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2014-01-19

Ulk.-Nonsens-und Scherzgedichte: E.Bormann: Ritter Dietrichs Brautfahrt (40)





Edwin Bormann

Ritter Dietrichs Brautfahrt

Herr Dietrich, der Ritter vom Durstigenstein,
hat Habchen und Babchen versoffen;
nun setzt auf ein rosiges Mägdelein
der Edle sein wonnigstes Hoffen.
Mathilden, der lieblichen Erbin, weint
sein Kummer die salzigsten Tränen.
So geht’s, wenn totaler Bankrott sich vereint
mit hangen- und bangendem Sehnen.
Du bändigst, o Minne, den Wilden,
nun hat er im Sinne Mathilden;
du bändigst den Wilden, o Minne,
nun hat er Mathilden im Sinne —
Mathilden im Sinne, juchhe!

Und feierlich schwingt sich Herr Dietrich aufs Roß
halb zwölf zur gewähltesten Stunde,
doch kaum ist er zweihundert Schritte vom Schloß —
schon klebt ihm die Zunge im Munde.
Ihm wird es vor Durst und vor Liebe so bang,
er reitet zur lauschigen Schenke,
nimmt dort einen Bittern, und neuer Elan
durchrieselt ihn mit dem Getränke.
Er wird nicht zagen, nicht zittern,
er hat im Magen den Bittern;
er wird nicht zittern, nicht zagen,
er hat den Bittern im Magen —
Mathilden im Sinne —
den Bittern im Magen, juchhe!

Er kniet vor Mathilden, er stammelt das Wort:
„Ich lieb’ Euch, mein Fräulein, ich schwöre!“
Da schnuppert ihr Naschen, sie wendet sich fort:
„Herr Ritter, ihr riecht nach Liköre!“
Kaum trauet Herr Dietrich dem eigenen Ohr,
es fällt ihm das Herz in das Beinkleid;
er wanket und schwanket durch Tür und durch Tor;
und hinter ihm lacht die Gemeinheit.
Er hört noch die losen Scherze,
er hat in den Hosen das Herze;
er hört noch die Scherze, die losen,
er hat das Herz in den Hosen —
Mathilden im Sinne —
den Bittern im Magen —
das Herz in den Hosen, juchhe!

So reitet im lachenden Sonnenschein
mit niedergeschlagener Seele
davon Ritter Dietrich vom Durstigenstein,
da wird ihm gar trocken die Kehle.
Erschreckendes droben auf keuchendem Roß
durchbebt das erhitzte Gehirne;
doch denkt er, wie lang durch die Gurgel nichts floß,
rinnt kalt ihm der Schweiß von der Stirne.
Die glühenden Schmerzen im Schlunde,
im Herzen die brennende Wunde;
im Schlunde die glühenden Schmerzen,
die brennende Wunde im Herzen —
Mathilden im Sinne —
den Bittern im Magen —
das Herz in den Hosen —
die Wunde im Herzen, juchhe!

Schon winket ihm wieder ein freundlich Geschick,
die Schenke mit blinkendem Schilde.
Da schwellt sich von Sehnen der durstige Blick,
da bist du vergessen, Mathilde.
Ein Schlückchen nun schluckt er aufs andere drauf,
dann ruft er: „Zu Pferde! zu Pferde!“
Wohl macht er zu gräßlichem Werke sich auf —
sanft zieht ihn der Bittre zur Erde.
Schon wird er dem Hohne zum Spiele,
er hat in der Krone zu viele;
schon wird er zum Spiele dem Hohne,
er hat zuviel in der Krone —
Mathilden im Sinne —
den Bittern im Magen —
das Herz in den Hosen —
die Wunde im Herzen —
zuviel in der Krone, juchhe!

Der Ritter, Herr Dietrich vom Durstigenstein,
gebärdet am Boden sich wilde;
da kommen die Schergen und wickeln ihn ein —
o Bitterer und o Mathilde!
Denn hätt ihm die Zung’ nicht im Munde geklebt,
worauf er den Bittern genommen,
und hätt’ er ein bißchen manierlich gelebt,
wär’ alles ganz anders gekommen.
Drum zähme den Trieb nach Liköre,
oft bringt er die Lieb’ zu Malöre;
drum zähme likörige Triebe,
sie bringen Malör in der Liebe —
Mathilden im Sinne —
den Bittern im Magen —
das Herz in den Hosen —
die Wunde im Herzen —
zuviel in der Krone —
Malör in der Liebe, juchhe!



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