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2014-06-07

Gedichte von G.Keller: Herwegh (18)




Herwegh

I.

Ein Goldpokal, der brausend überschäumet,
Vom Feuerwein der Freiheit angefüllt:
So tönt dein Lied, verwegen, ungestillt,
Und wogt mit wilden Kräften, ungezäumet.

Was auch die dunkle Brut zusammenleimet
Und wie sie auch nach deinem Herzen zielt:
O trag es immer offen, unverhüllt!
Sie haben ihren Traum bald ausgeträumet!

Und sollten sie auch noch so giftig zischen
Und roh die ungerechte Macht missbrauchen,
Der helle Tag wird nimmermehr erblinden.

Und müssten wir mit eignem Blut erfrischen
Das große Wort, so soll es warm verrauchen;
Der Herr mag uns bei voller Arbeit finden!

II.

Die Not ist groß, und schwer sind diese Zeiten,
Wo sich das alte Chaos endlich lichtet
Und vom Verworrenen das Klare sichtet;
Da muß man auch mit scharfen Waffen streiten.

Wild mag dein Lied den wilden Sturm begleiten!
Denn wo das Elend berghoch aufgeschichtet,
Hat Müdigkeit nie etwas ausgerichtet,
Ein kühner Arm nur kann das Steuer leiten.

Doch wann nach Wettergraus die Sonne lacht
Und der Dämonen dunkle Schar bezwungen,
Zurückgescheucht in ihres Ursprungs Nacht:

Dann wird das Lied, das jetzt so rauh geklungen,
Erst recht erblühn in holder Frühlingspracht.
Nur durch den Winter wird der Lenz errungen!



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