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2014-12-21

Tagebücher Goethe: Juli 1806



Juli 1806






1. 07. Karlsbad

Morgens gegen 5 Uhr ausgefahren, über Franzensbrunn nach Eger. Umstände wegen der vergessenen Pässe. Nachmittags die Merkwürdigkeiten der Stadt besehen, im Schloß. Merkwürdiger alter Turm, wahrscheinlich von Quarz. Was man für zwey Kirchen ausgibt, ist wahrscheinlich auf die Tempelherrn bezüglich. Saal wo Tertzky und Illo umgebracht worden. Auf dem Rathause die Abbildungen von Wallensteins Tod, Tertzky und Illos Exekution. Porträt von Wallenstein selbst, wahrscheinlich nicht, sonst vortrefflicher Kopf. In der Bibliothek des Rathauses die Partisane, womit Wallenstein erstochen worden, und sein Schwert. Auf dem Bilde von Wallensteins Tod ist genannt: Hauptmann Walther de Ebron, Hauptmann Dionysius Magdaniel. Auf dem andern Bilde: Illo, Tertzky, Kinsky, Neumann Buttler, Gordon, Leslie, Geraldin.

2. 07. Karlsbad.

Morgens um 5 Uhr von Eger auf Zwodau gefahren, anfänglich gute Chaussee, hernach werdend, von Zwodau aus aber stückweis durch Bauern entstehend, erst kurz vor Karlsbad ordentlich und kaiserlich. Abends in Karlsbad angekommen. Noch einen Spaziergang nach der Papiermühle zu.

3. 07. Karlsbad

Zum erstenmal Sprudel getrunken, sodann spazieren nach dem Posthause. Nachmittage nach der neuen Pragerstraße, die mit großen Substructionen aufgeführt wird. Wibeking hat den Entwurf dazu gemacht, auch die Ausführung angefangen. Brief an Demoiselle Vulpius nach Lauchstädt, eingeschlossen an Herrn Genast. Entwickelung des Phänomens der Blutflecken auf dem Teppich. Grüne Buchstaben. Gegensatz von der rot abklingenden Blendung.

4. 07. Karlsbad


Am Sprudel und Neubrunnen. Mehrere Bekanntschaften. Bey Steinschneider Müller die Karlsbader Suite angeschafft. Dieselbe zu Hause nach dem Katalog durchgegangen. Egmont erster Akt. Nach Tische über den Hirschsprung. Abends mit Kaufmann Wieler von Magdeburg mit Familie.

5. 07. Karlsbad.

Am Sprudel, bei Müllern. Spazieren. Nach Tisch zu der Fürstin Solms, zum Generallieutenant Kleist. Auf der Wiese vor dem Konzert spazieren. Jude Baruch (aus russischem Polen) mit seinen beperlten Weibern. Graf Oertzen. Wielers.

Wie Fürst Putiatin versicherte, wenn er Gott wäre und er hätte voraussehen können, daß ein Stück wie Schillers Räuber sollte geschrieben werden, so würde er die Welt nicht erschaffen haben.

Wie Böttiger in einem Club zu Dresden von Schriftstellern und ihrem Werte und immer wieder von Schriftstellern spricht, und ein launiger Gast dem Kellner, der hinten an der Tafel steht und die Zechen macht, ein paarmal He! zuruft; da der aber gar nicht hören will, endlich laut aufschreit: »He Schriftsteller! noch ein Nößel Wein!«

Tümplings Kurmethode, auch abends den Brunnen zu trinken. Wie ein junger Mensch wollte Vergißmeinnicht kristallisiert haben und zwar in 24 Stunden.

6. 07. Karlsbad

Am Sprudel. Sehr schönes Wetter, den größten Teil des Morgens spatzieren gegangen. Mittags bey Graf Rzewusky, wo die Kurfürstl. Sächsischen Beichtväter, einige Engländer und andre waren. Nachher spatzieren. Sodann auf dem Ball, wo ziemlich viel Personen gegenwärtig waren, viel Tänzerinnen aber wenig Tänzer. Erneuerte Bekanntschaft des Grafen Mier, aus Galizien.

7. 07.Karlsbad

Früh am Sprudel. Regenwetter. Vorübergehend. Fürst Reuß XIII. General Richter, der mit in Ulm war. Vieles über Mack und die damaligen Begebenheiten. Am Neubrunnen Frau von Bodenhausen. Bey Graf Oertzen zum Mittag. Mit der Gesellschaft, die bey Rzewusky war. Ich saß zwischen dem Abt Schneider und dem Engländer. Nachher gegen das Posthaus spazieren. Mit der Fürstin Carl Lichtenstein zurück. Starker einfallender Regenguß. Morgens bey Müller. Interessante Stufen des Übergangsgebirges und anderes. An Demoiselle Vulpius nach Lauchstädt. An den Feldwebel Wächter nach Jena.

Gold u. Silber gegen Papier. Der Louisd. galt 13 f 20 Xr der Ducaten galt 7 f 20 Xr der Conv. Thlr. 3 f 12 Xr

8. 07. Karlsbad

Am Sprudel. Nachher am Neubrunnen mit der Hoheit spaziert und der Fürstin Reuß, auch Herrn von Zibet. Nach dem Frühstück bey dem Fürst Reuß Visite. Er las mir einen merkwürdigen Auszug aus einem Tagebuch vom 3. Oktober an bis zur Übergabe von Ulm. Mit ihm in die Allee. Der Fürst Lubomirsky und Graf Potocky. Nachmittage mit dem Steinschneider Müller über den Schloßbrunn, Gartenbrunn, Neubrunn, die Gesteinarten besehen. Einfallendes Regenwetter. Abends auf das Posthaus, wo Lubomirsky eine Fête gab. Um 9 Uhr zurück. Bekanntschaft mit Graf Golowkin. Fürstin Lubomirska. Fürstin Dolgorucki.

Joseph Anton Schönbauers (med. Dokt., ordentlicher Professor der speziellen Naturgeschichte und Therapie an der hohen Schule zu Pest) Neue analytische Methode die Mineralien und ihre Bestandeile richtig zu bestimmen. Ein Leitfaden zur Selbstübung und zum Selbstunterricht in der Mineralogie. Erster Teil. Wien bey Carl Schaumberg und Comp. 1805.

9. 07. Karlsbad.

Am Sprudel. Zum Neubrunn. Mit Rzcwnskyund Fit nach dem Posthause zu spazieren. Mittag bei der Hoheit. Außer der Familie niemand denn Graf Wartensleben und Graf Lepel. Gegen Abend mit dem Fürst Reuß in der Allee, nachher gegen das Posthaus. Mittags mit Graf Lepel über hiesige Mineralogie und Müller. Auch über Kunst, seine Sammlung, Runge usw.

Bestandteile des Sprudels.

Flüchtige: Stickgas Azote NB. Der aufsteigende Dampf ist nur Wasserdampf.
Flüssige: Wasser. Wahrscheinl. aus der Tepl.
Fixe: Kalkerde Luftgesäuerte Mineralische Alkali. Dasselbe mit Schwefelsäure Glaubers Salz Eisen.

10. 07. Karlsbad

Am Sprudel. Dann am Neubrunn. Bey Müller, bey Oertzen, welcher rezitierte. Bey Rzewusky, welcher nicht wohl war. Böhmische Übersetzung der Ilias. Karte von Böhmen. Lage von Karlsbad. Geheime Assistenzrat Thon. Angekommen waren von Bühler und Voght. Nachmittag sämmtl. mit Müller gegen die Eger. Erst Granit worin die s. g. Piniten Quarz mit Holzspuren. Über die Eger zu den Basalten. Die Rolle hinauf zu den Feldern und der scheinbaren Lava. Auf Fischern. Forellen gegessen. Einen ruhigen schönen Abend zum Rückweg.

11 . 07. Karlsbad.

Nicht getrunken, dagegen gebadet. Einen Teil des Tasso durchgesehen. Bühlers. Bräuner. Dann bei Titius. Fürstin Lubomirska. Abends gegen das Posthaus. Abends bei Tische von Tümpling. Nachher spazieren. Assistenzrat Thon. Bekenntnisse der schönen Seele wegen Raffaels Liederlichkeit. Guter Ruf wegen der Mineralogie und Chemie, besserer als wegen der Poesie. Kristalle aus venezianischer Seife zu schneiden. Titius Zusage wegen Mineralien.

12. 07. Karlsbad

Am Sprudel. Am Neubrunn. Fürst Carl von Hessen. Graf Bräuner. Briefe aus Lauchstädt vom 7ten. Bey Wielers. Mit Gurlitt. Nach Tische Tümpling. Geschichte seiner aufgenommenen Bettelkinder. Früh bey Müller wegen einiger von ihm verheimlichten Mineralien. Schöne Exemplare anderer. Kompletierung der Suiten. Madam Bethmann kam an. Promenade an die Eger über Trabiz und den Galgenberg nach Hause. Abends Tümpling. Apologie der Esel.

13. 07. Karlsbad

Am Sprudel, Neubrunn. Gespräch mit Voght über die Zeitläufte. Wurden die bürgerlichen Tugenden angerühmt. Mineralien zum römischen Kaiser. Berghauptmann von Gutschmidt. Gräfin Schimmelmann. Skizzen der gestrigen Gegend. Aß der Steinschneider Müller mit uns. Nachmittag. Aufwartung beym Prinz Carl von Hessen. Mit Madam Unzelmann spazieren. Einige Skizzen landschaftlicher Motive aus der Imagination gezeichnet.

14. 07. Karlsbad


Am Sprudel und Neubrunn. Wenig getrunken. Mit Fürst Reuß, Voght von Hamburg, Gutschmidt von Freyberg, Graf Bräuner und andern. Ging Fürstin Lubomirska ab. Verschiedne Briefe. An Demoiselle Vulpius nach Lauchstädt, eingeschlossen an Hrn. Genast. An Serenissimum, eingeschlossen an Hof-Kammerrat Kirms nach Weimar. An Zelter nach Berlin. An Dr. Stoll nach Wien. Zu Mittag das Schauspiel: Wohin?

»Es ist keine Ruhe, es ist nur eine sitzende Ungeduld« Graf Golowkin.

15. 07. Karlsbad

Am Sprudel und Neubrunn. Gebadet. Gezeichnet. Graf Rzewusky mit dem Stammbuch. Oertzen deklamierte. Nach Tische gezeichnet. Abends die erste Comödie. Die Stricknadeln und der tote Neffe. Spazieren mit Mad. Unzelmann nach dem Posthause.

Tümplings Bedienter, dem er die Nachtwächterstelle verspricht, damit der Kerl studieren soll die Uhr kennen zu lernen. Wahrscheinlich[ ein Akyanobleps auf seinem Gute, weswegen wir ihm farbige Papiere mitgeben wollen.

16. 07. Karlsbad.

Am Sprudel. Regnichter Morgen. Am Neubrunn. Nachher auf der Wiese mit Fürst Reuß, die neuesten Politika. Mit Baron Voght von Hamburg, der mir von seiner ökonomischen Einrichtung in Flottbek und von den Armenanstalten in Hamburg erzählte. Bei der letzteren haben sie gegenwärtig 3300 Kinder zu versorgen, welche stufenweise mehr oder weniger Unterstützung erhalten. Sie kosten des Jahrs 40 bis 50000 Taler. Vorsteher sind 180, da Hamburg in 60 Quartiere eingeteilt ist, in jedem Quartier 3 und ein Ausschuß als Oberkollegium von 20 Personen. Bei der Bewirtschaftung von Flottbek ist das merkwürdigste, daß er keinen Viehstand hat, sondernden Mist von Hamburg zu Schiffe kommen läßt, auch die Reinigung der Stadt Altona übernommen hat.

Bonapartes Äußerungen in Wien gegen mehrere, als den Grafen Zinzendorf von Wrmb, gesammelt vom Fürsten von Ligne und mit Anmerkungen begleitet.

Fürstin Narischkin mit ihrem Gefolge. Fürst Narischkin ihr Vetter. Ein andres junges Frauenzimmer, das der Erbprinzeß Maria Paulowna gleicht. Bei Graf Lepel und Kupfer besehen. Beim Landgrafen von Hessen zu Tafel mit Minister Carlowitz, Graf Lepel, Kammerherr Tümpling usw. Abends auf dem Posthofe gegessen mit Madame Unzelmann.

17. 07. Karlsbad

Nicht getrunken; gebadet, mich mit meinen Schriften beschäftigt, einiges gezeichnet und dergl. Kopien des Kostüms dänischer Mädchen und Frauen. Mad. Unzelmann hatte sich entschlossen nach Eger zu gehen. Liefen die nachgeschickten Pässe ein. Zu Hause gegessen. Gezeichnet. Abends nach dem Posthause mit Mad. Unzelmann. Bekanntschaft mit dem Grafen Salmur. Unterweges sahen wir die Fürstin Nariskin. Voghts Resümee von den Hamburger Armenanstalten.

18. 07. Karlsbad

Am Sprudel. Am Neubrunn, mit Fürst Reuß über Politica, besonders über die Ansichten des Landgrafen von Hessen. Gezeichnet. Nach Tische auf den Hammer gefahren mit Müller. Von da den Berg erstiegen, den Acker besucht, der aus aufgelöstem Granit besteht und wo die Zwillingskrystalle sich finden. Sodann weiter hinauf bis zur Marksäule Nr. 240 des Ellenbogner Kreises, die auf einem Basaltfelsen steht, der aus meist deutlichen 5, auch 6seitigen Säulen besteht. Zurück auf den Hammer und wieder nach Karlsbad gefahren. Die Aussicht auf gedachtem Acker ist sehr schön. Man sieht Engelhaus deutlich liegen, so wie nicht weit davon den Clasberg, welcher auch Basalt ist. Übrigens viele Berge und Abhänge, die nach dem Tepeltal sich senken.

19. 07. Karlsbad

Weder getrunken noch gebadet. Bey Titius über medizinische und mineralogische Gegenstände. Bey Meyer von Wien mit Graf Lepel. Zu Tische Müller. Vorher über mineralogische Gegenstände. Nach Tische des Mannes Leben und Wirken näher betrachtet und aufgezeichnet. Vor Tische Besuch von Dr. Voigtel. Abends spatzieren über den Schloßbrunn, auf der Chotekischen Straße, nach in Findlaters Tempel. Nach Tische gezeichnet. Kam der Brief von Meyer an.

20. 07. Karlsbad.

Am Sprudel, am Neubrunn. Mit Fürst Reuß über die gegenwärtigen politischen Verhältnisse. Mit dem Landgrafen von Hessen über Urgeschichte und Gang der Menschheit. Mit Voght über die höheren Ansichten woraus sich das einzelne herleitet. Der Fürstin Narischkin auf der Promenade vorgestellt. Regnichtes Wetter. Bei der Hoheit zur Tafel. Scherzhafter Ernst über Mineralogie und allerlei Wissenschaftliches. Mit Graf Lepel und Voght spazieren. Das Gespräch fort- und die Thesen heiter durchgesetzt. Visite bei der Feldmarschallin von Kalckstein. Kurze Promenade. Brief von Madame Bethmann.

21. 07. Karlsbad

Am Sprudel. Mit dem Landgraf von Hessen das gestrige Gespräch fortgesetzt, auch manches über Armenanstalten und ihr Bedenkliches. Langsam getrunken, spät nach Hause. Dann gebadet, um 11 Uhr Graf Lepel mit Herrn von Struve. Mittags bey Baron Voght mit Fürst Reuß, Graf Corneillan, Tümpling, Fit u.s.w. Zuletzt kam General Einsiedel, mit dem wir bey Graf Corneillan dessen Portefeuille besahen, worin Guache-Zeichnungen von ihm und Professor Rösel in Berlin, skizzierte Gegenden in Tusche von Schneider und Zeichnungen von Ramberg. Nachher mit Tümpling spatzieren nach dem Posthofe. An Demoiselle Vulpius. An Frau von Stein.

22. 07. Karlsbad

Am Sprudel, am Neubrunn, mit Baron Voght; von Struve seiner Gemahlin präsentiert. Weniges mit dem Landgrafen von Hessen. Nach Tische mit Müller nach Engelhaus. Unterweges das Quarzgestein, jedoch nicht anstehend, sondern zusammengeschafft. Basalte vom Glasberge auf die schön angelegte Pragerstraße. Bey der Auffahrt von Engelhaus Granitübergänge mit Schörl, schillerndem Feldspat, abgesondertem Quarz und Schriftgranit. Schöne landschaftliche Gegenstände. Leineweber als Cicerone. Klingsteinfelsen. Ruinen. Einiges gezeichnet. Schöne Aussicht über böhmische Gegenden, die den eignen Charakter haben, daß sie weder Berge, noch Flächen, noch Täler, sondern alles zugleich bedeutungslos darstellen. Der Fels von Engelhaus tritt deswegen besonders merkwürdig hervor. Nach Hause gefahren. Einen Theil zu Fuß gemacht wegen des Granits, in dem sich Speckstein findet und eine Art Specksteinkristallen. In einer Schlucht über dem Wirtshaus, der Hafer genannt.

23. 07. Karlsbad

Am Sprudel. Am Neubrunn. Gebadet. Bey Herrn von Struve, dessen Mineralien angesehen. Schönes Chromium. Siberit. Wernerit. Kristalle vom Gotthard mit eingeschlossenem Amiant. Stufen gestrickten Silbers aus Potosi. Massen von Zinngraupen, die sich nesterweis kristallisiert hatten, von Schlackenwalde. Mittag zu Hause. Nach Tische bey dem mit geschliffenen Steinen handelnden Juden. Große Teuerung der farbigen Steine. Ein paar artige Antiken von der leichten Sorte. Abends Engelhaus ausgezeichnet. Besuch von Tümpling. Späße von Tümpling. Das Scharlachfieber am Neujahrstage, um sich keine Hofuniform anzuschaffen. Warum es nicht rätlich sey, ihn zum Ober-Küchenmeister zu machen. Wenn er König würde, alljährliche Freude seiner Untertanen über sein Wachstum an Gewicht. Spaziergang des Abends mit Baron von Ende.

24. 07. Karlsbad

Am Sprudel. Rote Kreuze auf den Strümpfen der Frauenzimmer (Billerbeck.), auf der Fußhöhe gleich über dem Schuh. Am Neubrunn. Hernach auf der Wiese. Aussichten von Schönhof und aus Sachsen radiert und illuminiert vom Grafen Corneillan vorgewiesen. Beym geh. Assistenzrat Thon. Mittags bey Hrn. von Bühler gegessen mit Graf Lepel, Fräulein Stackelberg. Nach Tafel Gesangs- und Tanzexhibitionen. Bey Hrn. von Ende, ingleichen bey Hrn. von Lenthe. Mit Graf Lepel und Voght spatzieren bis gegen den Freundschaftssitz. Über ästhetische Umbildung von Gegenden. Tadel der Karlsbader neuen Anlagen im malerischen Sinne betrachtet. An Demoiselle Vulpius, an Frau von Stein obige Briefe fortgeschickt. An Madam Bethmann.

25. 07. Karlsbad

Früh um 5 Uhr ausgefahren gegen die Eger durch die Furt nach Wertitz, Dalwitz, Hohdorf und Lessau. Die Orte wo verschiedene Steinarten vorkommen. Über Lessau meistens am Weg nach Schlackenwört magerer Ton, Chalcedone, Pflanzen in Quarz, Pflanzen in thonartigem Eisenstein, ehemals ein animalisches Fossil. Bey Hohdorf in den Steinbrüchen merkwürdige Übergänge des Quarzgesteins in scheinbare Breccia und dieser, indem sie sehr feinkörnig wird, in eine Tonart. Zwischen Lessau und Hohdorf die merkwürdigen pseudo-vulkanischen Produkte. Die Porzellan-Jaspise liegen auf den Feldern zerstreut. Das durch Feuer wahrscheinlich veränderte Quarzgestein und vielleicht Granit steht noch in Felsen an, wovon jedoch schon vieles auf die Straße gefahren ist. Etwas höher oben das Stollenmundloch, wo sonst Steinkohlen gefördert wurden und der stängliche Quarz und die auf beyden Enden zugespitzten Kristalle waren. Von da auf Dalwitz in die Porzellanfabrik, wo der Feldspath, der in der Nähe in großen Felsen mit Quarz ansteht, und manche andre Thonart der Nachbarschaft benutzt wird. Gegen 12 Uhr zurück. Bey Frau Gräfin Schimmelmann zu Mittage, mit Fürst Reuß, dem Obersten und Major von seinem Regimente und Baron Voght. Nach Tische besuchte mich Graf Lepel. Den Abend zu Hause zugebracht, mit den eingebrachten Mineralien beschäftigt. Beym Abendessen von Tümpling, der den Organisationsplan seines Volksaufstandes sehr lebhaft und leidenschaftlich vortrug.

26. 07. Karlsbad

Früh nichts getrunken. Das Einpacken der Steine angefangen. Kurze Zeit spatzieren mit dem Fürsten Reuß und Graf Lepel. Wegen Regens und Nässe wieder nach Hause. Nach Tische Hr. von Ende. Graf Hakon. Um 4 Uhr in das Schauspiel. Ward Pinto aufgeführt. Abends war von Tümpling da. Frage über den grünen Stein in der Halskette. Einen Brief von Lauchstädt. vom 22ten.

27. 07. Karlsbad.

Früh am Sprudel. Mit dem Landgrafen von Hessen, seiner Symbolisierung der Geburt des Harlekins, wie sie aus dem Ei in der Pantomime vorgestellt wird. Dessen richtige Ansicht dieses Charakters. Übrigens besondre ahndungsvolle Vermutung von den mysteriis iniquitatis, welche in den katholischen Klöstern besonders den italienischen vorgehen sollen. Auch war der bayerische protestantische Dechant zu Zirndorf, Pabst, bei mir und erzählte von der französischen Einquartierung, besonders aber, wie von Paris aus Männer geschickt werden, welche Vorlesungen halten, wobei besonders auf Bildung der Unteroffiziere gerechnet wird. Er sucht sich einen großen Saal oder sonstigen Raum aus, setzt sich an einen Tisch. Die Soldaten stehn im Kreise um ihn her und er trägt seine Lehren nach einer bestimmten Form vor, wornach er auch in der Folge examiniert und die Leute gewissermaßen katechisiert. Dieser Unterricht, welcher von Paris geleitet wird, soll durch die ganze Armee konform sein und sich auf höhere und niedere Taktik sowohl als auf Gesinnung und Betragen beziehen. Frau v. Brösigke und Frau von Levetzow (Pandora). Spazieren, mit Fürst Reuß Politica. Über die östreichische Staatsschuld. Bemerkung über die unglückliche Vermischung dreier ganz separat zu haltender Kapitel. 1. Staatsschuld. 2. Defizit der Einnahme gegen die Ausgabe. 3. Papiergeld als kurrentes Geld oder Scheidemünze im großen angesehen. Besuch von Hrn. von Struve. Über verschiednes Mineralogisches. Auch über den grünen Stein, welcher für Chrysopras erkannt wurde. Zu Mittag bei Baron Voght zu Tische im Sächsischen Hause mit von Tümpling. Schatzgräbergeschichten. Das schwarze Eichhörnchen. Die Teufel mit bepichten brennenden Besemen, worüber die Beschwörer aus dem Kreise von Laubtalern herausfliehen. Nach Tische gegen das Posthaus zu spazieren.

28. 07. Karlsbad

Nicht getrunken; aber an beyden Brunnen mit Berghauptmann von Gutschmidt über die Freyberger persönlichen Verhältnisse. Über Trebra, Charpentier, Werner, besonders über die Bedenklichkeit und Unentschlossenheit des letztern, sowie über das Retardiren seiner Vorlesungen. Am Neubrunn den Landgrafen von Hessen angetroffen. Mittags im sächsischen Saale gegessen mit Gesellschaft: Frau von Brösigke, von Levetzow etc. etc. Eingefallener Regen. Bey Meyer im Laden, mit General Einsiedel über Stutereyen, Graf Lepel. Nachher zur Gräfin Schimmelmann, welche Whist spielte. Abends zu Hause. An Demoiselle Vulpius nach Lauchstädt.

29. 07. Karlsbad

Weder getrunken noch gebadet, also mit Korrectur der Schriften den Morgen zugebracht. Zu Mittage bey der Fürstin Lubomirska. Speisten daselbst die Prinzeß Solms, Fräulein L'Estocq, Fürst Reuß und Sohn (dessen Manier Krebse zu essen), Graf Golowkin, Mr. Agram, Baron Voght, Fräulein Potocky vom Hause. Nach Tische lange Konversationen. Auf der Wiese spatzieren, mit einem Theil dieser Gesellschaft. Abends zu Hause.
Meyer, Kaufmann von Wien, verkauft der Fürstin Nariskin mehrere Waaren und richtet seine Forderung darauf ein, daß er die Zahlung in Papiergeld erwartet. Sie zahlt ihm halb in Gold, halb in Silber, nach dem alten Fuß, entschuldigt sich, daß sie nicht ganz in Gold zahle und bekomplimentirt sich mit ihm über die Wohlfeilheit seiner Preise.

30. 07. Karlsbad

Weder getrunken noch gebadet. An dem Neubrunnen; mit Baron Voght seinen Weg. Über den Findlaterschen Weg nach Hause. Geh. Assistenzrat Thon. Bey der Fürstin Solms. Zu Tische zurück. War Geh. Assistenzrat Thon unser Gast. Mineralien von Hrn. von Struve, teils von Lessau, teils von Joachimsthal. Im Schauspiel. Ward aufgeführt Axur. Columbine (Demoiselle Hof). Später mit Hrn. Agram spatzieren nach dem Posthause: über Gasthöfe, Shakespeare, Racine, Reisebeschreibungen, Engländer in Weimar, englische Chemiker und Physiker. Abends zusammen.

31. 07. Karlsbad


Nicht getrunken, aber gebadet. Vorher am Neubrunnen. Mit Voght über verschiedene Ansichten der Naturgegenstände. Einige Beschäftigung mit Revision meiner Schriften. Ordnung der Mineralien besonders der von Hrn. von Struve mitgeteilten pseudo-vulkanischen Producte. Mittags zu Hause. Über Tisch Dekoration zum ersten Akte des Hakon. Überlegung dieses Aktes und vorbereitete Redaction desselben. Nach Tische gegen Abend spatzieren, gegen die Papiermühle zu bis an den Untergang des Voghtischen Weges. Abends einfallender Regen. Nach Tische gezeichnet. In Sandstein gehauene Gebäude in Indien. Brief von Madam Bethmann.

Ein Etagen-Stock des Grafen Nariskin, entsprungen aus den Flötenstocken, dessen Etagen als Etuits gebraucht werden.
Flucht der Pandora.


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