25. Februar
Weimar. Schiller an Karoline von Beulwitz
Antwort auf einen Brief der uns nicht erhalten ist.
Was Sie von Goethen schreiben, mag allerdings wahr sein— aber was folgt daraus? Wenn ich auf einer wüsten Insel oder auf dem Schiff mit ihm allein wäre, so würde ich allerdings weder Zeit noch Mühe scheuen, diesen verworrenen Knäuel seines Charakters aufzulösen. Aber da ich nicht an dieses einzige Wesen gebunden bin, da jeder in der Welt, wie Hamlet sagt, seine Geschäfte hat, so habe ich auch die meinigen; und man hat wahrlich zu wenig bares Leben, um Zeit und Mühe daran zu wenden, Menschen zu entziffern, die schwer zu entziffern sind. Ist er ein so ganz liebenswürdiges Wesen, so werde ich das einmal in jener Welt erfahren, wo wir alle Engel sind.
Im Ernst, ich habe zuviel Trägheit und zuviel Stolz, einem Menschen abzuwarten, bis er sich mir entwickelt hat. Es ist eine Sprache, die alle Menschen verstehen; diese ist: gebrauche deine Kräfte! Wenn jeder mit seiner ganzen Kraft wirkt, so kann er dem ändern nicht verborgen bleiben. Dies ist mein Plan. Wenn einmal meine Lage so ist, daß ich alle meine Kräfte wirken lassen kann, so wird er und andre mich kennen, wie ich seinen Geist jetzt kenne.
Aber dieses lassen Sie mich Ihnen einmal für allemal sagen: Erwarten Sie nicht zuviel Herzliches und Ergießendes von Menschen, die von allem, was sich ihnen nähert, in Bewunderung und Anbetung gewiegt werden! Es ist nichts zerbrechlicher im Menschen als seine Bescheidenheit und sein Wohlwollen; wenn so viele Hände an dieses zerbrechliche zarte Ding tappen, was Wunder, wenn es zuschanden geht? Wenn mich je das Unglück oder Glück träfe, sehr berühmt zu werden ... so seien Sie mit Ihrer Freundschaft gegen mich vorsichtiger! Lesen Sie alsdann meine Schriften und lassen den Menschen übrigens laufen!
Es ist ebenso mit Herdern, und wenn Wieland nicht eine so reichliche Fülle von Schwachheiten hätte, die einen zum Lächeln bringen und über seine Vorzüge trösten, so würde auch mit ihm nicht auszukommen sein.
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