels von der Wog' umrauscht,
In Provincia's purpurnen Fluten,
Da hab' ich einst Seel' um Seele getauscht
In liebezerschmelzenden Gluten!
Es schwebten im ewigen Reihentanz
Die Sternlein auf mondlicher Wogen Glanz,
O heilige Stunde der Liebe!

Die Nachtigall sang im Myrtenhain
Aus den abendrothglühenden Schatten;
Es rief das girrende Täubelein
Zur Liebe, zur Liebe den Gatten!
Und fernher ertönte von Thal und Höh'n
Ein flötendes schmachtendes Sehnsuchtsgetön
Aus liebedurchathmeten Schatten!

Ein Kirchlein steht auf des Felsens Haupt,
Der so prachtvoll die Fluthen umschauet;
Die Stirn vom flüsternden Ölbaum umlaubt,
Den Fuß von Wogen umgrauet!
O Trauter komm, steig' auf des Felsens Höh'!
Dort schau'n wir in die unendliche See,
Unendlich gleich unserer Liebe!

Sie leitet ihn schnell den Fels hinan,
(O wie klopfet's im liebenden Herzen!)
Er folgt auf der dornenumrankten Bahn,
Den Busen voll seliger Schmerzen!
Es blickte der Mond aus dem Wolkenkranz
Durchstrahlte der Bebenden Seelen ganz
Mit flammenden Pfeilen der Liebe.

Geschmiegt an's Herz das klopfende Herz,
Und die Wang' an die Wange gelehnet,
Zerflossen beid' im unendlichen Schmerz,
Die schmachtenden Augen betränet!
»In der Tiefe wohnt die selige Ruh'!«
So sang's, so tönt' es den Liebenden zu
Aus den silberglänzenden Wogen!

O Mutter der Lieb', in deinen Arm
Nimm huldreich die liebenden Seelen!
So schwindet der bittere finst're Harm,
Worin sie sich ängstlich zerquälen.
Sie sinken vereint vor dem Felsaltar,
Ein reines geweihetes Opferpaar,
Empfange sie Mutter der Gnaden!

»Und nun zurück in die öde Welt,
In die trübenden Fluten des Lebens,
An starre Klippen das Herz zerschellt,
Und Lieb' und Treue vergebens!
O wogende Flut und o sternige Höh',
O tiefer Schoss der unendlichen See,
Ihr endet die Qualen der Liebe!«

Und zögernd wanken sie Arm in Arm
Zu des Felsens tiefstürzendem Hange:
»Maria, der Liebenden dich erbarm',
Sie liebten und litten zu lange!«
Und fest sich umschlingend und heiß umarmt,
Und Herz an klopfendem Herzen erwarmt,

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