Sonntag, den 27. Dezember 1829
Heute nach Tisch las Goethe mir die Szene vom Papiergelde.
»Sie erinnern sich,« sagte er, »daß bei der Reichsversammlung das Ende vom Liede ist, daß es an Geld fehlt, welches Mephistopheles zu verschaffen verspricht. Dieser Gegenstand geht durch die Maskerade fort, wo Mephistopheles es anzustellen weiß, daß der Kaiser in der Maske des großen Pan ein Papier unterschreibt, welches, dadurch zu Geldeswert erhoben, tausendmal vervielfältigt und verbreitet wird.
In dieser Szene nun wird die Angelegenheit vor dem Kaiser zur Sprache gebracht, der noch nicht weiß, was er getan hat. Der Schatzmeister übergibt die Banknoten und macht das Verhältnis deutlich. Der Kaiser, anfänglich erzürnt, dann bei näherer Einsicht in den Gewinn hoch erfreut, macht mit der neuen Papiergabe seiner Umgebung reichliche Geschenke und läßt im Abgehen noch einige tausend Kronen fallen, die der dicke Narr zusammenrafft und sogleich geht, um das Papier in Grundbesitz zu verwandeln.«
Indem Goethe die herrliche Szene las, freute ich mich über den glücklichen Griff, daß er das Papiergeld von Mephistopheles herleitet und dadurch ein Hauptinteresse des Tages so bedeutend verknüpft und verewigt.
Kaum war die Szene gelesen und manches darüber hin und hergesprochen, als Goethes Sohn herunterkam und sich zu uns an den Tisch setzte. Er erzählte uns von Coopers letztem Roman, den er gelesen und den er in seiner anschaulichen Art auf das beste referierte. Von unserer gelesenen Szene verrieten wir nichts, aber er selbst fing sehr bald an, viel über preußische Tresorscheine zu reden, und daß man sie über den Wert bezahle. Während der junge Goethe so sprach, blickte ich den Vater an mit einigem Lächeln, welches er erwiderte und wodurch wir uns zu verstehen gaben, wie sehr das Dargestellte an der Zeit sei.
Mittwoch, den 30. Dezember 1829
Heute nach Tisch las Goethe mir die fernere Szene. »Nachdem sie nun am Kaiserlichen Hofe Geld haben,« sagte er, »wollen sie amüsiert sein. Der Kaiser wünscht Paris und Helena zu sehen, und zwar sollen sie durch Zauberkünste in Person erscheinen. Da aber Mephistopheles mit dem griechischen Altertum nichts zu tun und über solche Figuren keine Gewalt hat, so bleibt dieses Werk Fausten zugeschoben, dem es auch vollkommen gelingt. Was aber Faust unternehmen muß, um die Erscheinung möglich zu machen, ist noch nicht ganz vollendet, und ich lese es Ihnen das nächste Mal. Die Erscheinung von Paris und Helena selbst aber sollen Sie heute hören.«
Ich war glücklich im Vorgefühl des Kommenden, und Goethe fing an zu lesen. In dem alten Rittersaale sah ich Kaiser und Hof einziehen, um das Schauspiel zu sehen. Der Vorhang hebt sich, und das Theater, ein griechischer Tempel, ist mir vor Augen. Mephistopheles im Souffleurkasten, der Astrolog auf der einen Seite des Proszeniums, Faust auf der andern mit dem Dreifuß heraufsteigend. Er spricht die nötige Formel aus, und es erscheint, aus dem Weihrauchdampf der Schale sich entwickelnd, Paris. Indem der schöne Jüngling bei ätherischer Musik sich bewegt, wird er beschrieben. Er setzt sich, er lehnt sich, den Arm über den Kopf gebogen, wie wir ihn auf alten Bildwerken dargestellt finden. Er ist das Entzücken der Frauen, die die Reize seiner Jugendfülle aussprechen; er ist der Haß der Männer, in denen sich Neid und Eifersucht regt und die ihn herunterziehen, wie sie nur können. Paris entschläft, und es erscheint Helena. Sie naht sich dem Schlafenden, sie drückt einen Kuß auf seine Lippen; sie entfernt sich von ihm und wendet sich, nach ihm zurückzublicken. In dieser Wendung erscheint sie besonders reizend. Sie macht den Eindruck auf die Männer wie Paris auf die Frauen. Die Männer zu Liebe und Lob entzündet, die Frauen zu Neid, Haß und Tadel. Faust selber ist ganz Entzücken und vergißt im Anblick der Schönheit, die er hervorgerufen, Zeit, Ort und Verhältnis, so daß Mephistopheles jeden Augenblick nötig findet, ihn zu erinnern, daß er ja ganz aus der Rolle falle. Neigung und Einverständnis scheint zwischen Paris und Helena zuzunehmen, der Jüngling umfaßt sie, um sie zu entführen; Faust will sie ihm entreißen, aber indem er den Schlüssel gegen ihn wendet, erfolgt eine heftige Explosion, die Geister gehen in Dunst auf, und Faust liegt paralysiert am Boden.
1830
Sonntag, den 3. Januar 1830
Goethe zeigte mir das englische Taschenbuch "Keepsake" für 1830 mit sehr schönen Kupfern und einigen höchst interessanten Briefen von Lord Byron, die ich zum Nachtische las. Er selbst hatte derweil die neueste französische Übersetzung seines "Faust" von Gerard zur Hand genommen, worin er blätterte und mitunter zu lesen schien.
»Es gehen mir wunderliche Gedanken durch den Kopf,« sagte er, »wenn ich bedenke, daß dieses Buch noch jetzt in einer Sprache gilt, in der vor fünfzig Jahren Voltaire geherrscht hat. Sie können sich hiebei nicht denken, was ich mir denke, und haben keinen Begriff von der Bedeutung, die Voltaire und seine großen Zeitgenossen in meiner Jugend hatten und wie sie die ganze sittliche Welt beherrschten. Es geht aus meiner Biographie nicht deutlich hervor, was diese Männer für einen Einfluß auf meine Jugend gehabt und was es mich gekostet, mich gegen sie zu wehren und mich auf eigene Füße in ein wahreres Verhältnis zur Natur zu stellen.«
Wir sprachen über Voltaire Ferneres, und Goethe rezitierte mir das Gedicht "Les Systemes", woraus ich mir abnahm, wie sehr er solche Sachen in seiner Jugend mußte studiert und sich angeeignet haben.
Die erwähnte Übersetzung von Gerard, obgleich größtenteils in Prosa, lobte Goethe als sehr gelungen. »Im Deutschen«, sagte er, »mag ich den "Faust" nicht mehr lesen; aber in dieser französischen Übersetzung wirkt alles wieder durchaus frisch, neu und geistreich.
Der "Faust", fuhr er fort, »ist doch ganz etwas Inkommensurabeles, und alle Versuche, ihn dem Verstand näher zu bringen, sind vergeblich. Auch muß man bedenken, daß der erste Teil aus einem etwas dunkelen Zustand des Individuums hervorgegangen. Aber eben dieses Dunkel reizt die Menschen, und sie mühen sich daran ab wie an allen unauflösbaren Problemen.«
Sonntag, den 10. Januar 1830
Heute zum Nachtisch bereitete Goethe mir einen hohen Genuß, indem er mir die Szene vorlas, wo Faust zu den Müttern geht.
Das Neue, Ungeahndete des Gegenstandes sowie die Art und Weise, wie Goethe mir die Szene vortrug, ergriff mich wundersam, so daß ich mich ganz in die Lage von Faust versetzt fühlte, den bei der Mitteilung des Mephistopheles gleichfalls ein Schauer überläuft.
Ich hatte das Dargestellte wohl gehört und wohl empfunden, aber es blieb mir so vieles rätselhaft, daß ich mich gedrungen fühlte, Goethe um einigen Aufschluß zu bitten. Er aber, in seiner gewöhnlichen Art, hüllte sich in Geheimnisse, indem er mich mit großen Augen anblickte und mir die Worte wiederholte:
Die Mütter! Mütter! - ’ s klingt so wunderlich!
»Ich kann Ihnen weiter nichts verraten,« sagte er darauf, »als daß ich beim Plutarch gefunden, daß im griechischen Altertume von Müttern als Gottheiten die Rede gewesen. Dies ist alles, was ich der Überlieferung verdanke, das übrige ist meine eigene Erfindung. Ich gebe Ihnen das Manuskript mit nach Hause, studieren Sie alles wohl und sehen Sie zu, wie Sie zurechtkommen.«
Ich war darauf glücklich bei wiederholter ruhiger Betrachtung dieser merkwürdigen Szene und entwickelte mir über der Mütter eigentliches Wesen und Wirken, über ihre Umgebung und Aufenthalt, die nachfolgende Ansicht.
Könnte man sich den ungeheuren Weltkörper unserer Erde im Innern als leeren Raum denken, so daß man Hunderte von Meilen in einer Richtung darin fortzustreben vermöchte, ohne auf etwas Körperliches zu stoßen, so wäre dieses der Aufenthalt jener unbekannten Göttinnen, zu denen Faust hinabgeht. Sie leben gleichsam außer allem Ort, denn es ist nichts Festes, das sie in einiger Nähe umgibt; auch leben sie außer aller Zeit, denn es leuchtet ihnen kein Gestirn, welches auf- oder unterginge und den Wechsel von Tag und Nacht andeutete.
So in ewiger Dämmerung und Einsamkeit beharrend, sind die Mütter schaffende Wesen,-sie sind das schaffende und erhaltende Prinzip, von dem alles ausgeht, was auf der Oberfläche der Erde Gestalt und Leben hat. Was zu atmen aufhört, geht als geistige Natur zu ihnen zurück, und sie bewahren es, bis es wieder Gelegenheit findet, in ein neues Dasein zu treten. Alle Seelen und Formen von dem, was einst war und künftig sein wird, schweift in dem endlosen Raum ihres Aufenthaltes wolkenartig hin und her; es umgibt die Mütter, und der Magier muß also in ihr Reich gehen, wenn er durch die Macht seiner Kunst über die Form eines Wesens Gewalt haben und ein früheres Geschöpf zu einem Scheinleben hervorrufen will.
Die ewige Metamorphose des irdischen Daseins, des Entstehens und Wachsens, des Zerstörens und Wiederbildens, ist also der Mütter nie aufhörende Beschäftigung. Und wie nun bei allem, was auf der Erde durch Fortzeugung ein neues Leben erhält, das Weibliche hauptsächlich wirksam ist, so mögen jene schaffenden Gottheiten mit Recht weiblich gedacht, und es mag der ehrwürdige Name Mütter ihnen nicht ohne Grund beigelegt werden.
Freilich ist dieses alles nur eine poetische Schöpfung; allein der beschränkte Mensch vermag nicht viel weiter zu dringen, und er ist zufrieden, etwas zu finden, wobei er sich beruhigen möchte. Wir sehen auf Erden Erscheinungen und empfinden Wirkungen, von denen wir nicht wissen, woher sie kommen und wohin sie gehen. Wir schließen auf einen geistigen Urquell, auf ein Göttliches, wofür wir keine Begriffe und keinen Ausdruck haben und welches wir zu uns herabziehen und anthropomorphisieren müssen, um unsere dunkelen Ahndungen einigermaßen zu verkörpern und faßlich zu machen.
So sind alle Mythen entstanden, die von Jahrhundert zu Jahrhundert in den Völkern fortlebten, und ebenso diese neue von Goethe, die wenigstens den Schein einiger Naturwahrheit hat und die wohl den besten gleichzustellen sein dürfte, die je gedacht worden.
Sonntag, den 24. Januar 1830
»Ich habe dieser Tage einen Brief von unserm berühmten Salzbohrer in Stotternheim erhalten,« sagte Goethe, »der einen merkwürdigen Eingang hat und wovon ich Ihnen erzählen muß.
"Ich habe eine Erfahrung gemacht," schreibt er, "die mir nicht verloren sein soll." Was aber folgt auf solchen Eingang? Es handelt sich um nichts Geringeres als den Verlust von wenigstens tausend Talern. Den Schacht, wo es durch weicheren Boden und Gestein zwölfhundert Fuß tief zum Steinsalz hinabgeht, hat er unvorsichtigerweise an den Seiten nicht unterstützt; der weichere Boden hat sich abgelöst und die Grube unten so verschlämmt, daß es jetzt einer höchst kostspieligen Operation bedarf, um den Schlamm herauszubringen. Er wird sodann, die zwölfhundert Fuß hinunter, metallene Röhren einsetzen, um für die Folge vor einem ähnlichen Unglück sicher zu sein. Er hätte es gleich tun sollen, und er hätte es auch sicher gleich getan, wenn solche Leute nicht eine Verwegenheit besäßen, wovon man keinen Begriff hat, die aber dazu gehört, um eine solche Unternehmung zu wagen. Er ist aber durchaus ruhig bei dem Unfall und schreibt ganz getrost: "Ich habe eine Erfahrung gemacht, die mir nicht verloren sein soll." Das nenne ich doch noch einen Menschen, an dem man Freude hat und der, ohne zu klagen, gleich wieder tätig ist und immer auf den Füßen steht. Was sagen Sie dazu, ist es nicht artig?«
»Es erinnert mich an Sterne,« antwortete ich, »welcher beklagt, sein Leiden nicht wie ein vernünftiger Mann benutzt zu haben.«
»Es ist etwas Ähnliches«, sagte Goethe.»Auch muß ich an Behrisch denken,« fuhr ich fort, »wie er Sie belehrt, was Erfahrung sei, welches Kapitel ich gerade dieser Tage zu abermaliger Erbauung gelesen: "Erfahrung aber ist, daß man erfahrend erfährt, was erfahren zu haben man nicht gerne erfahren haben möchten".
»Ja,« sagte Goethe lachend, »das sind die alten Späße, womit wir so schändlich unsere Zeit verdarben!«
»Behrisch«, fuhr ich fort, »scheint ein Mensch gewesen zu sein voller Anmut und Zierlichkeit. Wie artig ist der Spaß im Weinkeller, wo er abends den jungen Menschen verhindern will, zu seinem Liebchen zu gehen, und dieses auf die heiterste Weise vollbringt, indem er seinen Degen umschnallet, bald so und bald so, so daß er alle zum Lachen bringt und den jungen Menschen die Stunde des Rendezvous darüber vergessen macht.«»Ja,« sagte Goethe, »es war artig; es wäre eine der anmutigsten Szenen auf der Bühne, wie denn Behrisch überhaupt für das Theater ein guter Charakter war.«
Wir wiederholten darauf gesprächsweise alle die Wunderlichkeiten, die von Behrisch in Goethes "Leben" erzählt werden. Seine graue Kleidung, wo Seide, Samt und Wolle gegeneinander eine abstechende Schattierung gemacht, und wie er darauf studiert habe, immer noch ein neues Grau auf seinen Körper zu bringen. Dann wie er die Gedichte geschrieben, den Setzer nachgeäfft und den Anstand und die Würde des Schreibenden hervorgehoben. Auch wie es sein Lieblingszeitvertreib gewesen, im Fenster zu liegen, die Vorbeigehenden zu mustern und ihren Anzug in Gedanken so zu verändern, daß es höchst lächerlich gewesen sein würde, wenn die Leute sich so gekleidet hätten.»
Und dann sein gewöhnlicher Spaß mit dem Postboten,« sagte Goethe, »wie gefällt Ihnen der, ist der nicht auch lustig?«»Der ist mir unbekannt,« sagte ich, »es steht davon nichts in Ihrem "Leben".
»Wunderlich!« sagte Goethe. »So will ich es Ihnen denn erzählen.
Wenn wir zusammen im Fenster lagen und Behrisch in der Straße den Briefträger kommen sah, wie er von einem Haus eins andere ging, nahm er gewöhnlich einen Groschen aus der Tasche und legte ihn bei sich ins Fenster. "Siehst du den Briefträger?" sagte er dann zu mir gewendet, "er kommt immer näher und wird gleich hier oben sein, das sehe ich ihm an. Er hat einen Brief an dich, und was für einen Brief, keinen gewöhnlichen Brief, er hat einen Brief mit einem Wechsel - mit einem Wechsel! ich will nicht sagen, wie stark. - Siehst du, jetzt kommt er herein. Nein! Aber er wird gleich kommen. Da ist er wieder. Jetzt! - Hier, hier herein, mein Freund! hier herein! -Er geht vorbei! Wie dumm! O wie dumm! Wie kann einer nur so dumm sein und so unverantwortlich handeln! So unverantwortlich in doppelter Hinsicht: unverantwortlich gegen dich, indem er dir den Wechsel nicht bringt, den er für dich in Händen hat, und ganz unverantwortlich gegen sich selbst, indem er sich um einen Groschen bringt, den ich schon für ihn zurechtgelegt hatte und den ich nun wieder einstecke. So steckte er denn den Groschen mit höchstem Anstande wieder in die Tasche, und wir hatten etwas zu lachen.
«Ich freute mich dieses Scherzes, der den übrigen vollkommen gleichsah. Ich fragte Goethe, ob er Behrisch später nie wiedergesehen.
»Ich habe ihn wiedergesehen,« sagte Goethe, »und zwar bald nach meiner Ankunft in Weimar, ungefähr im Jahre 1776, wo ich mit dem Herzog eine Reise nach Dessau machte, wohin Behrisch von Leipzig aus als Erzieher des Erbprinzen berufen war. Ich fand ihn noch ganz wie sonst, als feinen Hofmann und vom besten Humor.«
»Was sagte er dazu,« fragte ich, »daß Sie in der Zwischenzeit so berühmt geworden?«
Hab ich es dir nicht gesagt ? war sein Erstes, war es nicht gescheit, daß du damals die Verse nicht drucken ließest und daß du gewartet hast, bis du etwas ganz Gutes machtest ? Freilich, schlecht waren damals die Sachen auch nicht, denn sonst hätte ich sie nicht geschrieben. Aber wären wir zusammen geblieben, so hättest du auch die andern nicht sollen drucken lassen; ich hätte sie dir auch geschrieben und es wäre ebenso gut gewesenen. Sie sehen, er war noch ganz der alte. Er war bei Hof sehr gelitten, ich sah ihn immer an der fürstlichen Tafel. Zuletzt habe ich ihn im Jahre 1801 gesehen, wo er schon alt war, aber immer noch in der besten Laune. Er bewohnte einige sehr schöne Zimmer im Schloß, deren eines er ganz mit Geranien angefüllt hatte, womit man damals eine besondere Liebhaberei trieb. Nun hatten aber die Botaniker unter den Geranien einige Unterscheidungen und Abteilungen gemacht und einer gewissen Sorte den Namen Pelargonien beigelegt. Darüber konnte sich nun der alte Herr nicht zufrieden geben, und er schimpfte auf die Botaniker. "Die dummen Kerle!" sagte er; "ich denke, ich habe das ganze Zimmer voll Geranien, und nun kommen sie und sagen, es seien Pelargonien. Was tu ich aber damit, wenn es keine Geranien sind, und was soll ich mit Pelargonien!" So ging es nun halbe Stunden lang fort, und Sie sehen, er war sich vollkommen gleichgeblieben.«
Wir sprachen sodann über die "Klassische Walpurgisnacht" deren Anfang Goethe mir vor einigen Tagen gelesen. »Dermythologischen Figuren, die sich hiebei zudrängen,« sagte er,»sind eine Unzahl; aber ich hüte mich und nehme bloß solche, die bildlich den gehörigen Eindruck machen. Faust ist jetzt mit dem Chiron zusammen, und ich hoffe, die Szene soll mir gelingen. Wenn ich mich fleißig dazuhalte, kann ich in ein paar Monaten mit der "Walpurgisnacht" fertig sein. Es soll mich nun aber auch nichts wieder vom "Faust" abbringen; denn es wäre doch toll genug, wenn ich es erlebte, ihn zu vollenden! Und möglich ist es; der fünfte Akt ist so gut wie fertig, und der vierte wird sich sodann wie von selber machen.«
Goethe sprach darauf über seine Gesundheit und pries sich glücklich, sich fortwährend vollkommen wohl zu befinden.»Daß ich mich jetzt so gut halte,« sagte er, »verdanke ich Vogel; ohne ihn wäre ich längst abgefahren. Vogel ist zum Arzt wie geboren und überhaupt einer der genialsten Menschen, die mir je vorgekommen sind. Doch wir wollen nicht sagen, wie gut er ist, damit er uns nicht genommen werde.«
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