24. November
Leipzig. Rink in seinem Tagebuch
Besuch bei Christian Felix Weiße
Beim ersten Anblick liebt man den Mann! Eine gute, sanfte Seele, sein Gesicht mit der Heiterkeit eines innerlich glücklichen, eines ganz rechtschaffenen Mannes erfüllet; Geistestalente und Güte des Herzens strahlet aus seinem frohen Lächlen.
Ich konnte mich nicht enthalten, beim ersten Anblick dieses lieben Mannes eine Vergleichung in meinen Gedanken zwischen ihm und Goethe anzustellen— zwei Männer, die in Schauspielen und andern Werken dem Publikum Produkte ihres Verstandes auftischten. Aber wie himmelweit unterschieden, so wie der erste Anblick eines jeden: wie Licht und Finsternis! Einer schreibt witzig, aber ohne Herz; will er gut schreiben, so ist’s gezwungen; ihm fließt nur Spott über Religion und Tugend leicht. Der andere, nicht weniger mit Witz und Geisteskraft begabt, und dies veredelt mit dem besten Herzen. Die Früchte zeugen von dem Baum, das Wasser von der Quelle. Genießt, trinkt hier, Kinder und Erwachsene!
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen