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2014-07-10

Gedichte von L.Uhland: Gang der Welt (43)



Gang der Welt

Da zieht in des Triumphes stolzem Glanze, 
Umflattert von des Glückes Lorbeerkranze, 
Da zieht die freche Bosheit hin. 
An ihrem Wagen keucht im Fessel klange 
Die Tugend, trüben Blicks und blasser Wange, 
Die unterdrückte Königin.

Da schwelgt der Frevler von der Länder Marke 
Und führt von beiden Polen seinem Parke 
Gefräß'ge Ungeheuer zu.
Indes entpreßt der Mutter in der Hütte 
Der Anblick ihres Säuglinges die Bitte: 
Den Hungernden, o Gott, erlöse du!

Da ruht im Schattenhain, wo Weste kosen, 
Der Prasser in der Wollust Arm auf Rosen, 
Vom Nektar des Pokals betäubt, 
Indes, von wilder Mittagsglut gebraten, 
Der biedre Fröner sich am Spaten 
Die fleiß'gen Hände blutig reibt.

Ha! schwelgt, ihr Frevler, fort! mich blendet nimmer 
Hellstrahlend eures Glückes Sonnenschimmer
Mein Ohr betäubt nicht der Triumphe Schall; 
Ich sehe ferne Wetter sich zusammenziehen, 
Der Rache Wetter, sehe Blitze glühen, 
Ich höre der Verdammung Donnerhall.

Ja bebt! denn nicht die Wache eurer Sklaven
Beschirmt euch vor dem Genius der Strafen,
Nicht eurer Burgen Wehr und Macht.
Denn wird er euch nicht stürzen noch im Leben
Und des Gewissens Foltern übergeben, 
Ihr flieht ihn nicht, selbst in des Grabes Nacht.

Denn weilt er auch, er trifft euch dennoch sicher, 
Er waffnet sich zur Rache fürchterlicher, 
Und über euern Gräbern harret er; 
Er harrt, bis des Gerichts Posaune schmettert, 
Dann geißelt er euch auf, gestürzt, entgöttert 
Vor deinen Stuhl, Allrichtender!

Und ihr verstrickt euch nicht in bange Zweifel, 
Ihr Märtyrer! wenn ein gekrönter Teufel 
Von ungerochnem Übermute schwillt! 
Tragt duldsam eure Last zum Richterthrone! 
Dort schimmert euch des Sieges Palmenkrone, 
Dort wird das Buch der Vorsicht euch enthüllt.


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