Du kamst, du gingst mit leiser Spur,
ein flücht'ger Gast im Erdenland.
Woher? Wohin? Wir wissen nur:
aus Gottes Hand in Gottes Hand.
Wilhelm Engelhardt
Totensonntag 1893
Heute mir und morgen dir!
So hört man die Glocken klingen,
Wenn wir die Verstorbenen hier
Auf den Gottesacker bringen.
Aus den Gräbern rufts herfür:
Heute mir und morgen dir!
Heute rot und morgen tot,
Unser Leben eilt auf Flügeln,
Und wir haben's täglich not,
Dass wir uns an Andern spiegeln.
Wie bald ruft des Herrn Gebot
Heute rot und morgen tot!
Mensch, es ist der alte Bund,
Und der Tod zählt keine Jahre;
Bist du heute noch gesund,
Denk an keine Totenbahre!
Jedem kommt die letzte Stund,
Mensch, das ist der alte Bund!
Ach, wer weiß, wie nah mein Tod!
Ich will sterben, eh' ich sterbe,
So wird mir die letzte Not
Wenn sie kommt, doch nicht zu herbe.
Rüste mich dazu mein Gott!
Ach, wer weiß, wie nah mein Tod!
Selig, wer in Christo stirbt!
Denn ihm wird der Tod zum Leben;
Der das Leben hier erwirbt,
Dem nur wird es dort gegeben.
Wer nicht lebet, der verdirbt:
Joachim Heinrich Campe
Abendempfindung
Abend ist's, die Sonne ist verschwunden,
Und der Mond strahlt Silberglanz;
So entfliehn des Lebens schönste Stunden,
Fliehn vorüber wie im Tanz.
Bald entflieht des Lebens bunte Szene,
Und der Vorhang rollt herab;
Aus ist unser Spiel, des Freundes Träne
Fließet schon auf unser Grab.
Bald vielleicht (mir weht, wie Westwind leise,
Eine stille Ahnung zu),
Schließ ich dieses Lebens Pilgerreise,
Fliege in das Land der Ruh.
Werdet ihr dann an meinem Grabe weinen,
Trauernd meine Asche sehn,
Dann, o Freunde, will ich euch erscheinen
Und will himmelauf euch wehn.
Schenk auch du ein Tränchen mir
Und pflückte mir ein Veilchen auf mein Grab,
Und mit deinem seelenvollen Blicke
Sieh dann sanft auf mich herab.
Weih mir eine Träne, und ach! schäm
dich nur nicht, sie mir zu weihn;
Oh, sie wird in meinem Diademe
Dann die schönste Perle sein!


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