1797
01.09. Hohenheim
Den 1ten September war ich mit Herrn Professor Dannecker in Hohenheim. Gleich vor dem Tore begegneten wir Österreicher, die ins Lager zogen. Geiseburg liegt rechts der Straße in einem schön bebauten und waldigen Grunde. Wenn man höher kömmt, sieht man Stuttgart sehr zu seinem Vorteil in dem schönen Grunde liegen.
Hohenheim selbst, der Garten sowohl als das Schloß, ist eine merkwürdige Erscheinung. Der ganze Garten ist mit kleinen und größern Gebäuden übersäet, die mehr oder weniger teils einen engen, teils einen Repräsentationsgeist verraten. Die wenigsten von diesen Gebäuden sind auch nur für den kürzesten Aufenthalt angenehm oder brauchbar. Sie stecken in der Erde, indem man den allgemeinen Fehler derer die an Berge bauen durchaus begangen hat, indem man den vordern oder untern Sockel zuerst bestimmt, wobei dann das Gebäude hinten in den Berg zu stecken kommt, anstatt daß, wenn man nicht planieren will noch kann, man den hintern Sockel zuerst bestimmen muß, der vordere mag als denn so hoch werden als er will.
Da alle diese Anlagen teils im Gartenkalender, teils in einem eignen Werke beschrieben sind, so sind sie weiter nicht zu rezensieren, doch wäre künftig bey einer Abhandlung über die Gärten überhaupt dieser in seiner Art als Beyspiel aufzustellen. Bey diesen vielen kleinen Partien ist merkwürdig, daß fast keine darunter ist, die nicht ein jeder wohlhabende Particulier eben so gut und besser haben könnte, nur machen viele kleine Dinge zusammen leider kein großes. Der Wassermangel, dem man durch gepflasterte schmale Bachbetten und durch kleine Bassins und Teiche abhelfen wollen, gibt dem Ganzen ein kümmerliches Ansehen, besonders da auch die Pappeln nur ärmlich da stehen. Schöne gemalte Fensterscheiben an einigen Orten, eine starke Sammlung Majolika ist für den Liebhaber dieser Art von Kunstwerken interessant. Ich erinnerte mich dabey verschiedner Bemerkungen, die ich über Glasmahlerey gemacht hatte, und nahm mir vor sie nunmehr zusammenzustellen und nach und nach zu komplettieren. Denn da wir alle Glasfritten so gut und besser als die Alten machen können, so käme es blos auf uns an, wenn wir nur genau den übrigen Mechanismen beobachteten, in Scherz und Ernst ähnliche Bilder hervorzubringen. Außer einigen Bemerkungen in diesem Fache fand ich nichts wissens- noch nachahmungswertes in diesem Garten. Eine einzige altgotisch gebaute aber auch kleine und in der Erde steckende Kapelle wird jetzt von Thouret, der sich lange in Paris und Rom aufgehalten und die Dekoration studiert hat, mit sehr vielem Geschmack ausgeführt; nur schade, daß alles bald wieder beschlagen und vermodern muß und der Aufenthalt, wie die übrigen, feucht und ungenießbar ist.
Das Schloß, das mit seinen Nebengebäuden ein ausgebreitetes Werk darstellt, gewährt den gleichgültigsten Anblick von der Welt, so wie auch sämmtliche Gebäude ganz weiß angestrichen sind. Man kann beym äußern Anblick der Gebäude sagen, daß sie in gar keinem Geschmack gebaut sind, indem sie nicht die geringste Empfindung weder der Neigung noch des Widerwillens im Ganzen erregen; eher ist das völlig Charakterlose einer bloßen beynah nur handwerksmäßigen Bauart auffallend. Der Haupteingang ist zu breit gegen seine Höhe, wie überhaupt das ganze Stock zu niedrig ist. Die Treppen sind gut angelegt, die Stufen jedoch gegen ihre geringe Höhe zu schmal. Der Hauptsaal, leider mit Marmor dekoriert, ist ein Beyspiel einer bis zum Unsinn ungeschickten Architektur. In den Zimmern sind mitunter angenehme Verzierungen, die aber doch einen unsichern und umherschweifenden Geschmack verraten. Einige sind Nachzeichnungen, die aus Paris gesendet worden, in denen mehr Harmonie ist. Ein artiger Einfall von kleinen seidnen Vorhängen, die mit Franzen verbrämt und in ungleichen Wolken aufgezogen von den Gesimsen herunterhängen, ist artig und verdient mit Geschmack nachgeahmt zu werden. Die Stuckateurarbeit ist meistens höchst schlecht. Da ein Teil des Schlosses noch nicht ausgebaut ist, so läßt sich hoffen, daß durch ein paar geschickte Leute, die gegenwärtig hier sind, die Dekoration sehr gewinnen werde.
Ein Saal, der auch schon wieder auf dem Wege war in schlechtem Geschmack verziert zu werden, ist wieder abgeschlagen worden und wird nach einer Zeichnung von Thouret durch Isopi ausgeführt.Die Gipsarbeit des Isopi und seiner Untergebnen zu sehen, ist höchst merkwürdig. Besonders wie die freystehenden Blätter der Rosen und die Vertiefungen der hohlen Kronen ausgearbeitet und aus Teilen zusammengesetzt werden, wodurch sehr schöne und durch Schatten wirksame Vertiefungen entstehen. Auch war mir sehr merkwürdig, wie er Dinge, die nicht gegossen werden können, zum Beyspiel die Verzierungen einer ovalen Einfassung, deren Linien alle nach einem Mittelpunkte gehen sollen, durch einen jungen Knaben sehr geschickt ausschneiden ließ. Die Leute arbeiten außer kleinen Federmessern, Flach- und Hohlmeißeln auch mit großen Nägeln, die sie sich selbst unten zuschleifen und oben mit einem Läppchen, um ihn bequemer anzufassen, umwickeln. Von den größern Rosen bringt ein geschickter Arbeiter nur eine den Tag zu Stande, sie arbeiten seit Isopis Direktion mit großem Vergnügen, weil sie sehen, wie sehr sie in ihrer Arbeit zunehmen.
Isopi macht, wie sichs versteht, die Modelle, die alsdann geformt und ausgegossen werden. Das charakteristische von Isopis Arbeit scheint mir zu seyn, daß er wie oben gedacht hauptsächlich auf die Vertiefungen denkt. So werden z.B. die Eier in dem bekannten architektonischen Zierrat besonders gegossen und in die Vertiefungen eingesetzt. Ein Hauptfehler der alten Deckendekorationen ist, daß sie gleichsam für sich allein stehen und mit dem untern nicht rein korrespondieren, weil alles so hastig und zufällig gearbeitet worden, das nun bey Thouret und Isopi nicht mehr vorkommen kann. Hier ward ich auch durch die Ausführung in einem Gedanken bestärkt, daß man bey Säulendekorationen, die in Zimmern angebracht werden, nur den Architrav und nicht das ganze Gebälke anbringen dürfe. Die Ordnung wird dadurch höher und das Ganze leichter und ist dem Begriffe der Konstruktion gemäß. Isopi will niemals eine Corniche unmittelbar an der Decke haben, es soll immer noch eine leichte Wölbung ...... wie der Geschmack des Architekten nach der Länge und Breite des Zimmers, als das Verhältnis, in dem sie gesehen wird, bestimmen soll. Die rote Damastfarbe sah ich nirgends als in kleinen Kabinetten, wo sie nur in schmalen Panneaus oder sonst unterbrochen vorkam. Die größern Zimmer waren alle mit sanften Farben dekoriert und zwar so, daß das Seidenzeug heller gefärbtes Laub als der Grund hatte. Die Parketts sind sämmtlich von Eichenholz, unabwechselnd wie die in Ludwigsburg, aber sehr gut gearbeitet. Auf dem Hause steht eine Kuppel, die aber nur eine Treppe enthält, um auf den obern Altan zu kommen.
Im Garten ist ein Häuschen von den drey Kuppeln genannt auch merkwürdig, das inwendig ganz flache Decken hat, so daß die Kuppeln eigentlich nur Dekorationen nach außen sind. Ich fand die Amaryllis bella donna blühen, so wie in dem eisernen Hause manche schöne auswärtige Pflanze. Artig nahm sich zu Fußdecken kleiner Kabinette ein bunter Flanell aus. In den untern Zimmern des Schlosses ist eine Gemäldesammlung, worunter sich manches gute befindet, ein Frauenbild von Holbein, besonders aber eine alte Mutter, die mit Einfädlung der Nadel beschäftigt ist, indes die Tochter sehr emsig näht, ein Liebhaber, der bey ihr steht, scheint ihr im Augenblick seine Wünsche zu offenbaren. Halbe Figuren, fast Lebensgröße, ist fürtrefflich gedacht, komponiert und gemalt.
02.09. Hohenheim
Den 2ten September besuchte ich die Bibliothek, die ein ungeheueres hölzernes Gebäude, das ehemals ein Kaufhaus war, einnimmt. Es steht am gewerbreichsten Teile der Stadt, zwar rings herum frey, läßt aber doch immer vor einem Unglück durch Feuer besorgt seyn. Die Sammlung zum Kunst-, Antiquitäten- und Naturfach ist besonders schön, so wie auch die Sammlung der Dichter und des statutarischen Rechtes von Deutschland. Bibliothekarien sind: Petersen und Hofrat Schott. Vorher besuchten wir den Professor Thouret, bey dem ich verschiedne gute Sachen sah. Eine Allegorie auf die Wiedergenesung des Herzogs ist ihm besonders wohl gelungen. Diese sowohl als eine Allegorie auf die französische Republik, so wie Electra mit Orest und Pylades, zeugen von seiner Einsicht in die einfachen, symmetrischen und kontrastierenden Kompositionen, so wie die Risse zu einem fürstlichen Grabe und zu einem Stadttor sein solides Studium der Architektur.
Ich werde nach diesem und nach der Zeichnung, die ich in Hohenheim von ihm gesehen, raten, daß man bey Decorirung unseres Schlosses auch sein Gutachten einhole. Nach Tische ging ich zu dem preußischen Gesandten von Madeweiß, der mich mit seiner Gemahlin sehr freundlich empfing. Ich sand daselbst die Gräfin Königseck, Herrn und Frau von Varchimont und einen Herrn von Wimpfen. Man zeigte mir ein paar fürtreffliche Gemälde, die dem Legationsrat Abel gehören. Eine Schlacht von Wouvermann. Die Kavallerie hat schon einen Teil der Infanterie überritten und ist im Begriff, ein zweytes Glied, das eben abfeuert, anzugreifen. Ein Trompeter, auf seinem hagern Schimmel, sprengt rückwärts, um Succurs herbey zu blasen. Das andere Bild ist ein Claude von Mittelgröße und besonderer Schönheit, ein Sonnenuntergang, den er auch selbst radiert hat. Es ist fast keine Vegetation auf dem Bilde, sondern nur Architektur, Schiffe, Meer und Himmel.
Abends bey Herrn Kapellmeister Zumsteeg, wo ich verschiedne gute Musik hörte. Er hat die Colma, nach meiner Übersetzung, als Kantate, doch nur mit Begleitung des Klaviers gesetzt, sie tut sehr gute Wirkung und wird vielleicht auf das Theater zu arrangieren seyn, worüber ich nach meiner Rückkunft denken muß. Wenn man Fingaln und seine Helden sich in der Halle versammeln ließe, Minona, die sänge, und Ossian, der sie auf der Harfe accompagnirte, vorstellte, und das Pianoforte auf dem Theater versteckte, so müßte die Aufführung nicht ohne Effekt seyn.
03.09.
Den 3ten Sept. fuhren wir ins kaiserliche Lager. Wir kamen durch Berg, worauf die Hauptattacke von Moreau gerichtet war, dann auf Kanstadt, Münster sahen wir im Grunde liegen. Wir kamen durch Schmieden und fingen an das Lager zu übersehen. Der linke Flügel lehnt sich an Mühlhausen, als denn zieht es sich über Altingen bis gegen Hohberg. In Neckar Rems wurden wir vom Hauptmann Jakardowsky vom General Stabe gut aufgenommen, der uns erst früh das Lager überhaupt von dem Berge bey Hohberg zeigte, und gegen Abend an der ganzen Fronte bis gegen Mühlhausen hinführte. Wir nahmen den Weg nach Kornwestheim, da wir denn auf die Ludwigsburger Chaussee kamen und so nach der Stadt zurückfuhren. Abends bey Dannecker. Im Lager mögen etwa 25000 Mann stehen, das Hauptquartier des Erzherzogs wird in Hohberg seyn. Der Pfarrer in Neckar Rems heißt Zeller, der Oberamtmann von Kannstadt Seyfarth und ist ein Bruder des Professors in Göttingen.
4. 09. Stuttgart
Nachdem ich früh verschiedenes zu Papiere gebracht und einige Briefe besorgt hatte, ging ich mit Herrn Professor Dannecker spazieren und ich beredete hauptsächlich mit ihm meine Absichten, wie Isopi und Thouret auch für unsere weimarischen Verhältnisse zu nutzen seyn möchten. Zu Mittag speiste ich an der Table d'hote, wo sich ein junger Herr von Liven, der sich hier bey der russischen Gesandtschaft befindet, als ein Sohn eines alten akademischen Freundes mir zu erkennen gab. Hernach besuchte ich Herrn Beiling, dessen Frau sehr schön Klavier spielte, er ist ein sehr passionierter Liebhaber der Musik, besonders des Gesanges. Aus den brillanten Zeiten des Herzog Karls, wo Jomelli die Oper dirigierte, hat sich der Eindruck und die Liebe zur italienischen Musik bey ältern Personen hier noch lebhaft erhalten. Man sieht wie sehr sich etwas im Publiko erhält, das einmal solid gepflanzt ist. Leider dienen die Zeitumstände den Obern zu einer Art von Rechtfertigung, daß man die Künste, die mit wenigem hier zu erhalten und zu beleben wären, nach und nach, ganz sinken und verklingen läßt. Von da zur Frau Legationsrat Abel, wo ich die beyden schönen Bilder, die ich bey Herrn von Madeweiß gesehen, nochmals wiederfand. Außer diesen war noch eine fürtreffliche und wohlerhaltene Landschaft von Nikolaus Poussin und noch ein andrer Claude aus einer frühern Zeit, aber unendlich lieblich.
Nach einem Spaziergang auf die Weinbergshöhen, wo man Stuttgart in seinem Umfange, und seinen verschiednen Teilen liegen sahe, gingen wir ins Theater. Stuttgart hat eigentlich 3 Regionen und Charaktere; unten sieht es einer Landstadt, in der Mitte einer Handelsstadt, und oben einer Hof- und wohlhabenden Particulierstadt ähnlich.
04.09. Stuttgart
Man gab Ludwig den Springer. Mad. Spalding, eine gute Figur, aber kalt und steif. Pauli trocken und steif. Vinzenz, eine gute rundliche Jugendfigur, braves Theaterbetragen, eine volle deutliche tiefe Stimme, im ganzen ein wenig roh, wird aber immer zu zweyten Rollen ein brauchbares und auf dem Theater leidliches Subjekt bleiben. Gley. Nicht übel gewachsen aber, wie die meisten seiner Collegen, kalt und ohne eigentliche Energie, oder Anmut. Das Ballet, diesmal ein bloßes Divertissement, war aber ganz heiter und artig. Mad. Pauli, erst kurz verheiratet, eine sehr hübsche und anmutige Tänzerin. Die Stuttgarter sind überhaupt mit ihrem Theater nicht übel zufrieden, ob man gleich auch hier und da darauf schilt. Merkwürdig war mirs, daß das Publikum, wenn es beysammen ist, es mag seyn wie es will, durch sein Schweigen und Beyfall ein richtiges Gefühl verrät. Sowohl im heutigen Stücke als neulich im Karlos, wurden die Schauspieler fast nie, einigemal aber das Stück applaudiert; kaum aber trat die Tänzerin, mit ihren wirklich reizenden Bewegungen, auf, so war der Beyfall gleich da.
05. 09. Stuttgart
Früh im großen Theater. Ich sah daselbst verschiedene Dekorationen, welche sich noch von Colomba herschreiben. Sie müssen sich auf dem Theater sehr gut ausnehmen, denn es ist alles sehr faßlich und in großen Partien ausgeteilt und gemalt. Die Frankfurther Dekorationen haben aber doch darin den Vorzug, daß ihnen eine solidere Baukunst zum Grunde liegt und daß sie reicher sind, ohne überladen zu seyn, da hingegen die hiesigen in einem gewissen Sinne leer genannt werden können, ob sie gleich wegen der Größe des Theaters und wegen ihrer eignen Grandiosität sehr guten Effekt tun müssen. Prof. Heidlof besorgt gegenwärtig die Theatermahlerey. Maschine um das Parterre in die Höhe zu heben.
Bey Herrn Meyer, der verschiedene gute Gemälde hat. Er zeigte mir Blumen und Fruchtstücke von einem gewissen Wolfermann, der erst mit natur-historischen Arbeiten angefangen, sich aber darauf nach de Heem und Huysum gebildet und sowohl in Wasser- als Oelfarbe Früchte und Insekten außerordentlich gut macht. Da er arm ist und sich hier kaum erhält, so würde er leicht zu haben seyn und bey künftigen Dekorationen fürtrefflich dienen, die Früchte, Insekten, Gefäße und was sonst noch der Art Vorkäme zu malen und andern den rechten Weg zu zeigen. Auch könnte man ihn zu der neuen Marmormahlerey brauchen, wenn ihn Professor Thouret darin unterrichten wollte. Ich sah bey dem Hoftapezierer Stühle von Mahagoniholz gearbeitet, sie waren mit schwarzem gestrieften Seidenzeug überzogen, das Pekin satiné heißt und eine sehr gute Wirkung tut. Besonders artig nehmen sich daran hochrote seidne Litzen aus, mit denen die Kanten der Kissen bezeichnet sind. Nachmittags war ich bey Regierungsrat Frommann, der mir einige schöne eigne, so wie andere Leg. R. Abel gehörige Gemälde vorzeigte. Unter den letzten zeichnete sich besonders ein Faun aus, der eine am Baum gebundne Nymphe peitscht. Dieselbe Idee ist in den Scherzi d'amore von Carracci vorgestellt, und mag dieses Bild, das fürtrefflich gemahlt ist, wohl von Ludwig seyn. Auch dieser Liebhaber hat manches aus den französischen Auktionen für einen sehr billigen Preis erhalten. Abends bey Rapp. Vorlesung des Herrmann.
06.09. Stuttgart
Früh besuchte mich Herr Professor Thouret mit dem ich über die architektonischen Dekorationen sprach, Dazu kam Professor Heidlof, der leider sehr an den Augen leidet, ferner ein Oberlieutenant von Koudelka, von den Österreichern, ein wohlgebildeter junger Mann, ein großer Liebhaber der Musik. Darauf ging ich mit Thouret, sein Modell zum Ovalsaal in Stuttgart zu sehen, das im ganzen gut gedacht ist, nur wär die Frage: ob man den Übergang von den langen perpendikularen Banden, der mir zu arm scheint, nicht reicher und anmutiger machen könnte. Ich ging alsdann mit ihm, Scheffhauer und einem württembergischen Offizier, der ganz artig malt, das Schloß zu besehen, wo ich nichts nachahmungswertes fand, vielmehr unzählige Beyspiele dessen was man vermeiden soll.
Die Marmore, besonders aber die Alabaster (Kalkspate) des Landes nehmen sich sehr gut aus, sind aber nicht zur glücklichsten Dekoration verwendet. Übrigens sind die Zimmer, man möchte sagen, gemein vornehm; So z.B. auf einem gemein angestrichnen weißen Gipsgrunde viele vergoldete Architektur, so auch die Türen bey ihren schnörkelhaften Vergoldungen mit Leimfarbe angestrichen, die Guibalischen Plafonds nach der bekannten Art. Übrigens in den Wohnzimmern des jetzigen Herzogs eine halbe Figur, die auf Guercin hindeutet. Einige Landschaften aus Birmanns früherer Zeit, ein gutes Bild von Hetsch, die Mutter der Gracchen, im Gegensatz mit der eitlen Römerin, vorstellend. In den Wohnzimmern bleiben die Fußdecken das ganze Jahr liegen, nur daß sie von Zeit zu Zeit ausgestaubt werden. Darauf an die Table d'hote, alsdann mit Dannecker zu Rapp, wo ich das merkwürdige osteologische Präparat fand. Abends in die Komödie, wo die due Litiganti von Sarti gegeben wurden.
Aufführung der Due Litiganti.
Äußerst schwach und unbedeutend. Brand gar nichts. Mams. Bambus unangenehme Nullität. Mad. Kaufmann, kleine hagre Figur, steife Bewegung, angenehme, gebildete aber schwache Stimme. Dem. Färber nichts. Krebs angenehmer Tenor, ohne Ausdruck und Action. Reuter unbedeutend. Weberling, eine gewisse Art von drolligem Humor, den man leiden mag, aber auch weiter nichts. Ich habe mehrere, die das Theater öfters sehen, darüber sprechen hören, und da kommt es denn meist auf eine gewisse Toleranz hinaus, die aus der Notwendigkeit entspringt diese Leute zu sehen, da denn doch jeder in einer gewissen Rolle sich die Gunst des Publikums zu verschaffen weiß. Übrigens hat das Theater so eine seltsame Konstitution, daß eine Verbesserung desselben unmöglich wird.
7. 09. Tübingen.
Früh 5 1/2 von Stuttgart. Stieg nach Hohenheim. Weinbau fährt fort. Sandstein. Auf der Höhe schöne Allee von Obstbäumen. Weite Aussicht nach den Neckarbergen.
Fruchtbau. Auf und ab durch Fruchtbau und Wald in der Nähe. Echterdingen, ein wohlgebaut heiter Dorf. Pappelallee. Wald, Wiesen, Trift. Der Weg geht auf und ab, quer durch die Täler, welche das Wasser nach dem Neckar zu schicken. Über Waldenbuch, das im Tale liegt, eine schöne Aussicht, auf eine fruchtbare, doch hügliche und rauhere Gegend, mit mehrern Dörfern, Feldbau, Wiesen und Wald. Waldenbuch artig, zwischen Hügeln gelegner Ort, sehr gemischte Kultur, Wiesen, Feld, Weinberge, Wald. Ein herrschaftlich Schloß, Wohnung des Oberforstmeisters.Wir kamen um 8 1/2 an. Ähnliche Kultur bis Dettenhausen, doch rauher und ohne Weinberg. Weiber und Kinder brachen in Gesellschaften Flachs in der Gegend. Weiter hin wird es etwas flächer. Trift, einzelne Eichbäume. Schöne Ansicht der nunmehr nähern Neckarberge; Blick ins mannigfaltige Neckartal. Lustnau, gemischte Kultur, Wiese, Wald, Trift, Garten, Weinberg. Man sieht das Tübinger Schloß und Tübingen, eine anmutige Aue führt bis hinein. Bei Herrn Cotta eingekehrt, Bekanntschaft mit Herrn Apotheker Dr. Gmelin. Gegen Abend mit beiden ausspaziert die Gegend zu sehen. Erst das Ammertal, dann aus dem Garten des letzten auch zugleich das Neckartal. Ein Rücken eines Sandsteingebirges, das aber schön bebaut ist, trennt beide Täler, auf einem kleinen Einschnitt dieses Rückens liegt Tübingen wie auf einem Sattel und macht Face gegen beide Täler. Oberhalb liegt das Schloß, unterhalb ist der Berg durchgraben, um die Ammer auf die Mühlen und durch einen Teil der Stadt zu leiten, der größte Teil des Wassers ist zu diesem Behuf weit über der Stadt in einen Graben gefaßt. Das übrige Wasser im ordentlichen Bette, so wie die Gewitterwasser laufen noch eine weite Strecke, bis sie sich mit dem Neckar vereinigen. Die Existenz der Stadt gründet sich auf die Akademie und die großen Stiftungen, der Boden umher liefert den geringsten Teil ihrer Bedürfnisse. Die Stadt an sich selbst hat drei verschiedne Charaktere, der Abhang nach der Morgenseite, gegen den Neckar zu zeigt die großen Schul-, Kloster- und Seminariengebäude, die mittlere Stadt sieht einer alten zufällig zusammengebauten Gewerbstadt ähnlich, der Abhang gegen Abend, nach der Ammer zu, sowie der untere flache Teil der Stadt wird von Gärtnern und Feldleuten bewohnt, und ist äußerst schlecht und bloß notdürftig gebauet, und die Straßen sind von dem vielen Mist äußerst unsauber.
08. 09. Tübingen
Mittags lernte ich die Herrn Plouquet, die beyden Gmelin und Schott kennen. In dem Plouquetischen Garten, der auf der unter der Stadt wieder aufsteigenden Berghöhe liegt, ist die Aussicht sehr angenehm, man sieht in beyde Täler, indem man die Stadt vor sich hat. An der Gegenseite des Neckarthals zeigen sich die höhern Berge nach der Donau zu in einer ernsthaften Reihe.
09. 09. Tübingen
Früh diktiert. Zu Tische waren gegenwärtig: Kielmeyer, Professor. Zahn, Hr. Cottas Associe. Zahn, Pfarrer zu Schaffhausen, zwischen Stuttgart und Calw. Hasenmeyer, Bankier. Weber, Secretair.
Gegen Abend mit Herrn Cotta auf dem Schlosse, welches eine sehr schöne Aussicht hat. In den Zimmern finden sich sowohl an Decken als an Wänden und Fenstern artige Beyspiele der alten Verzierungsmanier, oder vielmehr jener Art die Teile des innern Ausbaus nach gewissen Bedürfnissen oder Begriffen zu bestimmen. Da man denn doch bey einem Baumeister manchmal solche Angaben fordert, so wird er hier verschiedne Studien, die mit Geschmack gebraucht, gute Wirkung tun würden, machen können. Abends die kleine Kantische Schrift gegen Schlosser, so wie den Gartenkalender und die wirtenbergische kleine Geographie durchgelesen und angesehen.
10.09. Tübingen
Früh mit Professor Kielmeyer, der mich besuchte, verschiednes über Anatomie und Physiologie organischer Naturen. Sein Programm zum Behuf seiner Vorlesungen wird ehestens gedruckt werden. Er trug mir verschiedene Gedanken vor, wie er die Gesetze der organischen Natur an allgemeine physische Gesetze anzuknüpfen geneigt ist, z.B. der Polarität, der wechselseitigen Stimmung und Correlation der Extreme, der Ausdehnungskraft expansibler Flüssigkeiten.
Er zeigte mir meisterhafte naturhistorische und anatomische Zeichnungen, die nur, des leichtern Verständnisses halber, in Briefe eingezeichnet waren, von George Cuvier, von Mümpelgard, der gegenwärtig Professor der comparierten Anatomie, am National Institut, in Paris ist. Wir sprachen verschiednes über seine Studien, Lebensweise und Arbeiten. Er scheint durch seine Gemütsart und seine Lage nicht der völligen Freyheit zu genießen, die einem Mann von seinen Talenten zu wünschen wäre. NB. Banks zoologische Bibliothek.
Über die Idee, daß die höhern organischen Naturen, in ihrer Entwicklung einige Stufen vorwärts machen, auf denen die andern hinter ihnen zurückbleiben. Über die wichtige Betrachtung der Häutung, der Anastomosen, des Systems der blinden Därme, der simultanen und sukzessiven Entwicklung.
11.09. Tübingen
Diktiert an verschiedenen Aufsätzen nach Weimar bestimmt. In der Kirche, Besichtigung der farbigen Fenster im Chor. Aufsatz darüber. Mittags Professor Schnurrer, nach Tische Visiten, bey den Herren die ich hier im Hause hatte kennen lernen, so wie bey Professor Meyer. Abends die Nachricht von der erklärten Fehde des Direktorium mit dem Rate der 500. Regnichter Tag.
12. 09. Tübingen
Früh Expedition nach Weimar. Machten mir Prof. Plouquet und Meyer den Besuch. Mittags Prof. Abel. Regnichter Tag. Nach Tische auf der Bibliothek, fand den Antonius de Dominis, sodann zu Prof. Schnurrer. Abends bei Prof. Meyer, wo gegenwärtig waren:
Herr u. Fr. Geh. Leg. R. Kaufmann, wegen des Erzherzogs hier
Hr. Kammerherr von der Lühe, wegen des Hofgerichts
Hr. von Reuschach. wegen des Hofgerichts
Hr. Oberlieutenant ...... blessirt.
War eine bestimmtere Nachricht von den Veränderungen in Paris vom 4ten Sept. angekommen.
13. 09. Tübingen
Früh die Souvenirs de Mon voyage a Paris von Meister hinausgelesen. Auszug aus dem Antonius de Dominis, dann mit Prof. Schnurrer im Seminario. Zu Mittag Hr. Zahn. Nach Tische kamen Hofrat Gmelin und Prof. Tafinger, auch Dr. Gmelin. Ich ging den Erzherzog ankommen zu sehen, der im Collegio Illustri abstieg. Graf Belle Garde war bey ihm. Mit Herrn Cotta nachher spazieren an dem Mühlbache im Ammertale hinauf, dann über die Weinbergshöhen und wieder zurück.
14. 09. Tübingen
Früh den Auszug des de Dominis geendigt. Ordnung gemacht. Zu Geheime Rat von Seckendorf. Prof. Kielmeyer traf ich nicht an. Mittag speiste Secret. Weber mit. Nach Tische kamen Prof. Maier und Gmelin. Sodann ging ich mit Herrn Cotta zu Prof. Storr, der uns sein Naturalienkabinet, welches im Institute steht, sehen ließ. Er hat durch den Ankauf des Pasquaytischen Kabinets in Frankfurt vor ohngefähr 16 Jahren eine große Acquisition gemacht und ist besonders an Madreporen, Milleporen, Muscheln und andern Seeprodukten reich. Auf seiner Schweizerreise hat er schöne Mineralien gesammelt und durch seine Connexionen in Norden, besonders mit Spengler in Kopenhagen, der auch Pasquay viel geschafft hatte, wichtig vermehrt. Das Mineralienkabinett steht in einem Türmchen des Gebäudes und nicht so gut als der übrige zoologische Teil.
15.09. Tübingen
Früh Absendung nach Weimar. Überlegung ob nicht die Lieder von der Müllerin zu einer Operette Anlaß geben könnten. Promenade ins Neckartal. Mittags Prof. Maier. Verschiednes über die Thüringischen, Kielischen, Würtenbergischen Verhältnisse. Nach Tische Spittlers Nebeninstruktion gelesen, dann auf den Turm die Gegend noch einmal zu übersehen. Gelegentlich durchzudenken und aufzusetzen.
1. Schema von einer vollständigen doch im Personal eingeschränkten Kunstakademie.
2. Schema von Kunst und Handwerk, bezüglich auf die innere Dekoration eines Schlosses.
3. Über das Darzustellende oder über die Gegenstände, welche die verschiednen Künste bearbeiten können und sollen.
4. Über die Behandlung der verschiednen Gegenstände durch die verschiednen Künste, je nachdem die Mittel und Zwecke dieser letzten verschieden sind.
5. Von der sinnlichen Stellung oder Zusammenstellung der Teile.
6. Von den verschiednen Darstellungen bezüglich auf ihren tiefern Gehalt und Wirkung.
Nackte Darstellungen.
Repräsentative.
Symbolische.
Allegorische.
Reise von Tübingen nach Stäfe
16. 09. Tuttlingen
Früh 4 Uhr aus Tübingen. Im Grunde der Steinlach, welche rechts blieb. Tulfingen im Grunde, auf den Höhen Feldbau. Durch ein Ende von Tulfingen geht die Chaussee, links Nehren, rechts Ofterdingen, in einiger Entfernung links höhere, mit Wald bewachsne Berge, mehr Wiese wachs. Links ein altes Schloß, Wiesen und Weide. Sobald man aus dem Württembergischen kommt schlechter Weg, links auf dem ganzen Wege hat man Berge, an deren Fuß sich ein Tal bildet, in welchem die Steinlach hinfließt. Hechingen zum Teil im Grunde, ein Teil der Stadt mit dem Schlosse auf der Anhöhe. Links weiter unten zwischen Wiesen und Feldern ein Kloster, hinter dem Zwischenraume Hohenzollern auf dem Berge, die Ansicht bey der Einfahrt in Hechingen sehr schön. Auf der Brücke seit langer Zeit der erste heilige Nepomuck, war aber auch wegen der schlechten Wege nötig. Ich kam um 7 1/2 Uhr an. Sehr schöne Kirche. Betrachtung über die Klarheit der Pfaffen in ihren eignen Angelegenheiten und die Dumpfheit, die sie verbreiten. Beynahe könnte mans von Philosophen umgekehrt sagen, die einzige richtige Wirkung des Verbreitungsgewerbes.
Von Hechingen hinaus schöne Garten und Baumstücke, schöne Pappelanlagen, abhängige Wiesen und freundliches Tal. Nach dem Schloß Hohenzollern zu schöne weite Aussicht. Die Berge links gehen immer fort so wie das Tal zu ihren Füßen. Wessingen. Auf der Chaussee, wie auch schon eine Weile vorher, sehr dichter inwendig blauer Kalkstein mit splittrig muschlichem Bruche, fast wie der Feuerstein. Steinhofen. Eine hübsche Kirche auf der Höhe. Hier und in einigen Dörfern vorher war bey den Dorfbrunnen eine Art von Herd eingerichtet, auf dem das Wasser zum Waschen auf der Stelle heiß gemacht wird. Der Feldbau ist überhaupt der einer rauheren Gegend, man sah noch viel Kartoffeln, Hanf, Wiesen und Triften. Engstlatt zwischen angenehmen Hügeln im Grunde, seitwärts Berge.
Bahlingen. Gleichfalls eine schöne Gegend, links in einiger Entfernung hohe waldige Berge, bis an deren steilern Fuß sich fruchtbare Hügel hinauf erstrecken. Angekommen um 10 Uhr. Der Ort liegt zwischen fruchtbaren, mehr oder weniger steilen, zum Teil mit Holz bewachsnen Hügeln und hat in einiger Entfernung gegen Süd-Ost hohe holzbewachsne Berge. Die Eyach fließt durch schöne Wiesen. Diese erst beschriebne Gegend sah ich auf einem Spaziergange hinter Bahlingen.
Hohenzollern ist rückwärts noch sichtbar. Die Eyach läuft über Kalkfelsen, unter denen große Bänke von Versteinerungen sind. Der Ort selbst wäre nicht übel, er ist fast nur eine lange und breite Straße, das Wasser läuft durch und stehen hin und wieder gute Brunnen, aber die Nachbarn haben ihre Misthaufen in der Mitte der Straße am Bach, in den alle Jauche läuft und woraus doch gewaschen und zu manchen Bedürfnissen unmittelbar geschöpft wird. An beyden Seiten an den Häusern bleibt ein notdürftiger Platz zum Fahren und Gehen. Beym Regenwetter muß es abscheulich seyn. Überdies legen die Leute, wegen Mangel an Raum hinter den Häusern, ihren Vorrat von Brennholz gleichfalls auf die Straße, und das Schlimmste ist, daß nach Beschaffenheit der Umstände fast durch keine Anstalt dem Übel zu helfen wäre.
Endingen. Man behält die Berge noch immer links. Erzingen. Feldbau. Dotternhausen. Bis dahin schöne schwarze Felder, scheinen aber feucht und quellig. Hinter dem Ort kommt man dem Berge näher. Schömberg. Starker Stieg, den vor einigen Jahren ein Postwagen hinunterrutschte. Der Ort ist schmutzig und voller Mist, er ist wie Balingen als Städtchen enge gebaut und in Mauern gezwengt und wird von Güterbesitzern bewohnt, die nun keine Höfe haben. Man findet auf der Höhe wieder eine ziemliche Fläche, wo Acker und Weide ist, man schaffte den Hafer hier erst hinein. Man kommt immer höher, es zeigen sich Fichten, große flache Weidplätze, dazwischen Feldbau. Man kommt an einen einzelnen Hof. Das Terrain fällt gegen Mittag, die Wasser fließen aber noch immer nach dem Neckar zu, es kommen mehr Fichtenwäldchen.
Wellendingen, wir hielten um 3 Uhr an. Muschelkalkbänke mit Versteinerungen, starker Stieg gegen Frittlingen. Boden und Kultur wird etwas besser, eine fruchtbare mehr oder weniger sanfte Tiefe. Links liegt Aldingen. Roter Ton, darunter Sandstein von dem weißen mit der Porzellanerde. Kultur auch der undankbarsten Felder, Bergrücken und ehemaligen Triften. Man kommt auf eine schöne Fläche und fühlt, daß man hoch ist. Man wendet sich durch Aldingen, es ist ein heitrer weitläufig gebauter Ort, links Gebürg-Höhen worauf ein Schlößchen liegt. Hofen, Spaichingen, Balgheim, man hat die höchste Höhe erreicht.
Rieden. Die Wasser fallen der Donau zu. Horningen. Man fährt durch ein enges Thal hinabwärts. Es ward Nacht. 8 1/2 in Tuttlingen.
17. 09. Schaffhausen
Von Tuttlingen um 7 Uhr. Der Nebel war sehr stark; ich ging noch vorher die Donau zu sehen. Sie scheint schon breit, weil sie durch ein großes Wehr gedämmt ist. Die Brücke ist von Holz und ohne bedeckt zu seyn mit Verstand auf die Dauer konstruiert, die Tragewerke liegen in den Lehnen und die Lehnen sind mit Brettern verschlagen und mit Schindeln gedeckt. Hinter Tuttlingen geht es gleich anhaltend bergauf. Kalkstein mit Versteinerungen. Gute und wohlfeile Art einer Lehne am Wege: viereckt längliche Löcher in starke Hölzer eingeschnitten, lange dünne Stämme getrennt und durchgeschoben; wo sich zwey einander mit dem obern und untern Ende berühren, werden sie verkeilt.
Der Nebel sank in das Donautal, das wie ein großer See, wie eine überschneite Fläche aussah, indem die Masse ganz horizontal und mit fast unmerklichen Erhöhungen niedersank. Oben war der Himmel völlig rein. Überhaupt muß man alle Württembergische Anstalten von Chausseen und Brücken durchaus loben.
Man steigt so hoch, daß man mit dem Rücken der sämtlichen Kalkgebürge, zwischen denen man bisher durchfuhr, beynah gleich zu seyn scheint. Die Donau kommt von Abend der geflossen, man sieht weit in ihr Tal hinauf, und wie es von beyden Seiten eingeschlossen ist, so begreift man, wie ihr Wasser weder südwärts nach dem Rhein, noch nordwärts nach dem Neckar fallen könne. Man sieht auch ganz hinten im Grunde des Donautals die Berge quer vor liegen, die sich an der rechten Seite des Rheins bey Freyburg hinziehen und den Fall der Wasser nach Abend gegen den Rhein zu verhindern.
Die neue Saat des Dinkels stand schon sehr schön; man säet hier früh, weil es auf den Höhen zeitig einwintert. Es tut sich die Aussicht auf, links nach dem Bodensee und nach den Bergen von Graubünden, vorwärts nach Hohentwiel, Thängen und dem Fürstenbergischen. Man hat das Donauthal nunmehr rechts und sieht jenseits desselben die Schlucht, durch die man herunter gekommen; man erkennt sie leicht an dem Schlößchen das über Aldingen liegt.
Die Straße wendet sich gegen Abend. Nachdem man lange kein Dorf gesehen, sieht man in einem breiten fruchtbaren Tal, dessen Wasser nach dem kleinern Bodensee zufallen, Hattingen liegen, einen Ort zu dem man sich denn auch südwärts wieder hinunter wendet. Die Ansicht ist sehr interessant und vorschweizerisch. Hinten charakteristische mit Wald bewachsne Berge, an deren sanftern Abhängen Fruchtbau sich zeigt; dann im Mittelgrunde lange über Hügel und Täler sich erstreckende Waldungen, zunächst wieder wohlgebautes Feld. Hier, so wie schon drüben über der Donau, viele abgerundete Geschiebe, aber alles Kalk wie die Felsen selbst. Man denkt sich, wie durch die ehemaligen Brandungen, Meerströme und Strudel die losgewordnen Teile der Gebürge an ihrem Fuße abgerundet worden.
Hinter Hattingen guter Boden, anfangs stark mit Steinen gemischt, nachher weniger und dann meist rein. Einiges schien Neubruch und war es auch, denn die Äcker bleiben 9 Jahre als Wiese liegen und werden dann wieder andere 9 Jahre benutzt. Einige Steinbrüche zum Behuf der Chaussee zeigen, daß der Kalkfels nicht tief unter der fruchtbaren Erde liegt. Man kommt durch gemischte Waldungen über Hügel und Täler, es geht einen starken Stieg hinunter und angenehme Waldtäler setzen fort.
Wir fanden eine Pflanze ...... bey der, außer ihrer Gestalt, merkwürdig ist, daß viele Insekten aller Art sich in ihren Samenkapseln nähren. Attig mit reifen Früchten zeigte sich auch. Ein Holzschlag, Kohlenmeiler. Gentianen. Das waldige Tal geht neben einem Wiesengrunde angenehm fort, Schneidemühlen, einiger Fruchtbau. Astrantia. Epilobium. Gentianen in ganzen Massen. Campaneln dazwischen. Antirrhinum. Frage, ob die Gentianen und andern Blumen nicht auch schon im Frühjahr geblüht haben.
Kleines ziemlich steiles ehemaliges Waldamphitheater, auf dem die Stöcke der abgehauenen Bäume noch stehen, zum Kartoffelfelde mühsam umgearbeitet. Das Tal verbreitert sich, und alle Leden sind wo möglich zum Feldbau umgearbeitet.
Man nähert sich Engen. Ein charakteristischer, obgleich ganz bewachsner Berg mit einem alten Schlosse zeigt sich rechts; ein kleiner Ort, der unmittelbar vor Engen liegt, ist den 8ten Oktober 1796 von den Franzosen zum Teil abgebrannt worden. Das Städtchen selbst liegt auf einem Hügel, gedachtem Berg gegenüber. Wir kamen um 11 Uhr an und rasteten.
Von Morgen her gesehen gibt Engen ein artig topographisches Bild, wie es unter dem bedeutenden Berge auf einem Hügel sich ins Tal verliert. Die Bürger des Orts taten auf dem Rückzuge in Verbindung mit den Kaiserlichen den Franzosen Abbruch; diese letztern, als sie doch die Oberhand behielten, verbrannten mehrere Häuser vor der Stadt und bedrohten die Stadt selbst mit einem gleichen Schicksal. Ich sah daselbst eine sehr gut gekleidete kaiserliche Garnison, in der Nähe ein starkes aufgefahrnes Proviantfuhrwesen und erbärmlich gekleidete Kranke.
Um 12 Uhr fuhren wir ab. Vor der Stadt erschien wieder Weinbau. Schon oben bey dem Städtchen hatte ich die ersten Geschiebe des Gesteins von Quarz und Hornblende gefunden. Nußbäume zeigen sich wieder, schöne Wiesen und Baumstücke. Links ein artig Dorf an einer Höhe hinter einer flachen Wiese. Es öffnet sich eine schöne fruchtbare Fläche im Tal, die höheren Felsen scheinen nunmehr eine andere Steinart zu seyn, um die sich der Kalkstein herumlegt. Viel weiße Rüben werden gebaut. Man kommt nach Welschingen, einem leidlichen Ort. Man steigt wieder stark bis gegen Weiterdingen. Es finden sich hier viel Geschiebe von farbigem Quarz mit weißen Adern, roter Jaspis, Hornblende in Quarz. Man übersieht nunmehr von Engen das schöne Tal rückwärts. In den fruchtbaren Feldern liegen weitläufige Dörfer, und jener steile Berg zeigt sich nun in seiner Würde an der linken Seite.
Vorwärts liegt Hohentwiel, hinten die Graubünder Berge im Dunste am Horizonte kaum bemerklich.
Man kommt durch Weiterdingen. Links ein sehr schönes Wiesenthal, über demselben Weinbau. Auf eben der Seite liegt Hohentwiel, man ist nunmehr mit dieser Festung in gleicher Linie und sieht die große Kette der Schweizer Gebürge vor sich. Hilzingen liegt in einem weiten Tale zwischen fruchtbaren Hügeln, Feldbau, Wiesewachs und Weinberg umher. Die Pässe wurden daselbst von einem österreichischen Wachmeister unterzeichnet, und der Amtschreiber stellte einen Kautionsschein aus, daß die Pferde wiederkommen würden. Man steigt lange und sieht immer das Tal von Hilzingen hinter und neben sich, so wie Hohentwiel.
Sie nennen hier zu Lande einen Hemmschuh nicht ungeschickt einen Schleiftrog.
Ebringen. Nun geht es weiter über verschiedne fruchtbare Hügel; die höhern Berge sind mit Wald und Büschen besetzt. Viel Weinbau am Fuße eines Kalkfelsens. Meist blaue Trauben, hingen sehr voll. Thayingen, der erste schweizerische Ort, guter Wein. Müller, Gastwirt zum Adler.
Herblingen, starker Weinbau. Fruchtfeld. Wald links. Kalkstein, mit einem muschlichen Bruche, fast feuersteinartig. Vor Schaffhausen alles umzäunt, die Besitzungen immer abgeteilt und gesichert, alles scheint Gartenrecht zu haben und hat es auch. Die Stadt selbst liegt in der Tiefe, ein schmaler angenehmer Wiesengrund zieht sich hinab, man fährt rechts und hat auf derselben Hand Gartenhäuser und Weinberge neben sich. Links ist der Abhang mehr oder weniger steil. Bey einem großen Hause, das unten steht, geht man durch eine Brücke zum Dach hinein. Höchst anmutige Abwechslung von großen und kleinen Gärten und Höfen. Man sieht das Schloß vor sich. Die Gartenhäuser vermehren sich und werden ansehnlicher. Nach der Stadt zu steigen die Weinberge weit hinauf, links wird der Abhang nach dem kleinen Thale zu sanfter.
17.09. Abends. Schaffhausen
Im Gasthof zur Krone gutes Zimmer. Kupfer, Geschichte der traurigen Epoche Ludwigs XVI. Betrachtung dabey weiter auszuführen.
An der Table d'hote Emigranten, Dame, Gräfin, Condéische Offiziere, Pfaffen, Oberst Landolt. Bemerkung eines gewissen stieren Blicks der Schweizer, besonders der Zürcher.
18. 09. Schaffhausen.
Um 6 1/2 Uhr ausgefahren. Grüne Wasserfarbe, Ursache derselben.
Nebel, der die Höhen einnahm. Die Tiefe war klar, man sah das Schloß Laufen halb im Nebel. Der Dampf des Rheinfalls, den man recht gut unterscheiden konnte, vermischte sich mit dem Nebel und stieg mit ihm auf.
Gedanke an Ossian. Liebe zum Nebel bei heftig innern Empfindungen.
Uwiesen, ein Dorf. Weinberge, unten Feld.
Oben klärte sich der Himmel langsam auf, die Nebel lagen noch auf den Höhen.
Laufen. Man steigt hinab und steht auf Kalkfelsen.
Teile der sinnlichen Erscheinung des Rheinfalls, vom hölzernen Vorbau gesehen. Felsen, in der Mitte stehende, von dem höhern Wasser ausgeschliffne, gegen die das Wasser herabschießt.
Ihr Widerstand; einer oben, und der andere unten, werden völlig überströmt. Schnelle Wellen. Locken Gischt im Sturz. Gischt unten im Kessel, siedende Strudel im Kessel. Der Vers legitimiert sich:
Es wallet und siedet und brauset und zischt pp.
Wenn die strömenden Stellen grün aussehen, so erscheint dernächste Gischt leise purpur gefärbt.
Unten strömen die Wellen schäumend ab, schlagen hüben und drüben ans Ufer, die Bewegung verklingt weiter hinab, und das Wasser zeigt im Fortfließen seine grüne Farbe wieder.
Erregte Ideen
Gewalt des Sturzes. Unerschöpfbarkeit als wie ein Unnachlassen der Kraft. Zerstörung, Bleiben, Dauern, Bewegung, unmittelbare Ruhe nach dem Fall.
Beschränkung durch Mühlen drüben, durch einen Vorbau hüben; ja es war möglich, die schönste Ansicht dieses herrlichen Natur-Phänomens wirklich zu verschließen. Umgebung. Weinberge, Feld, Wäldchen.
Bisher war Nebel, zu besonderm Glücke und Bemerkung des Details; die Sonne trat hervor und beleuchtete auf das Schönste schief von der Hinterseite das Ganze. Das Sonnenlicht teilte nun die Massen ab, bezeichnete alles Vor- und Zurückstehende, verkörperte die ungeheure Bewegung. Das Streben der Ströme gegeneinander schien gewaltsam zu werden, weil man ihre Richtung und Abteilungen deutlicher sah. Stark spritzende Massen aus der Tiefe zeichneten sich beleuchtet nun vordem feinem Dunst aus, ein halber Regenbogen erschien im Dunste.
Bei längerer Betrachtung scheint die Bewegung zuzunehmen. Das dauernde Ungeheuer muß uns immer wachsend erscheinen; das Vollkommne muß uns erst stimmen und uns nach und nach zu sich hinaufheben. So erscheinen uns schöne Personen immer schöner, verständige verständiger.
Das Meer gebietet dem Meer. Wenn man sich die Quellen des Ozeans dichten wollte, so müßte man sie so darstellen. Nach einiger Beruhigung verfolgt man den Strom in Gedanken bis zu seinem Ursprung und begleitet ihn wieder hinab. Beim Hinabsteigen nach dem flächern Ufer Gedanken an die neumodische Parksucht.
Der Natur nachzuhelfen, wenn man schöne Motive hat, ist in jeder Gegend lobenswürdig; aber wie bedenklich es sei, gewisse Imaginationen realisieren zu wollen, da die größten Phänomene der Natur selbst hinter der Idee Zurückbleiben. Ich fuhr über. Der Rheinfall von vorn, wo er faßlich ist, bleibt noch herrlich, man kann ihn auch schon schön nennen. Man sieht schon mehr den stufenweisen Fall und die Mannigfaltigkeit in seiner Breite; man kann die verschiednen Wirkungen vergleichen, vom Unbändigsten rechts bis zum nützlich Verwendeten links.
Über dem Sturz die schöne Felsenwand, an der man das Hergleiten des Stromes ahnden kann; rechts das Schloß Laufen. Ich stand so, daß das Schlößchen Wörth und der Damm, der von ausgeht, den linken Vordergrund machten. Auch auf dieser Seite sind Kalkfelsen, und wahrscheinlich sind auch die Felsen in der Mitte des Sturzes Kalk.
Schlößchen Wörth
Ich ging hinein, um ein Glas Wein zu trinken.
Alter Eindruck bei Erblickung des Mannes.
Ich sah Trippeis Bild an der Wand und fragte, ob er etwa zur Verwandschaft gehörte. Der Hausherr, der Geltzer heißt, war mit Trippel durch Mütter Geschwisterkind. Er hat das Schlößchen mit dem Lachsfang, Zoll, Weinberg, Holz u.s.w. von seinen Voreltern her im Besitz, doch als Schupf-Lehn, wie sie es heißen. Er muß nämlich dem Kloster oder dessen jetzigen Sukzessoren die Zolleinkünfte berechnen, 2/3 des gefangenen Lachses einliefern, auf die Waldung Aufsicht führen und daraus nur zu seiner Notdurft schlagen und nehmen; die Nutzung des Weinberges und der Felder gehört ihm zu, und er gibt jährlich überhaupt nur 30 Taler ab. Und so ist er eine Art von Lehenmann und zugleich Verwalter. Das Lehn heißt Schupf-Lehn deswegen, weil man ihn, wenn er seine Pflichten nicht erfüllt, aus dem Lehn heraus schieben oder schuppen kann. Er zeigte mir seinen Lehnbrief von Anno 62, der alle Bedingungen mit großer Einfalt und Klarheit enthält. Ein solches Lehn geht auf die Söhne über, wieder gegenwärtige Besitzer die altern Briefe auch noch aufbewahrt. Allein im Briefe selbst steht nichts davon, obwohl von einem Regreß an die Erben darin die Rede ist. Um 10 Uhr fuhr ich bei schönem Sonnenschein wieder hinüber. Der Rheinfall war noch immer seitwärts von hinten erleuchtet, schöne Licht und Schattenmassen zeigten sich sowohl von dem Laufenschen Felsen als von den Felsen der Mitte.
Ich trat wieder auf die Bühne an den Sturz heran, und ich fühlte, daß der vorige Eindruck schon verwischt war; es schien gewaltsamer als vorher zu stürmen. Wie schnell sich doch die Nerve wieder in ihren alten Zustand herstellt. Der Regenbogen erschien in seiner größten Schönheit; er stand mit seinem ruhigen Fuß in dem ungeheuern Gischt und Schaum, der, indem er ihn gewaltsam zu zerstören droht, ihn jeden Augenblick neu hervorbringen muß.
Beobachtungen und Betrachtungen
Sicherheit neben der entsetzlichen Gewalt.
Durch das Rücken der Sonne noch größere Massen von Licht und Schatten.
Da nun kein Nebel ist, scheint der Gischt gewaltiger, wenn er über den reinen Himmel und die reine Erde hinauffährt. Die Dunkle grüne Farbe des abströmenden Flusses ist auch auffallender.
Wir fuhren zurück
Wenn man nun den Fluß nach dem Falle hinabgleiten sieht, so ist er ruhig, seicht und unbedeutend. Alle Kräfte, die sich gelassen sukzessiv einer ungeheuern Wirkung nähern, sind ebenso anzusehen. Mir fielen die Kolonnen ein, wenn sie auf dem Marsche sind. Man sieht nun links über die bebaute Gegend und Weinhügel mit Dörfern und Höfen belebt und mit Häusern wie besäet. Ein wenig vorwärts Hohentwiel und, wenn ich nicht irre, die vorstehenden Felsen bei Engen und weiter herwärts. Rechts die hohen Gebürge der Schweiz in weiter Ferne hinter den mannigfaltigsten Mittelgründen. Auch bemerkt man hinterwärts gar wohl an der Gestalt der Berge den Weg, den der Rhein nimmt.
In dem Dorf Uwiesen fand ich in der Zimmerarbeit Nachahmung der Mauerarbeit. Was sollen wir zu dieser Erscheinung sagen, da das Gegenteil der Grund aller Schönheit unsrer Baukunst ist.
Auch sah ich wieder Mangold, nahm mir vor, Samen davon mitzunehmen und künftigen Sommer unsern Wieland zu traktieren.
Ich wurde abermals dran erinnert, wie das Sentimentale das Ideale auf einen einzelnen Fall anwendet und deswegen meistens schief ist.
Schaffhausen lag mit seiner Dächermasse links im Tale.
Schaffhäuser Brücke schön gezimmert, höchste Reinlichkeit. In der Mitte einige Sitze, hinter denen die Öffnungen mit Glasfenstern zugeschlossen sind, damit man nicht im Zuge sitze.
Unterm Tore des Wirtshauses fand ich ein paar Franzosen wieder, die ich auch am Rheinfall gesehen hatte. Der eine war wohl damit zufrieden, der andere aber sagte: C’est assez joli, mais pas si joli que l’on me l’avait dit. Ich möchte die Ideen des Mannes und seinen Maßstab kennen.
Bei Tische saß ich neben einem Manne, der aus Italien kam und ein Mädchen von ohngefähr 14 Jahren, eine Engländerin, Namens Dillon, deren Mutter, eine geborne D’Alston, in Padua gestorben war, nach England zurückführte. Er konnte von der Teurung in Italien nicht genug sagen. Ein Pfund Brot kostet 20 französische Sous und ein paar Tauben einen kleinen Taler.
Makaronische Uniform französischer edlen Kavalleristen. Fürchterliches Zeichen der drei schwarzen Lilien auf der weißen Binde am Arm.
eodem. Um 3 Uhr fuhr ich wieder nach dem Rheinfall. Mir fiel die Art wieder auf, an den Häusern Erker und Fensterchen zu haben. Sogar haben sie ein besonderes Geschick, solche Guckscharten durch die Mauern zu bohren und sich eine Aussicht, die niemand erwartet, zu verschaffen.
Wie nun dieses die Lust anzeigt, unbemerkt zu sehen und zu beobachten, so zeigen dagegen die vielen Bänke an den Häusern, welche an den vornehmem geschnitzt, aufgeschlagen und zugeschlossen sind, von einer zutraulichen Art nachbarlichen Zusammenseins, wenigstens voriger Zeit.
Viele Häuser haben bezeichnende Inschriften, auch wohl manche selbst ein Zeichen, ohne grade ein Wirtshaus zu sein. Ich fuhr am rechten Rheinufer hin; rechts sind schöne Weinberge und Gärten, der Fluß strömt über Felsbänke mit mehr oder weniger Rauschen.
Man fährt weiter hinauf. Schaffhausen liegt nun in der Tiefe; man sieht die Mühlen, die vor der Stadt den Fluß herabwärts liegen. Die Stadt selbst liegt wie eine Brücke zwischen Deutschland und der Schweiz. Sie ist wahrscheinlich durch die Hemmung der Schiffahrt durch den Rheinfall in dieser Gegend entstanden.
Ich habe in derselben nichts Geschmackvolles und nichts Abgeschmacktes bemerkt, weder an Häusern, Gärten, Menschen und Betragen.
Der Kalkstein, an dem man vorbeifährt, ist sehr klüftig, sowie auch der drüben bei Laufen. Das wunderbarste Phänomen beim Rheinfall ist mir daher die Felsen, welche sich in dessen Mitte so lange erhalten, da sie doch wahrscheinlich von derselben Gebirgsart sind.
Da sich der Fluß wendet, so kommen nun die Weinberge an das entgegengesetzte Ufer, und man fährt diesseits zwischen Wiesen und Baumstücken durch. Dann erscheinen drüben steile Felsen und hüben die schönste Kultur.
Bei der Abendsonne sah ich noch den Rheinfall von oben und hinten, die Mühlen rechts, unter mir das Schloß Laufen, im Angesicht eine große herrliche, aber faßliche, in allen Teilen interessante, aber begreifliche Naturszene: man sieht den Fluß anströmen und rauschen, und sieht wie er fällt.
Man geht durch die Mühlen durch in der kleinen Bucht. Bei den in der Höhe hervorstehenden mancherlei Gebäuden wird selbst der kleine Abfall eines Mühlwassers interessant, und die letzten diesseitigen Ströme des Rheinfalls schießen aus grünen Huschen hervor. Wir gingen weiter, um das Schlößchen Wörth herum. Der Sturz war zu seinem Vorteil und Nachteil von der Abendsonne grade beleuchtet; das Grün der tieferen Strömungen war lebhaft, wie heute früh, der Purpur aber des Schaumes und Staubes viel lebhafter.
Wir fuhren näher an ihn hinan; es ist ein herrlicher Anblick, aber man fühlt wohl, daß man keinen Kampf mit diesem Ungeheuer bestehen kann.
Wir bestiegen wieder das kleine Gerüst, und es war eben wieder als wenn man das Schauspiel zum erstenmal sähe. In dem ungeheuern Gewühle war das Farbenspiel herrlich. Von dem Großen überströmten Felsen schien sich der Regenbogen immerfort herabzuwälzen, indem er in dem Dunst des herunterstürzenden Schaumes entstand. Die untergehende Sonne färbt einen Teil der beweglichen Massen gelb, in tiefen Strömungen erschienen Grün, und aller Schaum und Dunst war licht purpur gefärbt; auf allen Tiefen und Höhen erwartete man die Entwicklung eines neuen Regenbogens. Herrlicher war das Farbenspiel in dem Augenblick der sinkenden Sonne, aber auch alle Bewegung schien schneller, wilder und sprühender zu werden. Leichte Windstöße kräuseln lebhafter die Säume des stürzenden Schaums, Dunst schien mit Dunst gewaltsamer zu kämpfen, und indem die ungeheure Erscheinung immer sich selbst gleich blieb, fürchtete der Zuschauer dem Übermaß zu unterliegen und erwartete als Mensch jeden Augenblick eine Katastrophe.
Im Zurückgehen legitimierte sich bei mir Denfeld, ein Schwede, durch einen Brief von Kosegarten. Er ist auf einer sogenannten genialischen Fußreise begriffen.
19.09. Zürich
Früh 6 1/2 Uhr aus Schafhausen. Berg und Täler klar, der Morgenhimmel leicht gewölkt, im Abend dichtere Wolken. Wir fuhren einen Teil des gestrigen Wegs. Der Baum und der Efeu Anlaß zur Elegie.
Man sah die ganze Bergreihe der Schweiz mit ihren Schneegebürgen: schönes Fruchtfeld, bewachsne Berge rechts und links. Jestetten mit fruchtbarer Umgebung. Hanf und Klee, Erdäpfel, Rüben, Bohnen, Möhren, Weinbau machten das Feld noch lebendig. Das frisch umgerißne Erdreich sah sehr sauber aus. Nußbäume. Nach verschiednen Hügeln und Tälern schöne fruchtbare Fläche gegen den Rhein zu, hinten mit herrlichen Vorbergen.
Rafz. Brot den Pferden, viel Hanf, zum ersten Mal seit langer Zeit Flachs.
Hinab nach Eglisau über die Brücke. Reinlichkeit und Zierlichkeit derselben. Ein paar Mädchen von 12 bis 14 Jahren faßen am Zoll in einem artigen Kabinette und nahmen das Wegegeld ein. Die jüngere nahm das Geld und überreichte den Zettel, indes die ältere Buch hielt. Schöne fruchtbare Fläche zwischen waldbewachsnen Bergen. Vorwärts Pläne, Eichenwald, gerade Straße hindurch.
Bülach um 11 Uhr. Glasfenster. Nichts neues, als das schon Bekannte. Das Ausschleifen auch bey andern Farben als der Purpur. Eine sehr lichte eigentliche Purpurfarbe, die ins Violettliche fällt. Ich habe nämlich ein Stück Glas zu Hause. Auf die farbige Scheibe hinten eine andere Farbe zur Mischung gebracht, als Gelb und Blau, wodurch ein Grün entsteht; besonders nimmt sich das Gelbe auf dem erst gedachten lichten Purpur sehr schön aus. Übrigens haben sie oft auf eine sehr wunderbare und unnötig scheinende Weise zusammengesetzt; doch findet man bey näherer Betrachtung die Ursache. Auch sind sie oft und schlimm genug repariert. Sie sind sämmtlich von 1570, aber an der starken Stellung der gerüsteten Männer, an der Gewalt der heraldischen Tiere, an den tüchtigen Körpern der Zierraten, an der Lebhaftigkeit der Farben sieht man den Kerngeist ihrer Zeiten, wie wacker jene Künstler waren, und wie derbständig und bürgerlich vornehm sie sich ihre Zeitgenossen und die Welt dachten. Eine Scheibe mit dem doppelten Wappen der Stadt Schafhausen, über dem der kaiserliche Adler in einem Schild steht, ist fürtrefflich gemacht, und an der Krone ist der herrlichen Zierraten kein Ende.
Von Bülach, wo es kühl und anmutig gewesen, um halb zwey ab.
Die Flachs- und Hanfbrechen sind hier wieder anders als in Schwaben und bey uns.
Betrachtung, daß der Mensch die Rede eigentlich für die höchste Handlung hält, so wie man vieles tun darf, was man nicht sagen soll. Die Gegend hat im Ganzen nichts sonderlich Charakteristisches: links fruchtbare Pläne, vorwärts die Gebirge. Der Boden ist fruchtbar und gut gearbeitet, war an verschiednen Orten sehr kiesig und mit unzähligen Geschieben übersäet. Kloten.
Gegen 6 Uhr nach Zürch bey sehr schönem Wetter. Brief an Herrn Meyer abgeschickt. Zu Frau Schultheß. Bey Hrn. Ott im Schwert eingekehrt. Abends bey der Table d'hote Herr Landvoigt Im-Thurn von Schafhausen, der vom Syndicate aus Lavis zurückkehrte, und einen andern Zürcher Herrn, der gleichfalls aus Italien kam. Beyde erzählten wenig Gutes von den gegenwärtigen Umständen daselbst.
20. 09. Zürich.
Ging ich bei schönem Wetter oberhalb der Stadt an den See. Auf dem Rückweg sah ich die Geistlichen von und zu dem Verbrecher hinüber- und herüberfahren. Dann brachte ich den Morgen unter den hohen Linden auf dem ehemaligen Burgplatze zu.
Wenn nach gehaltnem Blutgerichte die gewöhnliche 11 Uhr Glocke geläutet wird, so ist es ein Zeichen, daß der Verbrecher begnadigt ist: hät aber die Glocke inne so ist das Todesurteil gesprochen, und sie gibt um halb zwölfe das Zeichen zu seiner Hinausführung. Diesmal war er begnadigt. Es war ein falscher Münzer, der schon vorher wegen Diebstählen gebrandmarkt worden war.
Mittags bei Tische lernte ich Herrn Hauptmann Bürkli kennen. Das Wetter war sehr trüb, dem ohngeachtet ging ich nach Tische ein wenig über die neuen Anlagen nach dem Schonehof spazieren. Auf dem Rückweg begegnete ich den Kranich. Gegen 4 Uhr kam Herr Meyer; es fiel ein starker Regen. Abends bei Tische fand ich Herrn Hofrat Müller von Wien.
21. 09. Stäfa.
Fuhren wir gegen 8 Uhr ab. Der Tag war heiter. Wir kehrten bei Herrn Escher auf seinem Gute bei Herrliberg zu Mittage ein und kamen abends nach Stäfa.
22. 09. Stäfa.
Einen trüben Tag brachten wir mit Betrachtung der von Herrn Meyer verfertigten und angeschafften Kunstwerke zu, so wie wir auch einander verschiedne Ideen und Aufsätze mitteilten. Abends machten wir noch einen großen Spaziergang den Ort hinaufwärts.
23. 09. Stäfa
Früh Herrn Meyers mitgebrachte Arbeiten nochmals durchgesehen. Bekanntschaft mit Mahler Diogg und mit Bannerherr Zwicki von Glarus. Abends auf den Berg zu dem sogenannten Philosophen, die Anlagen seiner Cultivation zu sehen.
24. 09. Stäfa
Gespräch über die vorhabende rhetorische Reisebeschreibung. Wechselseitige Teilnahme. Über die Notwendigkeit, die Terminologie zuerst festzusetzen, wornach man Kunstwerke beschreiben und beurteilen will. Zu Mittag kamen Herr Horner und Escher der Sohn von Zürch. Abends fuhren wir auf die Uffenau und kamen mit einbrechender Nacht zurück.
25.09. Stäfa
Früh Briefe nach Hause.
28.09.
Um 8 Uhr von Stäfe, zu Schiffe. Glanz der Wolken über dem Ende des Sees, Sonnenblick auf Richtersschwyl und den nächsten Höhen. Nebel und Wolken über dem untern Teil nach Zürch zu. In der Mitte des Sees ist die Aussicht hinaufwärts sehr schön, man sieht Stäfe, Rappersschwyl, die Berge von Glarus, die übereinander greifenden Vorgebürge, hinter und zwischen denen der Wallenstädter See liegt, die Uffenau auf der Wasserfläche, dann den Teil des Ufers mit seinen Bergen zum Kanton Schwitz gehörig (der Buchberg) und so weiter herab bis Richtersschwyl. Dieser Ort liegt sehr artig, gleich hinter ihm steigen fruchtbare Höhen auf. Ehe man landet, sieht der obere Teil des Sees sehr weit und groß aus; Hintergrund und Seiten, wie sie schon beschrieben sind, machen sich sehr mannigfaltig. In 3/4 Stunden fuhren wir hinüber.
Der Ort ist hübsch gebauet, sehr große Wirtshäuser, ein neues mit Bädern. Eine freundliche Reede, die Schifffahrt ist lebhaft, die Produkte aus dem Canton Schwitz werden hierher geschafft und weitertransportiert, indem Schwitz selbst keinen Hafen hat und einen anzulegen von Zürch verhindert wird. Auch hat der Ort durch die Pilger, die nach Einsiedeln wallfahrten, viel Zugang. Diesen Sommer war eine große Anzahl durchgegangen, sehr viel aus Schwaben, wahrscheinlich wegen Gelübde in der Kriegsgefahr.
Wir gingen Richtersschwyl hinaus und fanden mehrere neue Häuser. Am Wege fanden wir die grauen und roten Platten und andere entschiedene Breccien zum Gebrauche hingeschafft. Die grauen Platten haben in ihren Abwechslungen viel Ähnlichkeit mit der Harzer grauen Wacke, indem sie bald porphyr, bald breccienartig erscheinen. Wir stiegen höher. Schöne Seeansicht; Feld- und Obstbau fährt fort, mehr Wiesen treten ein. Auf der Höhe, in einer flachen Vertiefung, die ehemals voll Wasser gestanden haben mag, guter Torf. Immerschöne reinliche Häuser zwischen den Besitzungen. Man sieht nun mittagwärts in ein hinteres, gleichfalls fruchtbares Tal. Hohe Nußbäume.
Windstürme, die an dieser Seite anschlagen und wieder gegen Stäfe zurückprallen. Wir verließen die gepflasterte Fahrstraße, der Fußpfad führt an einer Reihe von 10 Eichen vorbey, Triftplatz, herrliche Aussicht nach dem See und ringsum in die fruchtbaren Täler, in Süden ein hoher mit Wald bewachsner Berg.
Nun wird es schon etwas rauher, Trift, Binsen, Farnkraut, doch schöne Kirschbäume. Die graue Wacke scheint die Hügel zu bilden. Ausgestochne Torfflächen. Man sieht wie durch Binsen, Heide und dergleichen sie wieder nach und nach sich ausfüllen und anwachsen können. Der Weg, den man in der Mitte gelassen, zeigt von der Güte des ehemaligen Torfes. Wir fanden einen schönen Mandelstein als Stufe. Wiesen, Frucht- und Kartoffelbau. Man wechselt so mit Benutzung des Bodens um. Hüttner See, nicht groß, er hat gute Fische und Krebse, liegt rechter Hand. Steht man darüber, so sieht das Gebirge, das man überstiegen hat, wie eine Erdenge zwischen diesem und dem Zürcher See aus.
Um 10 1/2 kamen wir in Hütten an. Landrichter Bär, Medicus und Chirurgus.
Man sprach von der jährlichen Ausführung der Kühe nach Italien, man kann etwa 3000 rechnen, höchstens fünfjährige, das Stück von 10 zu 16 Louisd'or. Gegenwärtig fürchtet man ein Verbot, da in Italien eine Seuche sich zeigen soll. Es ward auch von der Weinausfuhre gesprochen, die gegenwärtig sehr stark nach Schwaben ist; es haben sich schon Käufer zu dem diesjährigen Wein am Stock gemeldet.
Um 2 Uhr ab.
Es war ein schöner Moment. Von der Höhe den Hüttner und Zürchsee, mit dem jenseitigen Ufer des letztern, zunächst die mannigfaltigen, mit Wäldern, Frucht-, Obstbau und Wiesen geschmückten Höhen und Täler zu sehen. Bis nach der Stadt zu war alles klar, so wie hinaufwärts gegen Stäfe, Rapperschwyl, bis in die Gebirge von Toggenburg.
Herr Pfarrer Beyel von Hütten begleitete uns. Als wir schöne Stechpalmen bemerkten, sagte er: daß er auf dem Berge rechts einen starken Stamm, wie ein Mannsschenkel, etwa 12 Fuß hoch, gefunden habe. Wir kamen an den Grenzstein zwischen Schwitz und Zürch. Man sagt, die Schwitzer haben den Aberglauben, wenn sie mit dem Stocke an die Seite des Zürcher Wappens schlagen, daß es der ganze Canton Zürch übel fühle. Man sieht rückwärts die ganze Reihe des Albis, so wie, nach den freyen Ämtern zu, die niedern Gebirgsreihen, an denen die Reus hinfließt; der Anblick ist jenen Gegenden sehr günstig.
Auf dem Weg scheint das Gebirg grobe Breccie zu seyn und die Kalkfelsen, die hie und da aus dem Grase heraussehen, herabgestürzt. Man sieht Utznach liegen, und die Aussicht nach dem obern Teil des Sees wird immer schöner. Rechts des Fußsteiges ist eine Art von natürlichem Wall, hinter dem die Sihl herfließt. Dem ersten Anblicke nach sollte es an einigen Stellen nicht große Mühe und Kosten erfordern, den Hügel mit einem Stollen zu durchfahren und so viel Wasser als man wollte, zu Wässerung und Werken, in die unterhalb liegende Gegend zu leiten, ein Unternehmen, das freylich in einem demokratischen Cantone und bey der Komplikation der Grundstücke, die es betreffen würde, nicht denkbar ist.
Man wendet sich nach Schindellegi hinein, die Aussicht verbirgt sich, man kommt über die Sihl, über eine hölzerne Brücke. Man kommt in ein wildes Tal, dessen Seiten mit Fichten bewachsen sind, der reißende steinige Sihlfluß bleibt links.
Die Felsen sind ein feinerer Sandstein, der in gröbere Breccie übergeht. Man ist gleich in einer andern Welt. Man erhebt sich rechts auf kahlen Triften über das Sihltal. Man kommt an einem Brunnen vorbey, der wegen seiner Frische berühmt ist. Triften, ferne Alpenhütten, auf ziemlich sanften Höhen. Man kommt auf die Chaussee, die von Wollerau heraufgeht, auf welcher die Waaren von Schwitz über Steinen und zum Thurn nach Richterschwyl gebracht werden; sie ist hier flach und gut. Man naht sich wieder der Sihl. Rechts über dem Wege zeigen sich Flußgeschiebe in großer Höhe, links fand sich ein schwarzes Quarzgestein, von der größten Festigkeit, mit Schwefelkies durchsetzt, in großen Wacken. Man verläßt die Straße und wendet sich links, Brücke über die Biber. Starker Stieg, die Gegend bleibt sich ähnlich. Um 5 Uhr sahen wir Einsiedeln, kamen gegen 6 Uhr an und logierten zum Pfauen gegen der Kirche über.
Freitag, den 29. 09 als am Michaels- Tage. Von Einsiedeln nach Schwyz
Wir besahen des Morgens die Kirche. Unsinnige Verzierung des Chors. Der Schatz wird nur zum Teil gezeigt, unter dem Vorwande, daß man, nach einem Diebstahle, die besten Sachen beiseite gebracht habe.
In der Bibliothek stehen schöne bunte Glasscheiben, in Rahmen, an den Fenstern herum.
Im Naturalienkabinett ist ein kleiner wilder Schweinskopf, und einige andere Teile des Tiers in Sandstein, bei Uznach gefunden, merkwürdig. Ingleichen schöne Adularien, ein Granat mit natürlichen Facetten von Mittelgröße.
In dem Kupferstichkabinett, unter der Bibliothek, hängen einige der besten Kupferstiche von Martin Schön.
Der Bibliothekarius führte uns nicht selbst herum; sein Klostername war Michael, und er hatte also das Recht, am Tage seines Patrons ein feierliches Hochamt zu lesen. Wir wohnten einem Teil desselben bei, nicht sehr erbaut von der Musik.
Um 11 Uhr von Einsiedeln ab. Ein Nebel überzog den Himmel und die Gipfel der Berge, nur ein wenig blauer Himmel sah durch. Da wir kein Kyanometer bei uns hatten, schätzten wir die Erscheinung nach Ultramarin, die gegenwärtige ward nur für die Ultramarinische gehalten. Wir gingen das Dorf und moorige Tal hinauf; ein Fußpfad von Kieseln ist streckenweise nicht übel, ja in der Nachbarschaft von Sägemühlen mit Sägespänen bestreut. Nonnenkloster rechts, sieht wie ein Gut aus, das Gebäude ist ohne Mauer. Wir erinnerten uns der Murate in Florenz. So gingen wir im Tale der Alp, am rechten Ufer derselben, auf einem leidlichen Fußwege hin, kamen über das Bette des Flusses. Sie bringt meist Kalk, wenig Sandstein, einige Stücke sehr fest und serpentinartigen Gesteines. Bet- und Bettelzölle. Empfundne Reisen. Schiefriger Quarz. Das Alptal erschien auch darum traurig, weil kein Vieh zu sehen war, das noch auf den höhern Alpen weidet. Schneidemühle mit schönem Bretter- und Kohlenvorrat. Eine Kirche und Wirtshaus scheinen sich daran kristallisiert zu haben. Diese kleine Gruppe von Gebäuden heißt selbst Alptal.
Nun steigt man rechts, auf einem steilen Weg in die Höhe, über Kalkfelstrümmern, Platten und Fichtenstämmen. Erster Gießbach, über demselben rauher Stieg. Schlucht nennen sie hier Tobel. Holz Verschwendung, alte, stehende, ganz kahle Stämme, knüppelstieg, rauhester Stieg. Ruheplatz beim Kapellchen. Böses Augurium, daß uns noch ein starker Stieg bevorstehe. Wir kamen nun wirklich in den Nebel. Wüste Schlucht und Gießbach, darneben einige Trift und leidlicher Pfad. Rötliches Ton-Gestein. Graues schiefriges Tongestein mit ganz feinen Pflanzeneindrücken. Wir hatten nun die Höhe des Schwyzer Hackens erstiegen, allein alle Aussicht war durch nahe und ferne Nebel gehindert. Sie zogen auf die seltsamste Weise in der Tiefe und an den Höhen hin; unten über dem Tale von Schwyz schwebte ein weißer wolkenartiger, ein graulicher ließ den gegenüberstehenden Berg halb durchsehen, ein anderer drang zu unserer linken Seite von den Mythen herunter und bedeckte sie völlig.
Wir kehrten in einem einzelnen Hause ein. Als wir nach der Weite des Weges fragten, sagte man uns, daß wir wohl anderthalb Stunden brauchen würden. Wir aber, fuhr der Mann fort, knebeln ihn wohl in einer Stunde hinunter. Wir hatten Ursache uns dieses Ausdrucks zu erinnern, denn der Stieg war abscheulich, über schlüpfrige feuchte Matten. Man kommt über eine Brücke und findet einen bedeckten Ruheplatz. Dann ist der Weg gepflastert, aber nicht unterhalten.
Wir traten nun wieder aus der Nebelregion heraus, sahen den Lowerzer See, die Berge, die ihn einschließen, den schönen Raum, in welchem die Häuser von Schwyz liegen, und das angenehme Tal nach Brunnen hin.
Die Berggipfel waren alle mit vielfachen Wolken und Nebeln bedeckt, so daß ihre Massen selten durchblickten und meist nur geahndet werden konnten. Ein seltsamer Schein in den Wolken und Nebeln zeigte den Untergang der Sonne an. Diese Hüllen lagen so gehäuft übereinander, daß man bei einbrechender Nacht nicht glaubte, daß es wieder Tag werden könne.
Sonnabend, den 30. 09. Altdorf.
Schwyz, schöner Anblick des völlig grünen, mit hohen zerstreuten Fruchtbäumen und weißen Häusern übersäten Landes, die steilen dunkeln Felsen dahinter, an denen die Wolken sinkend hinstrichen. Die Mythen und übrigen Berge waren klar, der Himmel blickte an verschiedenen Orten blau durch, einige Wolken waren von der Sonne erleuchtet. Man sieht einen Streif des Vierwaldstättersees, beschneite Gebürge jenseits; der Eingang ins Muotatal aus dem Tal von Schwyz erscheint links. Die Heiterkeit der Nebel war ein Vorbote der Sonne. Unaussprechliche Anmut, sobald nur einzelne Sonnenblicke hier- und dahin streifen. Kein Besitztum ist mit einer Mauer eingeschlossen, man übersieht alle Wiesen und Baumstücke. Die Nußbäume sind besonders mächtig.
Betrachtung über die Lage des ganzen Kantons, bezüglich auf politische Verhältnisse.
Sie rechnen hier nach Münzgulden, die Carolin zu dreizehn Gulden.
Um ein Viertel auf neun gingen wir bei heiterm Sonnenschein ab, herrlicher Rückblick auf die ernsten Mythen. Von unten lagen sie im leichten Nebel und Rauchdunste des Ortes, am Gipfel zogen leichte Wolken hin.
Erst gepflasterter Weg, dann ein schöner gleicher Fußpfad. Hölzerne Brücke über die Muota, flache große Weide mit Nußbäumen, rechts Kartoffel- und Kohlbau. Hübsche Mädchen mit der Mutter, auf den Knien Kartoffeln ausmachend. Granitblöcke in den Mauern. Schöne fortdauernde eingeschlossne Fläche, kleiner vorliegender Hügel schließt das Tal nach dem See zu, von beiden Seiten fruchtbarer Abhang nach der Muota zu. Kirche von Brunnen auf Kalk und schiefrigem Ton. Das Tal verbreitet sich rechts, die Wiesen sind wegen der Tiefe schon saurer. Wir sahen Kühe, zu ihrer Reise über den Gotthard, beschlagen. Bei einer Sägemühle ist ein schöner Rückblick
Wir kamen nach Brunnen und an den See in einem schönen Moment; wir schifften uns ein. Nackte Kalkflöze, die nach Mittag und nach Mitternacht einfallen und sich gleichsam über den Kern, auf dem sie ruhen, hinlegen. Die großen Flöze teilen sich wieder in kleinere, die sehr zerklüftet sind, so daß der Felsen an einigen Orten wie aufgemauert erscheint. Der Teil des Sees nach Stans zu verschwindet. Freiheits-Grütli. Grüne des Sees, steile Ufer, Kleinheit der Schiffe gegen die ungeheuern Felsmassen. Schwer mit Käse beladnes Schiff. Waldbewachsne Abhänge, wenige Matten, wolkenumhüllte Gipfel, Sonnenblicke, gestaltlose Großheit der Natur. Abermals nord- und südwärts fallende Flöze, gegen Grütli über. Links steile Felsen. Konfusion der Flöze hüben und drüben, die selbst in ihren Abweichungen
korrespondieren. Kleine Kirche, links Sisikon. Tal hineinwärts, erst gelinde ansteigende, dann steile Matten. Angenehmer Anblick der Nutzbarkeit zwischen dem Rauhsten. Die Seelinie macht das Ganze so ruhig. Schwanken der Bergbilder im See. Gegen Platten ist eine schöne Stelle, erst kahler Fels und Steinrutsche, dann anmutige, nicht allzusteile Matten mit schönen Bäumen und Büschen umgeben, Felsen bis auf ihre höchsten Gipfel bewachsen.
Es begegneten uns Schiffe, welche Vieh transportiert hatten; wir stiegen aus in Tells Kapelle. Wenn man die gegenüberstellenden Felsen, aus der Kapelle, gleichsam als ein geschlossnes Bild sieht, so geben sie gleich einen andern Anblick. Freitag nach
Himmelfahrt wird da gepredigt, die Zuhörer sitzen in Schiffen. Man fährt abermals an einer Felsenecke vorbei, und blickt nun ins Urseren Tal. Nach einem ungeheuern steilen Felsen folgen niedere Matten. Man sieht Flüelen, schönste Alpe herwärts von
demselben; hinterwärts sieht man ins flache Tal von steilen Gebirgen umgeben.
Wir gingen gegen Altdorf. Hinter Flüelen schöne Wiesen, rastende Kühe, Plattenweg, Kieselbrekzie mit Löchern, ingleichen eine feinere; man findet eine in die andere übergehend. Schwalbenversammlung auf den Weiden.
Altdorf. Wir logierten in dem Schwarzen Löwen.
Artige Türschlösser, die man von außen aufstößt und von innen aufzieht.
Kastagnetten-Rhythmus der Kinder mit Holzschuhen.
Der Ort selbst mit seinen Umgebungen erscheint im Gegensatz von Schwyz, er ist schon stadtmäßiger, und alle Gärten sind mit Mauern umgeben. Ein italienisches Wesen scheint durch, auch in der Bauart, so sind auch die untern Fenster vergittert; die starke Passage scheint solche Vorsicht notwendig zu machen. Hübsche Art das kurze Grummet in Netzen einzufassen.
Ton der großen Glocke der läutenden Kühe. Schellen der Maultiere.
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