Von 6—9 Uhr war ich mit Line und Meyer bei ihm. Ich bracht bald die Lalla Roothschen Bilder (1) aufs Tapet, damit er sie Linen zeigte, und bei der Gelegenheit zu heitersten Scherzen und Gesprächen, besonders über die Peris.
Zuletzt holte er seine Divan-Manuskripte und las uns zwei herrliche Gedichte zur Ergänzung des Paradies es vor. (2) Eine Huri steht Wache an der Pforte des Himmels, will den Dichter nicht einlassen, weil sie ihn für verdächtig hält, und fordert Beweise für seine Glaubenskämpfe. Da antwortet er ihr: (3)
Mach’ nicht so viel Federlesen,
Laß mich zu der Pforte ein.
Denn ich bin ein Mensch gewesen,
und das heißt ein Kämpfer sein.
Dann zeigte er ihr die Wunden, die Schicksal und Leidenschaft seinem Herzen geschlagen, und wie er dennoch dabei froh, fromm und dankbar geblieben; sie läßt ihn ein und er zählt nun an ihren Rosenfingern die Ewigkeiten.Als Line weg war, kam Coudray und gab uns einen gedrängten Ab- und Umriß seines Berliner Lebens und der dortigen Regsamkeit in Kunst und Wissenschaft, Technik, Lebensannehmlichkeiten usw., so daß die Lust, solche Wunder auch zu sehen, lebhaft erwachte.
1. Die lebenden Bilder und die phant. Darstellung bei dem Festspiel Lolla-Roath auf dem Schloß in Berlin 27. Jan. 1821. Nach der Natur von Wilhelm Hensel 1823.
2. Goethes Einleitung zum west-östlichen Divan behauptet, das die Einschaltungen nur bis 1820 gemacht worden seien. Vergl. übrigens über die Erweiterungen des Divans das Gespräch vom 24. Sept.
3. Goethes Werke XIX: Nicht so vieles Federlesen !
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