Der sterbende Goethe
Der Dichtkunst Morgenröthe,
Ihr letzter Sonnenstral,
Er ist geschieden, Goethe
Verließ der Erde Thal.
Er ist so schön gestorben
Als schön sein Leben war:
Wer solchen Tod erworben
Ist selig immerdar.
In seiner Lieben Kreise
Mit Enkeln liebevoll
Scherzt' er nach alter Weise,
Als seine Stunde scholl.
Nahm aus der Tochter Händen
Den Becher noch und trank:
Da traf sein Aug ein Blenden,
Daß er ins Kissen sank.
Die Augen halbgeschloßen.
Wie vor zu hellem Licht,
Belauscht' er unverdroßen
Das schöne Traumgesicht.
Soll es umsonst verstralen?
Nein, gerne hielt' er fest
Mit Zeichnen und mit Malen
So viel sich halten läßt.
Auch mocht er Worte hören
Von hohem Sinn und Klang,
Von vollen Himmelschören
Entzückenden Gesang.
Und Alles sollt uns bleiben,
Was Aug und Ohr empfand:
Sie sahen eifrig schreiben
Und zeichnen seine Hand'.
Die Hand war lang geschäftig,
Ach nur im leeren Raum,
Mit vollen Zügen kräftig
Zu feßeln seinen Traum.
Dann sank sie müde nieder,
Schrieb auf dem Knie noch fort,
Bis englisches Gefieder
Ihn trug zum selgen Ort.
Er ist uns nicht entrißen,
Er schwand uns nicht in Nacht,
Wir trauern nur zu missen
Was er uns zugedacht:
Wie viel wir auch erwarben,
Dieß letzte blieb uns nicht,
In Worten oder Farben
Sein herrlichstes Gedicht.
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