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2014-04-26

F.Wedekind-Gedichte: Von der deutschen Flotte (33)




Ein politisch Lied

Von der deutschen Flotte

O Deutschland, Deutschland, wird sie niemals enden,
Des alten Irrwahns mörderische Lust!
Willst ewig du mit deinen eigenen Händen
Dein Herz zerfleischen in der offnen Brust!
Hast du des Jammers und der Niedrigkeit
Nicht Überfluß gekostet jederzeit?
Und heut, da stolz sich dein Panier entfaltet
Rings um des Erdballs meerumspülten Rund,
Ist die Begeistrung schon in dir erkaltet,
Von der in tausend Liedern schwoll dein Mund?!

In Liedern, ja! Am Biertisch in den Schenken,
Den vollen Maßkrug in der Heldenhand,
Wie liebst du, Deutscher, da dein Vaterland!
Wie liebst du, seines Schöpfers zu gedenken,
Des Manns, der als Messias ihm gesandt!
Am nächsten Morgen, wenn der Rausch verflogen
Und Zucker wird und Kaffee abgewogen
Und jeder Pfennig sechsmal umgedreht,
Da tönt des Katzenjammers kläglich Wimmern:
Was braucht mich Deutschlands Größe denn zu kümmern!

Ist Deutschland denn nicht längst schon groß genug?
Was schafft die Größe mir als größre Steuern!
Soll ich mir selbst mein Brot, mein Bier verteuern?
Nein, dazu sind wir Deutschen doch zu klug!
Wenn sich die andern um den Erdball streiten,
So wissen sie ja selbst nicht recht, warum!
Ich bin ein Deutscher und bin nicht so dumm,
Mir Unannehmlichkeiten zu bereiten
Zur Quelle neuer Unannehmlichkeiten!
Nein, Ruhe ist des Bürgers erste Pflicht;
Deswegen weich ich nicht und wank ich nicht,
Und bleibe treu dem Grundsatz meiner Väter:
Wer mich beunruhigt, ist ein Hochverräter!

Und dann entfaltet flugs sich der Radau,
Ein Raufen, welches bis zum Himmel stinket
Und alles Aasgevögel an sich winket.
Mit Deutschen nimmt’s der Deutsche nicht genau;
Er stößt ihn vor den Wanst und in die Weichen:
Bist du was Beßres denn als meinesgleichen?!
Respekt genießt in Deutschland nur der Fremde,
Ob er aus Franken-, ob aus Engeland;
Die Männer lecken ihm die weiße Hand.
Die Frauen küssen ihm das weiße Hemde -
Du bist ein Deutscher? Du trägst Jägerwäsche?
Erlaub mir, daß ich dir den Buckel dresche!

Ich bin ein treuer deutscher Monarchist
Und weiß, wann mein Monarch geboren ist.
An jenem Tage hänge ich sein Wappen
Im Fenster aus als braver Biedermann;
Das macht beliebt und lockt die Kunden an,
Und wundersam rentiert sich solch ein Lappen.

Warum auch nicht, dieweil doch den Philister
Beim Worte „Größe“ kalter Graus beschleicht!
Er hält sich nur an einen Staatsminister,
Des Blick just um den nächsten Kirchturm reicht:
Hie Reuß, hie Bückeburg, hie Baden, Bayern,
Hie Württemberg! — Auf angestammten Eiern
Ausbrütet jeder ohne Unterlaß
Echt deutschen, antideutschen Deutschenhaß!

Die Stunde drängt! Mit Zimbeln und Posaunen
rühmt sich das Deutsche Reich der innren Wirrn.
Die Nachbarvölker zögern vor Erstaunen,
Wohin mit den beschämten Blicken irrn.
Sind das die Helden, die uns unterjochten,
Die vor Paris und um Sadovä fochten!
Ist das der Schutz von Straßburg und von Metz,
Ein leeres, sich beschimpfendes Geschwätz!

Das jammert euch, ihr vagen Krämerseelen,
In deren Adern dicke Tinte fließt,
Daß Deutschlands Ruhm, in Pfennigen abzuzählen,
Nicht stracks in eure Taschen sich ergießt! -
Und wofür wollt ihr denn, ihr Sozialisten,
Wofür in Zukunft euer Werkzeug rüsten,
Wenn nicht das Deutsche Reich in Ost und West
Den Aar auf seinen Masten flattern läßt!

Oh, spar dir, deutscher Bürger, deinen Heller,
Wenn du nur nicht mit deinen Liedern sparst,
So bist im Handumdrehn du um so schneller,
Was glorreich du vor hundert Jahren warst.
Der Augenblick ist gut gewählt: Es eilen
Die Völker wieder mal, die Welt zu teilen.
Bleib dir getreu, denn kämst du noch zur Zeit,
Zum Teufel wär’s mit der Gemütlichkeit!

Germania, dir graut vor deinem Glück,
Das du dir selbst zu lang nun schon gekostet.
Steck ein dein Schwert, auf daß es friedlich rostet,
Und zieh als alte Jungfer dich zurück!
Vielleicht, wie einst, von einem der Rivalen
Läßt du auch wieder dir Pension bezahlen
Für deiner Kinder frisch vergoßnes Blut
In ferner Völker fernen Kolonien,
Fehlt’s doch dem deutschen Jüngling nicht an Mut!
Nur für sein eigen Heil das Schwert zu ziehen,
Die Gnade sei ihm lieber nicht verliehen!

Wozu die Flotte! Fremde Schiffe tragen
Den Deutschen ja , wohin sein Herz ihn zieht.
Die Segel schwellen, und in stolzem Lied,
Wenn schon die Wogen rings die Planken schlagen,
Entlastet sich sein kindliches Gemüt;
Und tausend Stimmen singen, im Verein
Beseelt von bangem, tränenschwerem Hoffen
Auffremden Schutz, das Weltmeer vor sich offen:
„Lieb Vaterland, magst ruhig sein!“

Willst du dem Bruder keine Zuflucht schaffen,
Ihm, dem zu eng das schöne Heimatland,
Hältst du dafür zu kostbar deine Waffen,
Von Gottes Huld gelegt in deine Hand,
Dann, Deutscher, bleib, was du von jeher warst,
Der du im Wort nicht, nur in Taten sparst:
Im Herzen weinerlicher Schwerenöter,
Nach außen hin der ew’ge Struwwelpeter!

Hermann



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