F.Rückert- Amaryllis: Ich schäme mich der schwachen Augenblicke (45)

45.

Ich schäme mich der schwachen Augenblicke,

Wo ich mir selbst der Knechtschaft Band gesponnen,

Wo es mir galt die höchste meiner Wonnen,

Vor ihr im Staub zu beugen mein Genicke.

Ich schäme mich, das ich an ihre Blicke

Gefesselt hing, als wären sie nur Sonnen,

An ihren Kuss, als wär' nur er ein Bronnen,

An ihr Gebot, als wär' nur es Geschicke.

Ich schäme mich so mancher Tränenmienen,

Ich schäme mich so mancher Seufzertöne,

So manches Schmeichelworts voll Lobgebräme.

Mich schäm' ich, wie sie mir so schön geschienen,

Das ich nicht längst mich schämt', und noch so schöne

Mir scheint, das ich fast all der Scham mich schäme.


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