13. Februar
Weimar. Karoline Herder an ihren Mann
Mit Goethe habe ich mich am Montage über die Lenore im „Pater Brey“ ausgesprochen. Ich frug ihn, ob ich diese Person so ganz gewesen wäre. „Beileibe nicht!“ sagte er, ich solle nicht so deuten. Der Dichter nehme nur soviel von einem Individuum, als notwendig sei, seinem Gegenstand Leben und Wahrheit zu geben; das übrige hole er ja aus sich selbst, aus dem Eindruck der lebenden Welt. Und da sprach er gar viel Schönes und Wahres darüber. Auch daß wir den „Tasso“, der viel Deutendes über seine eigne Person hätte, nicht deuten dürfen; sonst wäre das ganze Stück verschoben usw. Kurz, ich war völlig befriedigt, da ich mir ihn so ganz als Dichter denke. Er nimmt und verarbeitet in sich aus dem All der Natur, wie es Moritz nennt, in das ich auch gehöre, und alle andre Verhältnisse sind dem Dichter untergeordnet. Das sehe ich jetzt deutlich, und ich sehe ihn täglich mehr in seinem eigentlichen Licht. Er ist eben ein glücklich Begünstigter von der Natur.
Er hat eine unvergleichliche Abhandlung in den „Merkur“ gesetzt, die ich durch Gottfried abschreiben lasse. Sie kommt mir so gerade recht hinter Moritzens Abhandlung. Sie ist mir gar ein schöner Maßstab und berichtigt und erhellt mir mein Gefühl so, wie mir Moritzens Abhandlung einen Totalbegriff für die Kunst gegeben hat.
Moritz: "Über die bildende Nachahmung des Schönen" 1788 in Braunschweig erschienen,- Goethes Abhandlung im Februarheft des "Merkurs" : "Einfache Nachahmung der Natur, Manier, Stil."
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