> Gedichte und Zitate für alle: W. Bode: Goethe in vertraulichen Briefen... Im November 1794 Hölderlin an Neuffer (619)

2015-12-23

W. Bode: Goethe in vertraulichen Briefen... Im November 1794 Hölderlin an Neuffer (619)



Im November


Jena. Hölderlin an Neuffer

Zwei Schwaben im 24 Jahr. Hölderlin war 1793-95 Hauslehrer bei den Kindern von Heinrich und Charlotte von Kalb.

Auch bei Schiller war ich schon einige Male, das erstemal eben nicht mit Glück. Ich trat hinein, wurde freundlich begrüßt und bemerkte kaum im Hintergründe einen Fremden, bei dem keine Miene, auch nachher lange kein Laut etwas Besonders ahnden ließ. Schiller nannte mich ihm, nannt ihn auch mir, aber ich verstand seinen Namen nicht. Kalt, fast ohne einen Blick auf ihn, begrüßt ich ihn und war einzig im Innern und Äußern mit Schillern beschäftigt. 

Der Fremde sprach lange kein Wort. Schiller brachte die „Thalia“, wo ein Fragment von meinem „Hyperion“ und mein Gedicht „An das Schicksal“ gedruckt ist, und gab es mir. Da Schiller sich einen Augenblick darauf entfernte, nahm der Fremde das Journal vom Tische, wo ich stand, blätterte neben mir in dem Fragmente und sprach kein Wort. Ich fühlt es, daß ich über und über rot wurde. Hätt ich gewußt, was ich jetzt weiß, ich wäre leichenblaß geworden.

Er wandte sich drauf zu mir, erkundigte sich nach der Frau von Kalb, nach der Gegend und den Nachbarn unseres Dorfs, und ich beantwortete das alles so einsilbig, als ich vielleicht selten gewohnt bin. Aber ich hatte einmal meine Unglücksstunde. 

Schiller kam wieder, wir sprachen über das Theater in Weimar, der Fremde ließ ein paar Worte fallen, die gewichtig genug waren, um mich etwas ahnden zu lassen. Aber ich ahndete nichts. Der Maler Meyer aus Weimar kam auch noch. Der Fremde unterhielt sich über manches mit Ihm. Aber ich ahndete nichts. 

Ich ging und erfuhr an demselben Tage ..., daß Goethe diesen Mittag bei Schiller gewesen sei!

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