Als ich heute mit Goethe über die zahmen Xenienin seinem neuesten Hefte ›Kunst und Alterthum‹ sprach, äußerte er: »Ich gebe gern von Zeit zu Zeit eine Partie solcher Reimsprüche aus; jeder kann nach eigener Lust eine Erfahrung, einen Lebenszustand hineinlegen oder daran knüpfen. Sie kommen mir oft in der wunderbarsten Anwendung wieder zurück und bilden sich lebendig immer weiter aus. Hat man doch auch aus der Bibel, aus Horaz und Virgil Denksprüche auf fast alle Ereignisse des Lebens!«Wir kamen auf die Paria's-Gedichte zu sprechen und auf den ewigen Hang der Menschen zu Unterscheidung der Kasten. »Jeder Mensch,« sagte er,»schlägt die Vortheile der Geburt blos deßwegen so hoch an, weil sie etwas Unbestreitbares sind. Alles was man erwirbt, leistet, durch Anstrengung verdient, bleibt dagegen ewig von der Verschiedenheit der Urtheile und Ansichten abhängig.
Eine Aussöhnung hierüber ist vergeblich, macht das Übel nur schlimmer, wie es z.B. die Bürger mit dem Luxus einer Hoftafel nicht versöhnt, wenn man einige aus ihrer Mitte zuweilen daran Theil nehmen läßt.«Das Gespräch wandte sich auf Napoleon und Goethes Gespräch mit ihm, zu dessen Niederschreibung ich ihn lebhaft antrieb. Er meinte, ich solle doch nur erst meine eigenen Memoires aus jener Zeit niederschreiben ,recht gegenständlich, ohne alle subjective Einmischung; das werde auch ihn dann zu Darstellungen aus jener Zeit aufregen.
Am anderen Morgen bekam ich ein Billet von ihm mit den Worten: Sie haben mir gestern ein Floh hinters Ohr gesetzt, der mich nicht schlafen ließ. Ich stand um 5 Uhr auf und entwarf eine Skizze jener Unterredung mit Napoleon. Zur Strafe aber, das Sie mich dazu verleitet, secretiere ich mein Produkt. (1)
1. Vergl. das Gespräch vom 9. Juli 1814
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen