1786
Reise-Tagebuch Fünftes Stück
von Venedig über Ferrara Cento Bologna FlorenzPerugia pp. nach Rom
14. 10. due ore dopo Notte. Venedig.
In der letzten Stunde meines hierseyns, denn ich gehe diese Nacht mit dem Courierschiff nach Ferrara. Ich verlaße Venedig gern. Um mit Vergnügen und Nutzen hier zu bleiben, müßt ich andre Schritte nun thun, die ausser meinem Plane liegen. Auch ist ietzt die Zeit da alles die Stadt verläßt. Ich trage das sonderbare, einzige Bild mit mir fort und so vieles andre. Ob ich gut aufgepaßt habe, sollst du sagen, wenn ich zurück komme und wir über diese Gegenstände sprechen. Mein Tagebuch biß heute hab ich dem Fuhrmann mitgegeben, es kommt also später als ich glaubte, doch wünsch ich zur guten Stunde.
Das Clima mögt ich dir zusenden oder dich darein versetzen können. Sonst wäre hier für uns beyde keine Existenz. Lebewohl. Seit Verona hab ich mich nicht von dir entfernt, nun gehts weiter und weiter.
Sonderbar! Ich sehe aus den Zeitungen daß über dem Gebürg das Wetter entsetzlich muß geraßt haben. Die Isar hat großen Schaden gethan. Es kann keine zwey Tage, nachdem ich sie paßirt, geschehen seyn.
Hier hab ich einige Regengüße, einen sehr starken Nachts, mit Donner und Blitzen erlebt. Diese Wetter kommen aus Dalmatien herüber. Es ist aber alles gleich vorbey. Der Himmel hellt sich aus und die Wolcken werfen sich an das Friauler,Tiroler und Paduaner Gebürg. Im Florentinischen haben sie auch ein entsetzlich Donnerwetter mit Platzregen gehabt. Es scheint dasselbe gewesen zu seyn was ich in Verona abwartete.
16. 10. Nachts. Ferrara.
In der großen, schönen, entvölckerten Stadt, wo Ariost begraben liegt und Tasso unglücklich ward, bin ich seit heute früh deutschen Zeigers um 7 Uhr und werde morgen wieder weggehn.
Der Weg hierher ist sehr angenehm und wir hatten herrlich Wetter. Auf dem Curierschiff waren leidliche Menschen, und die Aus und Ansichten zwar einfach aber anmutig. Der Po ist ein freundlicher Fluß; er geht hier durch große Plainen und man sieht nur seine Ufer. Ich sah hier und am Adige alberne Wasserbaue, die ganz kindisch und schädlich sind.
Die beyden Nächte bracht ich, in meinen Mantel gewickelt, auf dem Verdeck zu; nur gegen Morgen ward es kühl; ich bin nun in den 45. Grad würcklich eingetreten und ich wiederhohle, ich will ihnen alles lassen, wenn ich nur wie Dido so viel Clima mitnehmen könnte als ich mit einer Kuhhaut umspannen könnte um es um unsre Wohnung zu legen. Es ist ein ander Seyn.
Ich habe meist gesehen was Volkmann von p. 484-489 anzeigt. Das Bild Herodes und Herodias ist recht brav. Johannes in seinem gewöhnlichen Wüsten Kostüme deutet auf die Dame, sie sieht ganz gelaßen den neben ihr sitzenden Fürsten, und der Fürst auf seine Hand gestützt still und klug den Propheten an. Vor dem Könige steht ein weißer mittelgroßer Hund und unter dem Rocke der Herodias kommt ein kleiner Bologneser hervor, die Beyde den Propheten anbellen. Mich dünckt, das ist recht glücklich.
Ariosts Grabmal ist viel Marmor, schlecht ausgetheilt.
Statt Tassos Gefängniß zeigen sie einen Holzstall oder Gewölbe wo er gewiß nicht aufbewahrt worden ist. Es weis auch kaum im Hause mehr jemand was man will.
Von einem schönen Akademischen Institut das ein aus Ferrara bürtiger Cardinal beschützt und bereichert, kann ich dir für Müdigkeit nichts mehr sagen.
Auch sind in dem Hofe einige köstliche alte Denckmäler.
17. 10. Abends 6. hier zu Lande Nacht. Cento.
In einer bessern Stimmung als gestern Abend schreib ich dir heute aus Guercinos Vaterstadt. Vor allen Dingen
Siehe Volkmann p. 482-484.
Ein freundliches wohlgebautes Städtgen, ohngefähr 5000 Einwohner, nahrhaft, lebendig reinlich in einer unübersehlichen Plaine liegend. Ich war nach meiner Gewohnheit auf dem Thurm. Ein Meer von Pappelspitzen, zwischen denen man in der Nähe die kleinen Bauerhöfgen erblickt, jeden mit seinem Feld umgeben. Köstlicher Boden und ein mildes Clima. Es war ein Abend, wie wir dem Himmel dancken Sommerabende zu haben. Der Himmel, der den ganzen Tag bedeckt war, hat sich aufgeheitert die Wolcken haben sich nord und südwärts ans Gebirg geworfen und ich hoffe einen schönen morgenden Tag.
Sie haben hier zwey Monate eigentlich Winter, Dezember und Januar und einen regnichen April, übrigens nach Beschaffenheit der Jahreszeit gut Wetter. Nie anhaltenden Regen. Doch war dieser September auch beßer und wärmer als ihr August. Wie freut’ ich mich heute die Apenninen zu sehn. Denn ich bin der Plainen nun herzlich satt. Morgen schreib ich dir an ihrem Fuße.
Hier sind einige Bilder von Guercino die man Jahre lang ansehn könnte.
Die liebsten sind mir:
Der Auferstandne Christus, der seiner Mutter erscheint. Sie kniet vor ihm und sieht ihn mit unbeschreiblicher Innigkeit an, mit der lincken fühlt sie an seinen Leib, gleich unter der unglückseligen Wunde, die das ganze Bild verdirbt. Er hat seine Lincke Hand um ihren Hals gelegt und biegt sich um sie in der Nähe anzusehn ein wenig mit dem Körper zurück. Das giebt der Figur ein klein wenig etwas, ich will nicht sagen gezwungnes aber doch fremdes. Dem ohngeachtet bleibt sie unendlich angenehm. Und der still traurige Blick mit dem er sie ansieht, als wenn ihm eine Erinnerung seiner und ihrer Leiden, die durcheine Auferstehung nicht gleich geheilt werden, vor der edlen Seele schwebte.
Strange hat das Bild gestochen, es ist also Hoffnung daß du es in der Copie siehst.
Dann folgt: Eine Madonna. Das Kind verlangt nach der Brust und sie zaudert schamhaft den Busen zu entblösen und sie ihm zu reichen, köstlich schön. Dann Maria die dem vor ihr stehenden und nach dem Zuschauer gerichteten Kinde, den Arm führt daß es mit aufgehobnen Fingern den Segen austheile. Im Sinn der katholischen Mythologie ein glücklicher Gedancke.
Guercino ist ein innerlich braver männlich gesunder Mahler ohne Roheit, vielmehr haben seine Sachen eine innerliche Moralische Grazie, eine schöne Freyheit und Grosheit. Dabey eine Eigenheit daß man seine Wercke wenn man einmal das Auge drauf gebildet hat nicht verkennen wird.
So rück ich nach und nach. Die Venetianische Schule hab ich wohl gesehn, morgen komm ich nach Bologna, wo denn auch meine Augen die Cecilia von Raffael erblicken werden. Was aber die Nähe von Rom mich zieht drück ich nicht aus. Wenn ich meiner Ungedult folgte, ich sähe nichts auf dem Wege und eilte nur grad aus. Noch vierzehn Tage und eine Sehnsucht von 30 Jahren ist gestillt! Und es ist mir immer noch als wenns nicht möglich wäre.
Von Guercinos Pinsel sag ich nichts das ist eine Leichtigkeit und Reinigkeit und Vollendung die unglaublich ist. Besonders schöne in’s braune gebrochne Farben hat er zu den Gewändern gewählt.
Die Gegenstände der übrigen Bilder, die ich nicht nenne sind mehr oder weniger unglücklich. Der gute Künstler hat sich gemartert und doch Erfindung und Pinsel, Geist und Hand verschwendet, und verlohren.
Es ist mir lieb und werth daß ich auch das gesehn habe, obgleich in diesem Vorüberrennen wenig Genuß ist.
Gute Nacht meine Liebe ich habe auch heute Abend keine rechte Sammlung.
Du verzeihst daß ich so hinschreibe, es ist doch in der Folge mehr als ein weiß Blat.
Gute Nacht.
18. 10. Abends. Bologna.
Ich habe eben einen Entschluß gefaßt der mich sehr beruhigt. Ich will nur durch Florenz durchgehn und grade auf Rom. Ich habe keinen Genuß an nichts, biß jenes erste Bedürfniß gestillt ist, gestern in Cento, heute hier, ich eile nur gleichsam ängstlich vorbey daß mir die Zeit verstreichen möge, und dann mögt ich, wenn es des Himmels Wille ist zu Allerheiligen in Rom seyn um das grose Fest am rechten Orte zu sehn und also einige Tage voraus, da bleibt mir nichts übrig als ich muß Florenz liegen laßen und es auf einer frohen Rückreise mit geöffneten Augen sehn.
Auch hier in Bologna müßte man sich lange aufhalten.
Siehe nunmehr Volkmanns ersten Theil, von pag. 3 7 5 biß 443.p.
402. Madonna di Galliera. Sakristey treffliche Sachen.
p. 403. Gesü e Maria, die Beschneidung von Guercino. Dieser unleidliche Gegenstand, ganz trefflich ausgeführt. Ein Bild, was man sich dencken kann gemahlt. Es ist alles daran respecktabel, und ausgeführt ist es als ob es Emaille wäre.
425. Pall. Tanari. Der Kopf der Maria als wenn ihn ein Gott gemahlt hätte. Der Ausdruck ist unbeschreiblich mit dem sie auf das säugende Kind herunter sieht. Mir dunckts eine stille tiefe Duldung als wenn sie das Kind, nicht das Kind der Liebe und Freude sondern einen untergeschobnen himmlischen Wechselbalg nur so an sich saugen ließe, weil es nun einmal so ist und sie in tiefer Demuth gar nicht begreift wie sie dazukommt.
An der übrigen herrlichen Figur ist wenig Genuß, das ungeheure Gewand, so herrlich es gemahlt ist bleibt doch nur Gewand. Auch sind die Farben dunckler geworden, das Zimmer ist nicht das hellste und es war ein trüber Tag.
p. 387. Ich war im Institute. Davon will ich dir nichts sagen. Es ist eine schöne edle Anlage, aber wir Deutschen so ultramontan wir sind, sind doch in unsern Sammlungen, Akademien, Lehrarten pp. weiter vorgerückt. Doch will ich ihm gerne Gerechtigkeit wiederfahren laßen, daß es viel ist in Einem Hause das alles aufzuweisen und zum allgemeinen Nutzen bereit zu finden.
Heute früh hatt ich das Glück von Cento herüberfahrend, zwischen Schlaf und Wachen den Plan zur Iphigenie auf Delphos rein zu finden. Es giebt einen fünften Ackt und eine Wiedererkennung dergleichen nicht viel sollen aufzuweisen seyn. Ich habe selbst drüber geweint wie ein Kind und an der Behandlung soll man hoff ich das Tramontane erkennen.
19. 10. Abends. Bologna.
Ich möchte dir nun auch gerne wieder einmal ein ruhig, vernünftiges Wort schreiben denn diese Tage her wollt es nicht mit mir. Ich weiß nicht wie es diesen Abend seyn wird. Mir läuft die Welt unter den Füßen fort und eine unsägliche Leidenschafft treibt mich weiter. Der Anblick des Raffaels und ein Spaziergang gegen die Berge heut Abend haben mich ein wenig beruhigt und mich mit leisem Band an diese Stadt geknüpft. Ich sage dir alles wie mir ist und ich schäme mich vor dir keiner Schwachheit.
Zuerst denn die Cecilia von Raffael. Es ist was ich voraus wußte nun aber mit Augen sah. Er hat eben gemacht was andre zu machen wünschten. Um ihn zu erkennen, ihn recht zu schätzen, und ihn auch wieder nicht als einen Gott zu preisen, der wie Melchisedek ohne Vater und Mutter erschiene muß man seine Vorgänger, seinen Meister ansehn. Diese haben auf dem festen Boden der Wahrheit Grund gefaßt, sie haben die breiten Fundamente, emsig, ja ängstlich gelegt, sie haben mit einander wetteifernd die Pyramide stufenweise in die Höhe gebracht, bis zuletzt er, von allen diesen Vortheilen unterstützt, von einem himmlischen Genius erleuchtet die Spitze der Pyramide, den letzten Stein aufsetzte, über dem kein andrer, neben dem kein andrer stehn kann. Uber das Bild mündlich denn es ist weiter nichts zu sagen als daß es von ihm ist. Fünf Heilige neben einander, die uns alle nichts angehn, deren Existenz aber so vollkommen ist daß man dem Bilde eine Dauer in die Ewigkeit wünscht, wenn man gleich zufrieden ist selbst aufgelößt zu werden.
Die älteren Meister seh ich mit besonderm Interesse, auch seine erste Sachen. Francesco di Francia ist gar ein respecktabler Künstler. Peter Perugino daß man sagen möchte eine ehrliche deutsche Haut.
Hätte doch das Glück Albert Dürern über die Alpen geführt. In München hab ich ein Paar Stücke von ihm von unglaublicher Großheit gesehn. Der arme Mann! statt seiner niederländischen Reise wo er den Papageyen einhandelte pp. Es ist mir unendlich rührend so ein armer Narr von Künstler, weil es im Grunde auch mein Schicksal ist, nur daß ich mir ein klein wenig beßer zu helfen weiß.
Der Phasanen Traum fängt an in Erfüllung zu gehn. Denn warrlich was ich auflade kann ich wohl mit dem köstlichsten Geflügel vergleichen, und die Entwicklung ahnd ich auch. Im Pallast Ranuzzi hab ich eine St. Agatha von Raffael gefunden, die wenn gleich nicht ganz wohl erhalten ein kostbares Bild ist. Er hat ihr eine gesunde, sichre Jungfräulichkeit gegeben ohne Reitz, doch ohne Kälte und Roheit. Ich habe mir sie wohl gemerckt und werde diesem Ideal meine Iphigenie vorlesen und meine Heldinn nichts sagen laßen was diese Heilige nicht sagen könnte.
Von allem andern muß ich schweigen. Was sagt man als daß man über die unsinnigen Süjets endlich selbst Toll wird. Es ist als da sich die Kinder Gottes mit den Töchtern der Menschen vermählten da wurden Ungeheuer daraus. In dem der himmlische Sinn des Guido, ein Pinsel der nur das vollkommenste was in unsre Sinne fällt hätte mahlen sollen, dich anzieht, mögtest du die Augen von den abscheulichen, dummen, mit keinen Scheltworten der Welt genug zu erniedrigenden Gegenständen abwenden.
und so gehts durchaus.
Man ist immer auf der Anatomie, dem Rabenstein, dem Schindanger, immer Leiden des Helden nie Handlung. Nie ein gegenwärtig Interesse, immer etwas phantastisch erwartetes. Entweder Mißethäter oder Verzückte, Verbrecher oder Narren. Wo denn nun der Mahler um sich zu retten einen nackten Kerl, eine schöne Zuschauerinn herbeyschleppt. Und seine geistliche Helden als Gliedermänner tracktirt und ihnen recht schöne Faltenmäntel überwirft. Da ist nichts was nur einen Menschenbegriff gäbe. Unter 10 Süjets nicht eins das man hätte mahlen sollen und etwa das eine hat er nicht von der rechten Seite nehmen dürfen. Der große Guido p. 104 ist alles was man mahlen, und alles was man unsinniges bestellen und von einem Mahler fordern kann; es ist ein votives Bild, ich glaube der ganze Senat hat es gelobt und auch bestellt. Die beyden Engel die werth wären eine Psyche in ihrem Unglück zu trösten müßen hier -Der Heil. Proculus, der ein Soldat war ist eine schöne Figur, aber dann die andern Bischöffe und Pfaffen.
Unten sind himmlische Kinder die mit Attributen pp. spielen. Der Mahler dem das Messer an der Kehle sas suchte sich zu helfen wie er konnte um nur zu zeigen daß er nicht der Barbar sey, sondern die Bezähler. Zwey nackte Figuren von Guido ein Johannes in der Wüsten ein Sebastian wie köstlich gemahlt und was sagen sie? der Eine sperrt das Maul auf und der andre krümmt sich.
Wir wollen die Geschichte dazu nehmen und du wirst sehn der Aberglaube ist eigentlich wieder Herr über die Künste geworden und hat sie zu Grunde gerichtet. Aber nicht er allein, auch das Enge Bedürfniß der neuern, der nördlichen Völcker. Denn auch Italien ist noch nördlich und die Römer waren auch nur Barbaren, die das Schöne raubten, wie man ein schönes Weib raubt. Sie plünderten die Welt und brauchten doch griechische Schneider um sich die Lappen auf den Leib zu paßen. Überhaupt seh ich schon gar viel voraus.
Nur ein Wort! Wer die Geschichte so einer Granit Säule erzählen könnte, die erst in Ägypten zu einem Memphitischen Tempel zugehauen, dann nach Alexandrien geschlept wurde, ferner die Reise nach Rom machte, dort umgestürzt ward und nach Jahrhunderten wieder aufgerichtet und einem andern Gott zu Ehren zu rechte gestellt. O meine Liebe was ist das größte des Menschenthuns und treibens. Mir da ich ein Künstler bin, ist das liebste daran daß alles das dem Künstler Gelegenheit giebt zu zeigen was in ihm ist und unbekannte Harmonien aus den Tiefen der Existenz an das Tageslicht zubringen.
Zwey Menschen denen ich das Beywort groß ohnbedingt gebe, hab ich näher kennen lernen Palladio und Raffael. Es war an ihnen nicht ein Haarbreit willkührliches , nur daß sie die Gränzen und Gesetze ihrer Kunst im Höchsten Grade kannten und mit leichtigkeit sich darinn bewegten, sie ausübten, macht sie so groß.
Gegen Abend war ich auf dem Thurm. Die Aussicht ist herrlich.
Gegen Norden sieht man die Paduanischen Berge dann die Schweizer, Tiroler Friauler Gebirge, genug die ganze nördliche Kette, letztere diesmal im Nebel. Gegen Abend ein unbegränzte rHorizont aus dem nur die thürme von Modena herausstechen, gegen Morgen eine gleiche Ebne bis ans Adriatische Meer das man Morgens sehen kann, gegen Mittag die Vorhügel der Apenninen bis an ihre Gipfel bepflanzt bewachsen, mit Kirchen, Pallästen Gartenhäusern besetzt, so schön wie die Vicentinischen Berge. Es war ein ganz reiner Himmel kein Wölckgen, nur am Horizont eine Art Höherauch. Der Thürmer sagte daß nun seit sechs Jahren dieser Nebel nicht aus der Gegend komme. Sonst habe er mit dem Sehrohr die Berge bei Vicenza genau mit ihren Häusgen u.s.w. unterscheiden können, jetzt bey den hellsten Tagen nur selten, und der Nebel legt sich denn all an die nördliche Kette und macht unser liebes Vaterland zum wahren Cimmerien.
Er ließ mich auch die gesunde Lage und Lufft der Stadt daran bemercken, daß ihre Dächer wie neu aussehen und kein Ziegel durch Feuchtigkeit und Moos angegriffen ist. Es ist wahr sie sind alle rein, aber die Güte ihrer Ziegeln mag auch etwas dazubeytragen, wenigstens in alten Zeiten haben sie solche kostbar gebrannt.
Der hängende Thurn ist ein abscheulicher Anblick, man traut seinen Augen nicht und doch ist höchst wahrscheinlich daß er mit Absicht so gebaut worden. Er ist auch von Ziegeln, welche sein gar treffliches sichres Bauen ist, kommen nun die Eisernen Bande dazu, so kann man freylich tolles Zeug machen. Heut Abend ging ich nach dem Gebirg spaziren. Was das für schöne Liebliche Wege und Gegenstände sind. Mein Gemüth ward erfreut und ein wenig beruhigt. Ich will mich auch faßen und abwarten, hab ich mich diese 30 Jahre geduldet, werd ich doch noch 14 tage überstehn.
Hundertfältig steigen die Geister der Geschichte aus dem Grabe, und zeigen mir ihre wahre Gestalt. Ich freue mich nun auf so manches zu lesen und zu überdencken, das mir in Ermanglung eines sinnlichen Begriffs unerträglich war.
Die Bologneser Sprache ist ein abscheulicher Dialeckt den ich hier gar nicht gesucht hätte. Rauh und abgebrochen pp. Ich verstehe kein Wort wenn sie mit einander reden, das Venezianische ist mittagslicht dagegen.
Gute Nacht. Im Spazierengehn gedenck ich offt dein, und bey jeder guten Sache. Ich stelle mirs immer als möglich vor, dir das alles noch sehn zu laßen.
Indeß und biß ich wiederkomme nimm mit meiner Schreiberey vorlieb. Heut Abend hab ich mich besser als die Vergangnen betragen. Gute Nacht.
21. 10. Abends. Lojano auf dem Apenninischen Gebirg.
Ich bin heute noch aus Bologna getrieben worden, und jetzt hier in einem elenden Wirthshause in Gesellschafft eines wackern päbstlichen Offizirs, der nach Perugia seiner Vaterstadt geht, eines Engländers mit seiner sogenannten Schwester. Gute Nacht.
22. 10. Abends. Ponte del Ghiereto.
Alles kleine Nester auf den Apenninen in denen ich mich recht glücklich fühle, wenn meine Gesellschafft besonders der englische Theil überall zuklagen findet.
Die Apenninen sind mir ein merckwürdig Stück Welt. Wäre die Gebirgsart nicht zu steil, wären sie nicht zu hoch über der Meeres Fläche, und nicht so sonderbar verschlungen daß Ebbe und Fluth vor Alten Zeiten mehr und länger hätten hereinwürkken, auch größere Flächen überspülen können; so wäre es eins der schönsten Länder. In dem schönen Clima, etwas höher als das andre Land pp.
So aber ists ein seltsam Gewebe von Bergrücken gegen einander, wo man oft gar nicht absieht, wohin das Wasser seinen Ablauf hat. Wenn die Thäler besser ausgefüllt, die Flächen mehr glatt und überspült wären, würde es Böhmen zu vergleichen seyn nur daß die Bergrücken auf alle Weise einen andern Charackter haben.
Du mußt dir also keine Bergwüste, sondern ein meist bebautes gebirgiges Land vorstellen durch das man reist. Castanien kommen hier sehr schön. Der Waitzen ist trefflich den sie hier bauen, und die Saat steht schon hübsch grün. Eichen mit kleinen Blättern (ich dencke Stein Eichen) stehn am Wege, und um die Kirchen, Capellen pp. schöne Cypressen.
Gestern Abend war das Wetter trübe heut ists wieder hell und schön.
Mit den Vetturinen ists eine leidige Fahrt, das beste daß man ihnen bequem zu Fuße folgen kann.
Mein Gesellschaffter ist mir von vielem Nutzen, ob ich gleich lieber, um an der Iphigenie zu arbeiten, allein wäre. Heute früh saß ich ganz still im Wagen und habe den Plan zu dem großen Gedicht der Ankunft des Herrn, oder dem ewigen Juden recht ausgedacht. Wenn mir doch der Himmel nun Raum gäbe nach und nach das alles auszuarbeiten was ich im Sinne habe. Es ist unglaublich was mich diese acht Wochen auf Haupt und Grundbegriffe des Lebens sowohl, als der Kunst geführt haben.
Sagt ich dir schon daß ich einen Plan zu einem Trauerspiel Ulysses auf Phäa gemacht habe ? Ein sonderbarer Gedancke der vielleicht glücken könnte.
So muß denn Iphigenie mit nach Rom! Was wird aus dem Kindlein werden?
In Bologna hab ich noch so manches gesehn von dem ich schweige.
Einen Johannes und noch eine heil. Familie von Raffael und ein Paar Arbeiten von Guido und den Carracci die trefflich sind.
Ich traf eine Engländerinn an, die in eine Art Prophetenrock gehüllt, gar artig einen Guido kopirte. Wie sehr wünscht ich dir die Freude ein gleiches zu thun.
Einige Köpfe von dem Spanier Velazquez sind hier. Er ist weit gekommen. Einen guten Gedancken hab ich an einer Statue einer Andromeda gesehn. Sie steht mit in die Höhe gebundnen Händen fast auf den Fußspitzen und der Künstler um der Figur einen Halt zu geben läßt einen kleinen Amor neben ihr knien der sie mit der lincken Hand um den Fuß faßt und mit der rechten einen Pfeil auf das Ungeheuer (das natürlich nur gegenwärtig supponirt ist) werfen will. Der Gedancke hat mir wohl gefallen, er ist einfach und gratios und im Grund nur ein mechanisches hülfsmittel die Statue stehen zu machen.
Gute Nacht. Es ist kalt und ich bin müde. Gute Nacht! Wann werd ich dir dieß Wort wieder mündlich zurufen!
25. 10. Abends. Perugia.
Zwey Abende hab ich nicht geschriebenes war nicht möglich, unsre Herbergen waren so schlecht, daß an kein auslegen eines Blats zu dencken war. Es bleibt mir viel zurück. Indeß wird auf alle Fälle die zweyte Epoche meiner Reise von Venedig auf Rom weniger reichhaltig aus mehr als Einer Ursache.
d. 23. früh unsrer Uhr um 10 kamen wir aus den Apenninen hervor und sahen Florenz liegen, in einem weiten Thal das unglaublich bebaut und ins unendliche mit Häusern und Villen besät ist. Von der Stadt sag ich nichts die ist unzählichmal beschrieben. Den Lustgarten Boboli der gar köstlich liegt hab ich nur durchlaufen, so den Dom, das Batisterium, an denen beyden Gebäuden der Menschenwitz sich nicht erschöpft hat.
Der Stadt sieht man den Reichthum an der sie erbaut hat und eine Folge von glücklichen Regierungen.
Überhaupt fällt es auf wie in Toskana gleich die öffentlichen Wercke als Wege Brücken für ein schönes grandioses Ansehn haben, das ist alles wie ein Puppenschranck.
Was ich neulich von den Apenninen sagte was sie seyn könnten das ist Toskana. Weil es soviel tiefer lag, hat das alte Meer recht seine Schuldigkeit gethan und tiefen Lehm Boden aufgehäuft, er ist hellgelb und sehr leicht zu bearbeiten, sie pflügen tief aber noch recht auf die ursprüngliche Art. ihr Pflug hat keine Räder, und die Pflugschaar ist nicht beweglich, so schleppt sich der Bauer hinter seinen Ochsen gebückt her, und wühlt die Erde auf. Es wird bis fünfmal gepflügt. Wenig und nur sehr leichten Dünger hab ich gesehn und den streuen sie mit den Händen. Wahre Kinder der Natur wie wir bey Schilderung ihres Carackters noch mehr sehen werden. Zuletzt säen sie den Waitzen und dann haüfen sie schmale Sotteln auf und dazwischentiefe Furchen, alle so gerichtet daß das Regenwaßer ablaufen muß. Die Frucht wächst nun in die Höhe auf den Sotteln. In den Furchen gehn sie sodann her wenn sie gäten. Ich begreifes noch nicht ganz warum sie so viel Raum liegen laßen. An einigen Orten wohl wo sie Näße zu fürchten haben, aber auf den schönsten Gebreiten thun sies. Gründlich bin ich noch nicht unterrichtet.
Bey Arezzo thut sich eine gar herrliche Plaine auf, wo ich eben das gedachte Feld und die Arten es zu bebauen bemerckte. Reiner kann man kein Feld sehn, keinen Erdschollen, alles klar. Aber man sieht auch nirgend ein untergeackert Stroh der Waitzen gedeiht aber schön, und es ist seiner Natur gemäß. Das zweyte Jahr bauen sie Bohnen für die Pferde, die hier keinen Haber kriegen. Es werden auch Lupinen gesät die jetzt schon schöne grün stehn und im Merz Früchte bringen. So auch ist der Lein schon gesät und gekeimt, er bleibt den Winter über und wird nur durch den Frost dauerhafter, unsre Winter sollte er nicht aushalten. Die Oelbäume sind wunderliche Pflanzen. Sie sehen alt fast wie Weiden aus, sie verlieren auch den Splint und die Rinde geht auseinander. Aber sie hat gleich ein festeres marckigeres Ansehn. Man sieht dem Holze an daß es sehr langsamWächst, und daß es unsäglich durchgearbeitet ist. Das Blat ist auch weidenartig nur weniger Blätter am Zweige. Um Florenz, an den Bergen ist alles mit Oelbäumen und Weinstöcken bepflanzt und dazwischen wird das Erdreich zu Körnern benutzt. Bei Arezzo und so weiter läßt man die Felder freyer. Ich finde daß man dem Epheu nicht genug wehrt, der die Oelbäume wie andre Bäume auszehrt, das doch ein leichtes wäre. Wiesen sieht man gar nicht. Man sagt das türckische Korn, seit es eingeführt worden, zehre das Erdreich sehr aus. Ich glaube wohl bey dem geringen Dünger, das nehm ich alles nur so im Vorbeyfahren mit und freue mich denn doch das schöne Land zu sehn wenn gleich die Unbequemlichkeiten gros sind.
Ich fahre fort sorgfältig das Land für sich, eben so seine Einwohner, die Cultur, das Verhältniß der Einwohner unter einander und zuletzt mich den Fremden und was und wie es dem wird zu betrachten.
Hier fällt mir ein daß ich die Toskanische Dogan Einrichtung als schön und zweckmäßig loben muß, ob sie mich gleich incominodirt hat, und die andern die mich nicht incommodirt haben taugen nichts.
Mein Reisegefährte ein Graf Cesarei von hier eine rechte gute Art Menschen, auch ein rechter Italiäner.
Da ich oft still und nachdencklich war; sagte er einmal: chepensa? non deve mai pensar l’uomo, pensando s’invecchia und nach einigem Gespräch: non deve fermarsi l’huomo in una solacosa, perche allora divien matto, bisogna aver mille cose, unaconfusion nella testa.
Was sagst du zu meinem Philosophen und wie glaubst du daß ich, der alte Mambres, toujours faisant de profondes reflexions, gelächelt habe.
Heute Abend haben wir Abschied genommen, mit der Versichrung daß ich ihn in Bologna, wo er im Quartier steht, auf meiner Rückreise besuchen wolle.
Ich schreibe nur so hin, es ist kalt und drausen am Camin essen Kaufleute von Foligno, ich gehe von Zeit zu Zeit mich wärmen. Auch hier ist allerley zu sehen das ich liegen laße, eh ich nach Rom komme mag ich die Augen nicht aufthun, das herz nicht erheben. Ich habe noch drey tage hin und es ist mir noch als wenn ich nie hinkäme.
Wenn ich diese Reise noch einmal machte wüßt ichs auch nun beßer. Denn mit dem verschiednen Gelde, den Preisen, den Vetturinen, den schlechten Wirthshäusern ist es eine tagtägliche Noth, daß einer der zum erstenmal wie ich allein geht und ununterbrochnen Genuß suchte und hoffte, unglücklich genug sich finden müßte. Ich habe nichts gewollt als das Land sehn auf welche Kosten es wolle und wenn sie mich auf Ixions Rad nach Rom bringen; so bin ich’s zufrieden. Wenn ich Tischbein gesprochen habe dann schildre ich die Italiäner überhaupt wie ich sie gesehn habe. Du magsts dann mit andern Schilderungen zusammenhalten.
Ich sudle erstaunlich, verzeih es der Kälte und der Unbequemlichkeit meines Schreibtisches. Ich habe dir soviel gedacht diese zwey tage daß ich wenigstens etwas zu Papier bringen möchte. Wenn man die erste poetische Idee daß die Menschen meist unter freyem Himmel lebten und sich nur manchmal aus Noth in Holen retirirten noch realisirt sehn will; so muß man die Gebäude hier herum, besonders auf dem Lande ansehn. Ganz im Sinn und Geschmack der Hölen.
Eine unglaubliche Sorglosigkeit haben sie per non invecchiarsi. So muß ich dir einmal eine Beschreibung eines Vetturin Fuhrwercks machen und seine Genealogie wie ich mir sie ausgedacht habe, und es fällt keinem Menschen ein, diese Art Fuhrwerck zweckmäsiger, Menschen und Thieren bequemer und ihrem Besitzer vortheilhafter zu machen, und es kommt auf eine Kleinigkeit an, die sich in jedem andren lande vor funfzig Jahren gefunden hätte.
Nun Gute Nacht. Es geht nicht weiter. Ich bin dir herzlich zugethan und sehne mich recht zu dir; schon fängt mich der Schnee an zu ängstigen der sich bald mit Macht zwischen uns legen wird. Gute Nacht.
26. 10. Abends. Foligno.
Ich hatte heute Abend ein unaussprechliches Verlangen dir zu schreiben und kann es nicht befriedigen.
Ich bin in
Foligno.
völlig in einer Homerischen Haushaltung, wo alles um ein Feuer in einer grosen Halle versammelt ist und schreyt, lärmt, an langen Tischen speist, wie die Hochzeit von Kana gemahlt wird. Ich ergreiffe die Gelegenheit da einer ein Dintenfaß hohlen läßt dir schnell auch etwas zu sagen.
In Perugia hab ich nichts gesehn, aus Zufall und Schuld. Die Lage der Stadt ist schön und mir wohl eingedruckt.
Der Weg ging erst hinab, dann nach einem schönen auf beyden Seiten in der Ferne eingefaßten thal hin. Endlich sahen wir Assisi liegen. Mein Volkmann sagte mir von der Maria della Minerva, ich stieg bey Madonna del Angelo aus und lies meinen Vetturin nach Fuligno seinen Weg machen, ich stieg unter einem starcken Wind, nach Assisi hinauf. II Gran Convento und den geehrten.. geheiligten Galgenberg lies ich lincks liegen, sah des heil. Franziskus Grabstäte nicht, ich wollte mir wie der Cardinal Bembo die Immagination nicht verderben, sondern fragte einen hübschen Jungen nach der Maria della Minerva. Er ging mit mir und wir mußten die ganze Stadt hinaufsteigen die an einem Berge gebaut ist. Endlich kamen wir in die eigentliche alte Stadt auf den Marckt, und siehe das schöne heilige Werck stand da. Das erste der alten Zeit das ich sah. Ein so bescheidner Tempel wie er sich für eine kleine Stadt schickte, und doch so ganz und so gedacht wie er überall stehn dürfte.
Und nicht der Tempel allein, laß dir ihn Volkmann beschreiben, sondern seine Stellung.
Seitdem ich Vitruv und Palladio gelesen habe wie man Städte bauen und Tempel pp. stellen müßte hab ich einen großen Respeckt für diesen Dingen.
So natürlich und so groß im natürlichen.
Erstlich steht er auf der schönsten Höhe des Bergs auf dem Plaz der noch ietzt der Platz ist es kommen eben zwey Hügel zusammen der Plaz selbst steigt ein wenig und es kommen vier Strasen zusammen die ein sehr gedrucktes Andreaskreuz machen. Zwey Strasen von unten herauf, zwey von oben herunter. Wahrscheinlich standen zur alten Zeit die Häuser gegen dem tempel über nicht, er ist grade gegen Mittag gerichtet und hatte wenn man sich die Häuser wegdenckt die schönste Aussicht. Die Strasen müßen schon von Alters gewesen seyn, mehr oder weniger, denn sie folgen aus der Lage des Bergs. Nun begriff ich nicht recht, warum der Tempel nicht in der Mitte des Platzes Seiten steht, endlich fand ich’s.
Die Straße die von Rom herauf kommt war schon gebaut, wie ich vermuthe, und der Baumeister richtete den Tempel so daß er von der Straße aus sichtbar wurde, nicht ganz gerade sondern von der Seite.
Ich will (wills Gott) einen kleinen Riß machen daß es deutlich werde. Am Tempel (der Facade versteht sich) hab ich die größte Freude gehabt meine Ideen und Grundsätze bestärckt zu sehn. Sie ist Corinthischer Ordnung die Säulenweiten dem Augenmas nach etwas über zwey Model. Die Säulen haben ihre Füse und überdies Würfel, sodann Piedestale aber die Piedestalle sind eigentlich der durchschnittne Sockel, denn 5 Treppen gehn zwischen den Säulen hinauf. Fünf weil die alten die Stufen ungleich machten. Unterhalb gingen noch mehr Stufen nieder, die ich nicht beobachten konnte, weil sie theils verschüttet, theils mit Pflaster Steinen belegt waren. Diese Art den Sockel zu zerschneiden und die Treppen hinaufzubringen hab ich nie gebilligt, hier aber war es recht, denn die Enge des Platzes zwang den Architeckten mit den treppen hinein zu gehn. So kann uns das beste Kupfer nicht lehren wie die Gegenwart.
(Sie lärmen mir so entsetzlich um die Ohren daß ich fast nicht fortschreiben kann.)
Dieses ist eben der alten Künstler Wesen das ich nun mehr anmuthe als jemals, daß sie wie die Natur sich überall zu finden wußten und doch etwas wahres etwas lebendiges hervorzubringen wußten.
Nachher hab ich einen herrlichen Abend gehabt ich bin von Assisi nach Foligno zu Fuß gegangen und habe mich nur mit dir unterhalten, nun lärmen mir die Italiäner die Ohren so voll daß ich nichts sagen kann.
Da ich die armen Bauern auch hier so mit Mühseligkeit die Steine umwenden sah dacht ich an dein Kochberg und sagte recht mit innerlichen Herzensträhnen: wann werd ich einmal wieder in Kochberg einen schönen Abend mit ihr feyern? Ich sage dir meine liebe, wenn sie nur hier das Clima nicht voraus hätten!
Mit dem unglaublichen Leichtsinn sich nicht auf den Winter vorzubereiten leiden sie wie die Hunde. Wir wolltens besser machen.
Gute Nacht meine liebe. Der Lärm hört auf, ich habe sie ausgedauert. Aber auch ich bin müde.
Mein Abendspaziergang war gar schön. Vier volle Stunden an einem Berg hin, rechts ein schön bebautes Thal.
Ich komme mit dem Volcke recht gut fort und mit einem einzigen Jahr Pracktick und mit einem mäsigen Gelde wollt ich hier obenauf seyn. Aber es ist nicht der Mühe und der Existenz werth.
Wenn ich so dencke heut ist Donnerstag und den nächsten Sonntag wirst du in Rom schlafen nach dreysig Jahren Wunsch und Hofnung. Es ist ein närrisch Ding der Mensch. Verzeih mir, der Wind zieht durch die Fenster ich sudle nur so fort.
Gute Nacht.
27. 10. Abends. Terni.
Wieder in einer Höle sitzend, die vor einem Jahre vom Erdbeben gelitten, wend ich mein Gebet zu dir mein lieber Schutzgeist.
Wie verwöhnt ich bin fühl ich erst jetzt. Zehn Jahre mit dir zu leben von dir geliebt zu seyn und nun in einer fremden Welt. Ich sagte mir’s voraus und nur die höchste Nothwendigkeit konnte mich zwingen den Entschluß zu faßen. Laß uns keinen andern Gedancken haben als unser Leben miteinander zu endigen.
Terni liegt in einer köstlichen Gegend, die ich diesen Abend von einem Spaziergange um die Stadt mit Freude beschaute. Ein Priester ist seit Perugia, da mich der Graf Cesarei verlassen mein Gefährte. Dadurch daß ich immer wieder unter neue Menschen komme, erreiche ich sehr meine Absicht und ich versichre dich man muß sie nur unter einander reden hören was das einem für ein lebendig Bild des ganzen Landes giebt. Sie haben untereinander einen so sonderbaren National und Stadt Eifer, können sich alle einander nicht leiden, die Stände sind im ewigen Streit und das alles mit immer lebhafter gegenwärtiger Leidenschafft, daß sie einem den ganzen Tag Comödie geben und sich blosstellen. Spoleto hab ich bestiegen und war auf dem Aqueduckt der zugleich Brücke von einem Berg zum andern ist. Die zehen Bogen die das Thal füllen, stehn, von Backsteinen ihre Jahrhunderte so ruhig da und das Wasser quillt noch immer in Spoleto an allen Orten und Enden. Das ist nun das dritte Werck der Alten das ich sehe, und wieder so schön natürlich, zweckmäsig und wahr. Diesen grosen Sinn den sie gehabt haben! - Es mag gut seyn wir wollen mehr davon sprechen. - So verhaßt waren mir immer die Willkührlichkeiten. Der Winterkasten auf Weißenstein, ein Nichts um Nichts, ein ungeheurer Confeckt Aufsatz und so mit Tausend andern Dingen. Was nicht eine wahre innre Existenz hat, hat kein Leben und kann nicht lebendig gemacht werden, und kann nicht gros seyn und nicht gros werden. Die nächsten vier Wochen werden mir voller Freuden und Mühe seyn, ich will aufpacken was ich kann, das bin ich gewiß und kann es sagen noch keine falsche Idee hab ich aufgepackt. Es scheint arrogant, aber ich weiß es, und weiß was es mich kostet nur das Wahre zu nehmen und zu fassen.
San Crocefisso halt ich nicht eigentlich für ein Überbleibsel eines Tempels, (das heist eines tempels der so stand) sondern man hat Säulen Pfeiler, Gebälcke gefunden und zusammengeflickt nicht dumm aber toll. Eine Beschreibung wäre zu weitläufig und ists nicht werth.
Die Römische Geschichte wird mir als wenn ich dabey gewesen wäre. Wie will ich sie studiren wenn ich zurückkomme, da ich nun die Städte und Berge und Thäler kenne. Unendlich interessant aber werden mir die alten Etrurier. In Fuligno könnt ich das Gemälde Raffaels nicht sehn es war Nacht, hier die Wasserfälle nicht es war bald Nacht. Bey meiner ersten kursorischen Lesung Italiens muß und kann ich nicht alles mitnehmen. Rom! Rom! - Ich ziehe mich gar nicht mehr aus um früh gleich bey der Hand zu seyn. Noch zwey Nächte! und wenn uns der Engel des Herrn nicht auf dem Wege schlägt; sind wir da.
Da ich auf die Apenninen von Bologna herauf kam, zogen die Wolcken noch immer nach Norden. Zum ersten sah ich sie gegen Mittag nach dem See von Perugia ziehen und hier bleiben sie auch hängen, ziehn auch gegen Mittag. Das alles trifft mit meiner Hypothese recht gut überein. Und statt daß die grose Plaine des Po den Sommer alle Wolcken nach dem Tiroler Gebirg schickt; so schickt sie jetzt einen Theil nach den Apenninen, im Winter mehr, (die übrigen Wolcken bleiben auch hangen) daher die Regenzeit.
Das Gebirg ist sich bis hierher immer mit wenigen Abweichungen gleich. Immer der alte Kalck, dessen Flötz Lagen auf diesen letzten Stationen immer sichtbarer wurden.
Terni liegt am Anfang einer schönen Plaine zwischen Bergen, alles ist noch Kalck, nichts Vulkanisches hab ich spüren können. Liegt aber eben wie Bologna drüben, so hüben an einem Ende. Vielleicht wird uns morgen etwas Vorkommen. Volkmann sagts.
Die Oliven fangen sie nun an abzulesen, sie thun es hier mit den Händen, an andern Orten schlagen sie sie.
Wenn sie der Winter übereilt bleiben die übrigen biß gegen das Frühjahr hängen. Heute hab ich auf sehr steinigem Boden die größten ältsten Bäume gesehen.
Heute früh ging ein recht kalter Wind, Abends war es wieder schön und wird morgen heiter seyn. Gute Nacht meine Liebste. Ich hoffe du hast nun meinen Brief von Venedig.
28. 10. Civitä Castellana.
Den letzten Abend will ich nicht fehlen, es ist noch nicht acht Uhr und alles ist zu Bette. Fast war ich dem bösen Exempel gefolgt.
Heute war ein ganz heitrer herrlicher Tag, der Morgen sehr kalt, der Tag klar und warm, der Abend etwas windig aber schön.
Von Terni fuhren wir sehr früh aus. Da ich angekleidet schlafe weiß ich mir nun nichts hübschers als des Morgens vor tag aufgeweckt zu werden, mich in den Wagen zu setzen und zwischen Schlaf und Wachen, dem Tag entgegen zu fahren. Heute hat mich die Muse wieder mit einer guten Erfindung beglückt.
Narni stiegen wir hinauf eh es Tag war, die Brücke hab ich nicht gesehn. Von da Thäler und Tiefen, Nähen und Fernen köstliche Gegenden, alles Kalckgebirg auch nicht eine Spur von einem andern Gestein.
Otricoli liegt auf einem von der Tiber ehmals zusammengeschlemmten Kieshügel und ist von Laven gebaut die ienseits des Flußes hergehohlt sind.
Sobald man über die Brücke pag. 365 hinüber ist, spürt man schon das vulkanische Terrain. Man steigt einen Berg hinauf der aus grauer Lava besteht, mit weißen sogenannten Granaten. Die Chaussee die von der Höhe nach Civitä Castellana geht, ist von eben dieser Lava, schön glatt gefahren, das ganze Terrain ist nun Vulkanisch.
Die Stadt steht auf vulkanischem Tuff, der wie gewöhnlich aus Aschen, Bimssteinen Lavastücken besteht, in der Nähe der Stadt hab ich iene Lava nicht wieder gesehn.
Vom Schloß ist die Aussicht schön. Der Berg S. Oreste (Soracte) ist ein von den Apenninen abstehender (meiner Überzeugung nach) Kalckberg an dem und um den die Vulkanischen Feuer gewütet haben. Die Vulckanischen Strecken sind viel niedriger als die Apenninen und nur das durchreisende Wasser hat sie zu Bergen und Felsen gemacht, da sind aber schöne Gegenstände, überhängende Klippen pp.
Nun gute Nacht. Morgen Abend in Rom. Nachher hab ich nichts mehr zu wünschen als dich und die wenigen meinigen gesund wiederzusehn.
29. 10. Abends. Rom.
Mein zweytes Wort soll an dich gerichtet seyn, nachdem ich dem Himmel herzlich gedanckt habe daß er mich hierher gebracht hat.
Ich kann nun nichts sagen als ich bin hier, ich habe nach Tischbeinen geschickt.
Nachts. Tischbein war bey mir. Ein köstlich guter Mensch. Ich fange nun erst an zu leben, und verehre meinen Genius. Morgen mehr.
30. 10. Nachts. Rom.
Nur ein Wort nach einem sehr reichenTage! Ich habe die wichtigsten Ruinen des alten Roms heute früh, heut Abend die Peterskirche gesehen und bin nun initiirt. Ich bin zu Tischbein gezogen und habe nun auch Ruhe von allem Wirthshaus und Reiseleben. Lebe Wohl.
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Fußnoten
1. Sie sprechen es Formentass aus und Formenton ist die Blende deren ich oben gedacht.
2. NB. arme Frau die mich bat ihr Kind in den Wagen zu nehmen weil ihm der heise Boden bie Füße brenne. Sonderbarer Putz des Kindes. Ich redet es Italiänisch an, es sagte daß sie kein Deutsch verstehe.
3. S. Ferbers Reise nach Italien. p. 397. Hacquet Reise durch die etc. Alpen.
4. Ferber nennt ihn Hornschiefer doch war damals die Terminologie der Gebirgsarten viel unbestimmter wie jetzt. Siehe seine Klagen pag. 400 sqq.
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