12. Mai
Frankfurt. Graf Christian Stolberg an seine Schwester Henriette Gräfin Bernstorf
Die beiden jungen Grafen Stolberg aus Kopenhagen, Jünger Klopstocks und Mitglieder des Göttinger " Hains ", trafen sich in Frankfurt mit dem schlesischen Freiherrn Kurt von Haugwitz mit dem sie nach der Schweiz weiterreisen wollten. Sie suchte sogleich den Dichter des " Götz und " Werther " auf, den sie als Bundesgenossen betrachteten. Goethe ließ sich rasch überreden, einen ihrer Reise teilzunehmen.
Goethe kam bald zu uns. Er war in wenigen Tagen mit Haugwitz intim geworden und ward es auch gleich mit uns. Er aß mit uns, und wir waren, als hätten wir uns jahrelang gekannt.
Er ist ein gar herrlicher Mann. Die Fülle der heißen Empfindung strömt aus jedem Wort, aus jeder Miene. Er ist bis zum Ungestüm lebhaft, aber auch aus dem Ungestüm blickt das zärtlich liebende Herz hervor. Wir sind immer beisammen und genießen zusammen alles Glück und Wohl, das die Freundschaft geben kann. Er kann sich nicht von uns trennen und will zu unserer größten Freude einen Teil der Reise mit uns machen. O möchte es doch die ganze sein!
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