Juni 1801
2. 06. Weimar
Früh bey Sereniss. Mittag daselbst gespeist. Abends Hr. Hofr. Schiller.
3. 06. Weimar
Früh bey Sereniss. Nach Franckf. a. M. an Frau R. Goethe Modejourn. und Merkur übersendet. An Hrn. Hofr. Stark, Jena, Herrmann und Dorothea übersendet. An Hrn. Holcroft, Hamburg.
5. 06. Weimar
Abreise von Weimar nach Pyrmont.
NB. Die Lücke des Tagbuchs wird durch ein vollständiges Tagebuch ausgefüllt. S. ein besondres Fascikel Ackten. d. 30 August Rückkehr.
5. 06. Mühlhausen
Früh 5 Uhr von Weimar ab, um 8 Uhr in Erfurt, nach Tiefthal, viel Weinbau und Obstbäume, noch Witteroda viel Anis- und Weinbau. Nach Groß Fahrern, furchtbare Gegend, guter Weg. Nach Gräfentonna, im Löwen Mittag gehalten, Wirtin große und starke Figur (Erdmannin). Gräfentonna liegt in einer sehr angenehmen und fruchtbaren Aue, ein reinliches und beträchtliches Dorf. Langensalza, eine alte, aber doch reinliche Stadt und gehört dem Kurfürsten von Sachsen. Die Häuser nach bei alten Manier gebaut, nämlich es stößt immer ein Stockwerk vor dem andern hervor. Die Einwohner scheinen sich meist von Ackerbau und Viehzucht zu nähren, doch wird auch viel Handel getrieben. Das Rathaus daselbst ist eins der zweckmäßigsten und schönsten Gebäude, ganz massiv auf einem freyen, mitten in der Stadt gelegenen Platze. Rechts sieht man die Stadt Thamsbrück liegen, welches die älteste in Thüringen seyn soll. Durch Schönstädt, ebenfalls, ein wohlhabendes, großes und in einer fruchtbaren Ebene gelegnes Dorf; ein Herr von Kühn hat hier sein Gut. Nach [Groß-] Gottern, großer Ort, ohngefähr 300 Häuser, wegen den vielen Zwiebeln, welche hier gebaut werden, nennt man die Einwohner die Zwiebeltreter. Abends 7 Uhr nach Mühlhausen, Gasthof zum Faulen Loch. Wirt Kleemann. Diese Stadt ist ebenfalls sehr alt und hat ihren Nahmen wahrscheinlich von den vielen Mühlen erhalten, welche alle von Einem Bache getrieben werden, der oberhalb der Stadt entspringt. Es ist ein sehr gesundes und gutes Wasser und es werden noch jährlich, zu drey verschiedenen Zeiten, Dankfeste zelebriert, und zwar ziehen die Lehrer männlichen als Weiblichen Geschlechts mit ihrer Schuljugend in Prozession an den Ursprung der Quelle, sowie auch die Waisenkinder ganz besonders mit ihren Lehrern. Die Stadt liegt in einer fruchtbaren Gegend und hat eine gesunde Lage, sie hat viele Kirchen und große Stadtmauern. Schlechtes Theater auf dem sogenannten Fleischhause, ohngefähr wie das zu Blankenhayn.
Sonnabend, den 6. 06. Göttingen.
Früh 5 1/2 von Mühlhausen ab, durch Ammern, wo man über die Unstrut kommt, in einem schönen Wiesengrunde nach Lengefeld; man steigt nun immer höher dem Eichsfelde näher, kommt auf Chaussee, die aber sich in schlechten Umständen befand. Sobald wir ins Eichsfeldische kamen, fanden sich auch gleich Bettelkinder ein. Nach Dingelstädt, ein kleines Landstädtchen. Das weibliche Geschlecht von häßlichem Gesicht, keine Farbe im Gesicht und alle blonde Haare, die mehr ins rote übergingen. Die Häuser daselbst werden alle von hartem Holz gezimmert. Der Boden wird weniger fruchtbar, man kommt durch Kreuzeber und Geisleden nach Heiligenstadt.
Diese Stadt ist im ganzen sehr reinlich und nach einem Brande, den sie 1739 erlitten hat, ziemlich regelmäßig erbauet. Es bricht in dieser Gegend viel roter Sandstein, der bis Reinhausen fortdauert. Die Einwohner nähren sich meist vom Ackerbau. Die Stadt ist alt und hat ohngefähr 500 Häuser und 2 Kirchen. Die Gegend ist fruchtbar und gut bebaut. Mittag gegessen im Mohren. Man steigt nördlich immer höher und kommt nach Siemerode, Bischhagen und Bremke, letzteres ist ein schönes Dorf und liegt in einer artigen abwechselnden Gegend. Reinhausen am Sandfelsen. Man kommt nun nach und nach aus dem Gebirgstale heraus und sieht bald rechts in einer schönen Ebene die so beliebte Universitätsstadt Göttingen liegen. Logis in der Krone.
Sonnabend den 6. 06
abends ging ich noch mit August um die Stadt, um den Charakter derselben und der Gegend zu beobachten. Überall Richtung zur Ordnung, zum Aufbauen, Urbarmachen. In diesem Gange scheint sich die Stadt seit Anlegung der Akademie erhalten zu haben. Der alte Charakter einer niedersächsischen Land- und Fabrikstadt ist fast ganz verschwunden.
7. 06. Göttingen
Früh mit dem Lohnbedienten denselbigen Spaziergang wiederholt, das einzelne näher betrachtet. In Ulrichs Garten Bürgers Monument. Merkwürdig daran ist der Strick, womit der Schleyer an den Knopf der Urne angebunden ist, er macht einen auffallenden Teil des Ganzen aus.
Zu Herrn Geheime Justizrat Hehne. Gespräch über die politische Lage der Dinge, besonders Hannover.
Zu Herrn Hofr. Schlözer, ward nicht angenommen.
Zu Herrn Hofr. Blumenbach. Schädelsammlung desselben, Zeichnung und Malerey verschiedener Völker, andere Kuriosa.
Bey Geheime Justizrat Pütter, welcher bey seinem Alter noch munter genug war und sich verschiedener alter Zustände und Begebenheiten erinnerte. Bey Prof. Sartorius.
Nach Tische kam Herr Wendel----- ein Schüler Heynes aus Hildburghausen bürtig; um 3 Uhr zu Hofr. Blumenbach, dessen Schädelsammlung näher durchgesehen, die Zähne des Ohiothiers, verschiedene andere Incognita besonders Versteinerungen.
Alsdann aufs Museum, die Fabrikate der Völker von den Südseeinseln.
Alles Geflechte besonders schön.
Bey Blumenbach zum Tee, Mineralien von den Südseeinseln, viel talkartiges Gestein, besonders schöner Nephrit. Ein Stückchen Steinregen. Aërolith, eine Art von seinkornigen grauem Tuff mit wenigem Eisen und Eisenkies.
Abends bey Blumenbachs zu Tische.
Montag den 8. 06. Göttingen.
Früh mit Hrn. Prof. Sartorius im Botanischen Garten, fand Hrn. Prof. Hoffmann, einen wohl unterrichteten und angenehmen Mann. Schöne Anlage des Gartens, alte und neue, letztere besonders zu Wasserpflanzen. Pflanzender Botany Bay. Neues englisches Werk. Bei Kestner von Hannover und den Gebrüdern von Arnim. Auf der Reitbahn mit Stallmeister Ayrer gesprochen, dessen Stall besehen, er hält 36 Pferde. Hannoverische sogenannte weißgeborne Pferde. Sie werden zu Ehren des hannoverischen Wappens fortgepflanzt. Fürst Sanguszko hat ein Paar Kutschpferde dieser Art für 1000 Rthlr. gekauft. Sie sollen besonders gelehrig sein, und werden mit großer Delikatesse behandelt. Bei Hofr. Eichhorn. Schlözer. Nachmittag auf der Bibliothek, die Einrichtung und Ordnung, besonders der Katalogen, die Aufstellung derselben nach Ordnung des Realkatalogs. Ausleihen der Bücher u.s.w. welches alles näher notiert werden muß. Abends bei Prof. Sartorius mit Heyne, Blumenbach, Hoppenstedt.
Dienstag den 9. 06. Göttingen.
Früh auf dem Museum. Die nord-amerikanischen Kleider und Geräte. Die Zimmer des Tierreichs, besonders merkwürdige Epostose des Stirnknochens nach außen und innen. Eine kompakte schwere Elfenbeinmasse war nach und nach aus den Augenhöhlen herausgedrungen und ebenso hatte sie sich nach innen zu verbreitet. Nachmittag bei Konsistorialrat Planck.
Bei Heyne im Vorbeigehen die Tischbeinischen neuen Köpfe, welche er von Hannover geschickt, angesehen; sie stellen Agamemnon und Achill vor. Besuchte mich Prof. Grellmann.
Abends bei Eichhorn in großer Gesellschaft. Hofrat Meister, Martens, Meiners, Beckmann, Gmelin, Runde, Ammon, Bouterwek, Grellmann.
10. 06. Göttingen
Früh verschiedne Besuche an die Herren, welche ich gestern kennen gelernt. Nach Tische in das Accouchirhaus. Bekanntschaft mit Professor Osiander. Abends auf dem Haynberg.
11. 06. Göttingen
Früh einige Visiten. Nachher ins Museum, wo ich das Steinreich beschaute. Nachmittags zu Hause. Abends im Clubb.
12. 06. Eimbeck
Um 12 Uhr Mittag von Göttingen, durch Weende, ein Klosteramt, hat schöne Gärten und Felder. Durch das Dorf Plesse. Rechts liegt auf einem mit Wald bewachsenen Berge das Stammhaus der Herren von Plesse, wovon aber nur noch die Ruinen übrig find. Durch Nörten rechts liegt das verfallene Schloß der Hardenberg, das Stammhaus der Herren von Hardenberg; in einem kleinen Tale weiter unten liegt das neuerbaute Schloß nebst einem Vorwerk; der Weg geht immer in einem fruchtbaren Tale fort, vieler Puffbohnenbau. Vor Northeim vorbey, ein artiges freundliches Städtchen. Über die Rhume. Verfallene Anstalt die Felddiebe unterzutauchen. Nach Hollenstedt; Einzäunung der Felder. Rechts zeigte sich ein niedriger Regenbogen. Nach Salzderhelden, wo in der Nachbarschaft ein großes Salzwerk war. Nach Eimbeck Abends um 6 Uhr, Logie im Kronprinz, Wirt Meyer.
Die Stadt Eimbeck sehr alt und rauchig, die Dächer mit rotem Sandstein gedeckt, große Dauer derselben über 300 Jahr. Der Stein bricht bey Ahrholzen und an mehrern Orten. Diese Art, die Häuser mit Sand zu decken, dauert fort bis einen guten Strich über die Weser hin.
Sonnabend am 13. 06. Pyrmont.
Früh 5 Uhr von Einbeck weg nach Bartshausen; man kommt über einen Bergrücken nach Kimen, viel Waldung, die Leute daselbst, so wie in der ganzen Gegend, sehr höflich. Ausgebrannte hohle Bäume benützten sie um Brücken über Kanäle damit zu bauen. Durch einen Wald, viel Holz lag unbenutzt und verfaulte. Nach Wickensen und
Eschershausen. Die Bauern hatten weiße Kittel, rot vorgestoßen, weiße kattunene Westen, blaue tuchene Beinkleider und blaue Gamaschen. Die Bauernhäuser mit artigem Schnitzwerk und Inskriptionen verziert, übrigens aber große Haustüren, inwendig befand sich eine Tenne, gleich in der Nachbarschaft das Vieh. Herd, Küche und Wohnung der Menschen, alles beisammen unter einem Dach. Die Öfen und Rauchlöcher gingen fast alle auf der Seite des Hauses unter dem Dache, auch zur Haustüre selbst heraus. Durch Scharfoldendorf.
Die Sprache, alles platt, z. B. In Büber mut mae nits senken. Einem Bauer muß man nichts schenken. Wat saegt hae da dau. Was sagst du dazu. pp.
Dielmissen, Mittag. Schlechter Weg nach Hajen. Bei Grohnde über die Weser, schönes Schloß und Garten. Durch einen Eichenwald von einer Anhöhe herunter nach Wilsa, an welchem Dorf die Emmer vorbeifließt, im Emmertale hinauf, rechts liegen schöne, mit Wald bewachsene Berge, das Tal der Emmer ist sehr fruchtbar. Durch das Dorf Tal nach Pyrmont.
Logi bei Herrn Brunnenkassier Voigt, dem Badehause gegenüber. Ich ging noch in die Allee und besah die Lage des Ganzen.
14. 06. Pyrmont
Früh Hr. Hofrat Richter, Wasser getrunken. Mit Herrn Hofrat Richter im Badehause und den verschiedenen Sälen. Nach Tische am Säuerling, ferner in der Quäker-Versammlung.
Die Königin von Frankreich unter dem Namen der Gräfin von Lille, wohnt auf dem kleinen Schlosse, man sagt, sie erhalte nichts von ihrem Gemahl, der König von Spanien zahle ihr 30000 rtlr., wovon sie vieles auf unglückliche Ausgewanderte verwende. Der bekannte Kammerdiener Ludwig des 16ten Clery befindet sich auch hier.
In Friedenszeiten sind 300000 Flaschen von hier jährlich verschickt worden.
Kam Herr Geheime Kirchenrat Griesbach an.
Montag d. 15. 06. Pyrmont.
Wasser getrunken, mit Griesbachs und Richters spazieren, einiges am Theophrast, nach Tische in der Dunsthöhle. Der Dunst stand nur etwa 18 Zoll über dem Boden. Spaziergang mit Herrn Prediger Schütz von Bückeburg. Bekanntschaft mit Frau von Weinheim, ehemaliger Generalin Bauer erneuert.
Dienstag den 16. 06. Pyrmont.
Regenwetter. Brunnen getrunken, etwas am Theophrast. Um 11 Uhr gebadet, beim schlechten Wetter wenig in der Allee. Meistens am Theophrast.
Mittwoch am 17. 06. Pyrmont.
Sehr schlechtes Wetter, Sturm und Regengüsse, wenig getrunken und spaziert. Morgens an der Geschichte der Farbenlehre. Nach Tische an der Übersetzung des Theophrasts.
Donnerstag 18. 06. Pyrmont
Getrunken und gebadet. Briefe nach Hause und an Hrn. Hofkammerrat Kirms. Abends in der Dunsthöhle, Versuche mit den Seifenblasen, brennendem Stroh u.s.w.
Freytag d. 19. 06. Pyrmont
Getrunken, obige Briefe weggeschickt. Bey den sogenannten Erdfällen. Von da eine Promenade an den Bergen her gegen Phyrmont zu.
Sonnabend d. 20. 06. Pyrmont.
Getrunken, gebadet. Nach Mittag nach Lügde. Ins Kloster, wo ein neuer Präses angekommen war. Es ist erst seit 50 Jahren erbaut, von Franziskanern besetzt, für 20 eingerichtet und nur gegenwärtig von 4 bewohnt. Das Städtchen brannte vor einigen Jahren ab. Weg dahin. Fußpfad durch die sogenannten Kämpen, Wiesen-Abteilungen wo das Vieh der Pyrmonter gegen Erlegung eines Pachtes vom Frühjahr bis zum Herbste weidet.
Sonntag d. 21. 06. Pyrmont.
Früh getrunken, nachmittags auf der Allee, einiges am Theophrast ohne weitere Exkursion. Unterhaltung mit Griesbach über die Kritik der biblischen Schriften.
Montag d. 22. 06. Pyrmont.
Getrunken und gebadet.
Dienstag 23. 06. Pyrmont
Getrunken und gebadet, in der Nähe spatzieren.
Mittwoch den 24. 06. Pyrmont
Getrunken. Badete August. Nach Tische mit Hrn. Rektor Werner aus dem Krystallberg hinter Lügde.
Donnerstag d. 25. 06. Pyrmont
Früh Pause. Briefexpedition. Hvfk. R. Kirms. Wegen Dem. Balesi und anderen Theaterumständen; eingeschlossen: An Serenissimum, an d. Schausp. Schmidt in demselben. An Baron v. Retzer. An Schauspieler Haide. An Dem. Vulpius, in demselben an Bauinspektor Steffani. Gegen Mittag mit Griesbachs hinter den Königsberg und in der Quäkerischen Messerfabrik zu essen. Übles Wetter zur Rückkehr. Abends bey Graf Chasot. Mdme Dangers.
Freytag d. 26. 06. Pyrmont
Getrunken, gebadet. August ging wieder nach Lüde. Abends Refraktions Lehre mit Griesb. und Schütz.
Sonnabend d. 27. 06. Pyrmont
Getruncken, gebadet. Frau Landrentenmstr Scholing Frau Amtschreiber Rathlef Schwestern von Mad. Sander Fr. von Breitenbauch, Witwe, Tochter von Mad. Scholing.
Bey Wendlinghausen im Lippischen findet man in einer Mergelgrube den Strombus Gigas. Schon 40 Stück sind gefunden worden.
Sonntag den 28. 06. Pyrmont
Getrunken. Nachmittag in der Allee spazieren, wo die Gesellschaft lebhafter zu werden anfing. Früh war die Gräfin Lille zum ersten mal am Brunnen erschienen.
Montag den 29. 06. Pyrmont
Getrunken und gebadet, gegen Mittag Unterhaltung mit Kriminalrat Schmaling. Abends in der Komödie.
Dienstag d. 30. 06. Pyrmont
Getrunken. Bekanntschaft mit Konsistorialrat Horstig und seiner Frau, so wie mit Hofrat Marcard. Nachmittags in die Dunstgrube mit Griesbachs und Horstigs. Abends Bote von Weimar.
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