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2013-12-24

Gedichte v. J.W.von Goethe: Künstlers Morgenlied (122)





Künstlers Morgenlied

Ich hab’ euch einen Tempel baut,
Ihr hohen Musen all’,
Und hier in meinem Herzen ist
Das Allerheiligste.

 Wenn morgends mich die Sonne weckt,
Warm froh ich schau umher,
Steht rings ihr ewig Lebenden
In heil’gem Morgenglanz.

Ich bet’ hinan, und Lobgesang
Ist lauter mein Gebet,
Und freudeklingend Saitenspiel
Begleitet mein Gebet.

Ich trete vor den Altar hier
Und lese, wie sich’s ziemt,
 Andacht liturg’scher Lektion
Im heiligen Homer.

Und wenn der in’s Getümmel mich
Von Löwenkriegern reißt,
Und Göttersöhn’ auf Wagen hoch
 Rachglühend stürmen an,

Und Roß dann vor dem Wagen stürzt,
Und drunter und drüber sich
Freund’, Feind’ sich wälzen in Todesblut,
Er sengte sie dahin

Mit Flammenschwert, der Heldensohn,
Zehntausend auf einmal,
Bis denn auch er gebändiget
Von einer Gottheit Hand

Rab auf den Toten Rogus stürzt,
Den er sich selbst gehäuft,
Und Feinde nun den schönen Leib
Verschändend tasten an —

Da greif’ ich mutig auf und fass’ 
Die Kohle wird Gewehr,
Und jene meine hohe Wand
In Schlachtfeld-Wogen braust.

Hinan, hinan! Es heulet laut
Gebrüll der Feinde Wut.
Und Schild an Schild und Schwert auf Helm
Und um den Toten Tod.

Ich dränge mich hinan, hinan,
Da kämpfen sie um ihn,
Die tapfern Freunde, tapferer
In ihrer Tränen Wut.

Ach, rettet! Kämpfet! Rettet ihn,
Ins Lager bringt ihn ’rück,
Und Balsam gießt dem Toten auf
Und Tränen, Totenehr’.

Und find’ ich mich zurück hierher,
Empfängst du, Liebe, mich,
Mein Mädchen! Ach, im Bilde nur,
Und so im Bilde warm.

Ach, wie du ruhtest neben mir,
Mich schmachtetst liebend an,
Und mir’s vom Aug’ durchs Herz hindurch
In’n Griffel schmachtete —

Wie ich an Aug’ und Wange mich
Und Mund mich weidete,
Und mir’s im Busen jung und frisch
Wie einer Gottheit war!

O kehre doch und bleibe dann
In meinen Armen fest,
Und keine, keine Schlachten mehr,
Nur dich in meinem Arm!

Und sollst mir, meine Liebe, sein
Alldeutend Ideal,
Madonna sein, ein Erstlingskind,
Ein heilig’s, an der Brust.

Und haschen will ich Nymphe dich
Im tiefen Waldgebüsch,
Ein geiles Schwänzchen hinten vor,
Die Ohren aufgereckt.

Und liegen will ich Mars zu dir,
Du Liebes-Göttin stark,
Und ziehn ein Netz um uns herum
Und rufen dem Olymp,

Wer von den Göttern kommen will,
Beneiden unser Glück,
Und soll’s die Fratze Eifersucht —
An’n Bettfuß angebannt!




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