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2014-12-20

Tagebücher Goethe: Mai 1800



Mai 1800




1. 05. Leipzig

Gingen der Fürst von Dessau und der Herzog von Weimar fort. Bey Bause. Portrait von Mosnier. Gouache Landschaften von Kaaz. Gemälde Sammlung im Slasischen Hause. Pfarr Kunsthändler. In verschiedenen Läden mit Kanzl. Hofmann DautensGarten haus. Bey Frege. Wollenwaaren, Leinwand, Leder sehr guter Abgang; feinere Musseline, Katune geringrer Abgang.

2. 05. Leipzig.

Kam Graf Reden. Mit demselben an verschiednen Orten, mit ihm und Kanzler Hofmann zu Mittag gespeist. NachTische verschiedne Gänge mit demselben. In der Komödie. Abends wieder zu drei zusammengespeist. Auch war ich früh bei Pfarr gewesen und hatte das englische Portefeuille durchwehen. Von Füßli, wie von jedem genialen Manieristen, kann man sagen, daß er sich selbst parodiere. Fast in allen übrigen Blättern zur Shakespeares-Galerie Komposition und Behandlung völlig motiv- und charakterlos. Graf Reden über die Forderung der Menschen an denjenigen, der wirken will, daß er sich aufopfern soll. Über die verschiednen Arten Steinkohlen. Im Preußischen haben sie das letzte Jahr so viel gefördert, daß es eine Million Klafter Holz aufwiegt. Name eines geschickten Geologen in diesem Fache.

3. 05. Leipzig.

Früh noch einige Wege mit Kanzler Hofmann. Französisches Porzellan, geringere Sorte nicht wohlfeiler als Berliner. Die bessere Sorte aber viel wohlfeiler. Bei Benjamin Eichel. Teppiche bei Crayen. Abends Konzert bei Frege, wo die Pixis spielten, Mad. Plomer sang und Herr Kapellmeister Himmel einiges von seiner Komposition vortrug. Seine Wahl witziger Lieder. Allgemeinere Faßlichkeit des Witzes.

Bei dem Leipziger Theater völliger Mangel von Kunst und Anstand, der Naturalism und ein loses, unüberdachtes Betragen im ganzen wie im einzelnen. Eine Wiener Dame sagte sehr treffend, sie täten doch auch nicht im geringsten, als wenn Zuschauer gegenwärtig wären. So ist es auch mit dem Sprechen, es ist auch nicht eine Spur zu sehen von Absicht, verstanden zu werden; was eben der Zuhörer nicht hört, das hört er nicht, des Rückenwendens, nach dem Grunde Sprechens ist kein Ende, und dem ohngeachtet muß man sagen, daß sie von Zeit zu Zeit mehr als billig ist maniriert sind, denn gerade aus der sogenannten Natürlichkeit ist bei bedeutenden Stellen keine andere Zuflucht als in die Manier. Übrigens ist nichts begreiflicher, als daß Liebhabertheater sich neben einer solchen Gesellschaft recht viel einbilden dürfen.

Ich fand Herrn , der für Frege in Pennsylvanien gewesen war, mit dem ich Verschiedenes über dortige Verhältnisse sprach.Er hat eine schöne Tischplatte mitgebracht von einer Kieselbrekcie, jener ähnlich, wovon die Voigtische Mecklenburger Dose gemacht ist.

4. 05. Leipzig.

Früh bei geheime Kriegsrat Müller. Nachmittags im Panorama. Abends in Abtnaundorf bei Frege. Er besitzt sehr schöne Mineralien. Besonders merkwürdig war mir eine Juno als Herme, von orientalischem Alabaster, weiß, mit wenigen roten Streifen; der Kopf von Erz, so wie der linke Fuß, der rechte fehlt; die Hände im Schleier von bewundernswürdiger Schönheit, der Kopf sehr wohl erhalten und scharf, der Körper und das Gewand sehr weichlich gearbeitet von außerordentlich schöner Faltenanlage und Behandlung.

5. 05. Leipzig

Früh Herr Cotta. Mit Herrn Cotta viel über seine Reise nach Paris, seinen Aufenthaltdaselbst, das Verhältnis von Reinhard, Talleyrand und anderer bedeutender Personen, von den Büreaus, den Ministern, den Parisern und Franzosen überhaupt.Nachher zu Fleischern, wo ich den jungem Campe aus Hamburg fand, der mir manches interessante von Paris erzählte. Nachmittag ums Tor und in dieGärten, vorher in die Kupferstichauktion. Gleichfalls las ich des jüngern Hedwigs Aphorismen, an denen ich mich nicht sehr erbaute. Abends kam Herr von Hendrich und ich bezog eine andere Stube.

6.05. Leipzig

Karte von Leipzig und Betrachtung über die Lage der Stadt. Bey Cotta über die neuenKupfer zum Damenkalender. Bey Eßlinger großer französischer Virgil. Girodet hat mehr Stil in der Komposition und geht auf Kunstzwecke aus, wird aber manchmal kalt. Gerard denkt natürlich, seine Arbeiten befriedigen, aber nicht als Kunstprodukte; sein Leidenschaftliches nähert sich dem Theatralischen und Manierirten. Nach Tische chalkographisches Büreau. Nachher ins Konzert. Wenig Trost, einiges interessante Gespräch mit Herrn Magister Rochlitz undThieriot. Vor dem Concert die sogenannten schwarzen Perlen des Grafen Piccolomini. Sie sind eigentlich stahlgrün und spielen ins violette; da sie ferner an der Lichtseite heller erscheinen und im Reflex die Farbe des Gegenstandes annehmen, dem sie nahe sind, so erhalten sie eine wunderbare Spielung. Wenn man nur die eine Schnur sähe, davon die Perlen kleiner sind, woran ein unreines violett dominiert, würde man einen schlechten Begriff von ihrem Werte fassen; aber dieSchnur der größern ist wirklich vortrefflich, indem sie die ernsthafte Farbe mit dem Glanz und der Spielung der Perle verbindet.

7. 05. Leipzig.

Mit Herrn Cotta spazieren und verschiedne literarische Verhältnisse durchgesprochen. Sodann einen kleinen Spaziergang allein die Pleiße hinaufwärts um des Terrains willen. Dann zu Prof. Hermann; er ist mit dem Äschylus und Plautus beschäftigt, über mancherlei philologische Gegenstände, über Euripides; zuletzt über Prosodie und Rhythmik. Herr Fleischer sagte mir, daß das Werk über die Silbenmaße stark nach England gehe. Nachmittags in das Taubstummen-Institut. Abends mit Herrn und Mad. Sander und Herrn Rochlitz erst im Kosental, dann in einem öffentlichen Garten und mit beiden ersten sodann im Hotel de Saxe zu Nacht gegessen. Heute erhielt ech die Probe von Bitaubes Übersetzung von Hermann und Dorothea.

8. 05. Leipzig

Härtel in der Musikhandlung wegen der musikalischen Zeitung. Über die Breitkopsische Familie, besonders den letztverstorbenen Breitkops gesprochen. Bey Eßlinger. Er fordert für den französischen Virgil 140 Tlr.. Über französischeCompendien. Zinnober angeschafft. Bey Frege, wo von Landwirtschaft die Rede war. Er wird einen dreyjährigen Versuch mit Bewirtschaftung eines 150 Ackerenthaltenden Gutes machen. Zu Tische Herr und Mad. Sander, Abends Konzert der jungen Pixis, wobey sie viel Beyfall einerndeten, sodann Abends bey Sanders.Früh morgens war ich auch vors Gerbertor gegangen, um die Lage von Leipzig von dieser Seite zu beobachten sowie den Lauf der Parthe gegen das Rosenthal hin.

9. 05. Leipzig

Bey Herrn La Garde von Berlin, der mir sehr viel interessantes von seinem zweymaligen Aufenthalt in Paris erzählte. Bey Hrn. Legat.R. Bertuch. Bey Bürgemeister Hermann. Bey Küttner. Mittags im Hotel de Saxe. Nachmittags bey Frauenholz. Verschiednes interessante. Ein paar Gemälde von Seele: Szenen aus dem gegenwärtigen Kriege. Bisterzeichnungen von Koch, einem Tiroler in Rom. Dieeine, wo die Landschaft mit der Geschichte des Orpheus, der von tragischen Weibern getötet wird, vorgestellt ist, hat viel Verdienst. Einige andere mit Gegenständenaus dem Oberen sind keineswegs glücklich geraten. Landschaften von Molitor in Wien, eine sehr ausgearbeitete freye Manier, Effekt und glückliche Stellen, aber unruhig und nicht zusammengedacht. Tusche und Rothstein mit einem kecken Pinselaufgetragen. Eine bunte Zeichnung von Carstens: Apollo spielt auf der Leyer, die Musen tanzen um die Grazien, ein merkwürdiges Blatt, woraus man die Art und Weise seines Denkens und Arbeitens erkennen kann. Hebe, die dem Adler zu trinken reicht, in schwarzer Kunst nach Unterberger, und zwar nach dem Bilde, von dessen Effekt und Haltung so viel schon gesprochen worden. Abends im Garten mit MagisterRochlitz und Gesellschaft.

10. 05. Leipzig.

Früh im Industrie-Comptoir, den Bücher-Catalogus zur Hälfte durchgesehen. Die Herrn Unger und Woltmann angetroffen. Zu Gontards wegen des Ameublements. Don Quixote gelesen. Nachmittags kamen die Meinigen. Abends spazieren und im Garten gegessen.

11. 05. Leipzig.

Früh durch die Stadt gegangen, in die Nikolaikirche. In Auerbachs Keller. Mittags zusammen an der Table d'hote. Nach Tische um die Stadt gefahren. Nach Raschwitz und Connewitz. Abends nach der Funkenburg, zusammen zu Nacht gespeist.

12. 05. Leipzig

Früh verschiednes einzukaufen ausgegangen, dann zu Herrn Unger Kattuntapeten und Bordüren besehen. Mittags zusammen an der Table d'hote. Nach Tische kam Hr. Rat Schlegel. Abends noch durch die Buden, verschiedne Waaren aufgesucht.Sodann in die Komödie. Ariadne auf Naxos. Die Entdeckung von Steigentesch. Abends im Hotel de Saxe mit Loder, Frommann, Bohn von Hamburg.

13. 05. Leipzig

Früh auf dem Observatorium bey Eßlinger. Mittags bey Vieweg in großer Gesellschaft. Waren gegenwärtig: v. Retzer von Wien. la Garde von Berlin. Nicolovius von Königsberg. Sauber von Berlin. Unger von Berlin. Nach Tische zu dem OptikusHofmann mit Geheime Hofrat Loder. Abends in die Komödie ward Abällino gegeben.

14. 05. Leipzig

Früh verschiedne Abschiedsbesuche. Der Handel mit Hrn. v. Hendrich wegen des Wagens ward richtig. Mittags erst an Table d'hote mit Loder und Sanders, nachher bey Frege. Abends ins Requiem, sodann in Rudolphs Garten zu Herrn Unger und Gesellschaft.

16. 05. Weimar

Von Leipzig zurückgekommen. Bey Serenissimo.

17. 05. Weimar

Bey Geh.R. Schmidt zum Mittagessen mit den Ständen. Abends Macbeth.

18. 05. Weimar

Das neue Stück der Propyläen vorbereitet, zu Hause gegessen. Verschiedne Geschäfte, besonders auf den Schloßbau bezüglich.

19. 05. Weimar

Mittags an Hof.

20. 05. Weimar

Früh mit Serenissimo im Schlosse. Mittags bey Kanzler v. Koppenfels mit den Ständen, Abends mit Geh.R. Voigt über die nächsten Geschäfte.

21. 05. Weimar


Einiges die Propyläen betreffend. Mittags bey Geh.R. Voigt mit den Ständen. Bey Fouquet, Fräulein Fouquet ging nach Paris ab.

22. 05. Weimar

Früh einiges die Propyläen betreffend, einiges an Faust.

23. 05. Weimar

Mittags die Landstände zu Tische. Durchl. der Prinz. v. Haren. v. Seebach. Ludecus. Schmidt. v. Milckau. v. Egloffstein. v. Einsiedel. v. Schardt. Gr. Beust. G.R. Voigt. v. Koppenfels. v. Egloffstein. v. Helldorf.

24. 05. Weimar

Mittags bey Hrn. K.H. v. Egloffstein.

25. 05. Weimar

Die Exposition der Zauberflöte. Mittags Gäste. R.R. Voigt und Frau. D. Herder und Frau. Hr. Cotta und Frau. Hr. H. Schiller und Frau. R. Schlegel.

26. 05. Weimar

Exposition der Zauberflöte. Besuch von Haßlochs. Abends nach Ettersburg zu Schiller.

27. 05. Weimar

Früh von Ettersburg zurück.

28. 05. Weimar

Abends die Räuber, spielte Mad. Haßloch die Amalia.

29. 05. Weimar


Gegenüberstehende Gäste. Hr. Sander und Frau. Leg.Rat Bertuch Frau und Tochter G. Hofr. Loder Frau und Tochter St.R. Ludekus Frau. Haßloch und Frau. H.K.Rat Kirms Schwester Weiland und Frau Reg.R. Voigt und Frau Paulus und Frau. Geh.R. Voigt. Bergrat Voigt. Reg.R. Osan. Bury. Pr. Meyer Abends Don Juan.

30. 05. Weimar

Exposition der Zauberflöte geendigt. Kam die Juno als Herme von Frege. Mittags bey Hof einige Gemälde, besonders merkwürdig eine tote Cäcilie. Abends Spielten die kleinen Pixis. An Herrn Wilmans nach Bremen, den 2ten Teil der Zauberflöte

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