> Gedichte und Zitate für alle: W. Bode: Goethe in vertraulichen Briefen... 31.05.1793 Lavater in seinem Tagebuch (585)

2015-12-16

W. Bode: Goethe in vertraulichen Briefen... 31.05.1793 Lavater in seinem Tagebuch (585)



31. Mai

Jena. Lavater in seinem Tagebuch

Wir kamen von Goethe zu sprechen. Reinhold meinte wie ich: er wäre seit Shakespeare unter allen durch Werke darstellenden Künstlern der größeste. Schade, daß der Große, Einzige sich selbst seiner Kunst aufzuopfern scheint! 

Es gibt Menschen — ich vermesse mich nicht, dies von Goethe zu sagen, den ich als eins der größten Produkte der Natur bewundere —, es gibt Menschen, die nur für das, was sich darstellen läßt, Interesse haben; die nur das Größte nur insofern zu frappieren scheint, als es darstellbar, dramatisch ist. Es gibt wieder andere — bisweilen, doch nicht immer, dieselben —, die das darstellbare Große nur so lange interessiert, als sie sich mit Darstellung desselben beschäftigen, und die nachher gegen das, was während der Bearbeitung sie so sehr in Bewegung und alle ihre Geisteskräfte in Kontribution setzte, all ihr Interesse in Anspruch nahm, ganz gleichgültig, einige, die ganz abgeneigt dagegen werden. Erschöpfung an einem bringt gewöhnlich einen schwerlich wieder besiegbaren Ekel dagegen hervor. Wer viel Genie hat, oder vielmehr, wer selbst Genie ist, hält sich selten immer an einem.

Von Schillern ward ungefähr folgendes gesprochen: Als Künstler mag Goethe vielleicht mehr Übung, Kenntnis und Kultur haben — an Talenten mag er ihm gleichkommen. Unter allen Dichtern scheint er der Erste und Größte in der Darstellung der Moralität und Immoralität zu sein. Reinhold glaubt, die sittliche Gute und Größe habe seines Wissens noch keiner so glücklich zu individualisieren verstanden als er.

Mitte Juni erschien ohne Goethes Namen bei Unger das Lustspiel ,Der Bürgergeneral'.

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