K.v.Müller-Unterhaltungen m. Goethe: den 7. April (157)
Den, 7. April
Nur eine Stunde bei ihm, da um 6 Uhr Loge war. Färbers von Jena anfängliche Gegenwart gab zu der Äußerung Anlaß: Niemand weiß es genug zu schätzen, was man mit Leuten ausrichten kann, die an uns heraufgekommen sind, sich eine lange Jahresreihe hindurch an uns fortgebildet haben.
Nun fiel das Gespräch auf griechische Liebe und auf Johannes Müller. Er entwickelte, wie diese Verirrung eigentlich daher komme, daß nach rein ästhetischem Maßstab der Mann immerhin weit schöner, vorzüglicher, vollendeter wie die Frau sei. Ein solches einmal entstandenes Gefühl schwenke dann leicht ins Tierische, grob Materielle hinüber. Die Knabenliebe sei so alt wie die Menschheit, und man könne daher sagen, sie liege in der Natur, ob sie gleich gegen die Natur sei.
Was die Kultur der Natur abgewonnen habe, dürfe man nicht wieder fahren lassen, es um keinen Preis aufgeben. So sei auch der Begriff der Heiligkeit der Ehe eine solche Kulturerrungenschaft des Christentums und von unschätzbarem Wert, obgleich die Ehe eigentlich unnatürlich sei.
Sie wissen, fuhr er fort, wie ich das Christentum achte, oder Sie wissen es vielleicht auch nicht; wer ist denn noch heutzutage ein Christ, wie Christus ihn haben wollte? Ich allein vielleicht, ob ihr mich gleich für einen Heiden haltet. Genug, dergleichen Kulturbegriffe sind den Völkern nun einmal eingeimpft und laufen durch alle Jahrhunderte; überall hat man vor ungeregelten, ehelosen Liebesverhältnissen eine gewisse unbezwingliche Scheu, und das ist recht gut. Man sollte nicht so leicht mit Ehescheidungen vorschreiten.
Was liegt daran, ob einige Paare sich prügeln und das Leben verbittern, wenn nur der allgemeine Begriff der Heiligkeit der Ehe aufrecht bleibt. Jene würden doch auch andere Leiden zu empfinden haben, wenn sie diese los wären.
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