> Gedichte und Zitate für alle: Goethe- Belagerung v. Mainz- 14. Juni 1793 (14)

2015-01-16

Goethe- Belagerung v. Mainz- 14. Juni 1793 (14)




Den 14. Juni. 

Eine kleine Schanze, welche die Franzosen unterhalb Weißenau errichtet hatten und besetzt hielten, stand der Eröffnung der Parallele im Weg; sie sollte nachts eingenommen werden, und mehrere davon unterrichtete Personen begaben sich auf diesseitigen Schanzen unseres rechten Flügels, von wo man die ganze Lage übersehen konnte. In der sehr finstern Nacht erwartete man nunmehr, da man die Stelle recht gut kannte, wohin unsere Truppen gesendet waren, Angriff und Widerstand sollten durch ein lebhaftes Feuer ein bedeutendes Schauspiel geben. Man harrte lang, man harrte vergebens; statt dessen gewahrte man aber eine weit lebhaftere Erscheinung. Alle Posten unserer Stellung mußten angegriffen sein, denn in dem ganzen Kreis derselben erblickte man ein lebhaftes Feuern, ohne daß man dessen Veranlassung irgend begreifen konnte; auf der Stelle aber, von der eigentlich die Rede sein sollte, blieb alles tot und stumm. 

Verdrießlich gingen wir nach Hause, besonders Herr Gore, als auf solche Feuer- und Nachtgefechte der Begierigste. Der folgende Tag gab uns die Auflösung dieses Rätsels. Die Franzosen hatten sich vorgenommen, in dieser Nacht alle unsere Posten anzugreifen, und deshalb ihre Truppen aus den Schanzen weg und zum Angriff zusammengezogen. Unsere Abgesendeten daher, die mit der größten Vorsicht an die Schanze herangingen, fanden weder Waffen noch Widerstand; sie erstiegen die Schanze und fanden sie leer, einen einzigen Kanonier ausgenommen, der sich über diesen Besuch höchlich verwunderte. Während des allgemeinen Feuerns, das nur sie nicht betraf, hatten sie gute Zeit, die Wälle zu zerstören und sich zurückzuziehen. Jener allgemeine Angriff hatte auch keine weitern Folgen; die alarmierten Linien beruhigten sich wieder mit dem Einbruch des Tags.


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