> Gedichte und Zitate für alle: Briefwechsel J.W.v.Goethe und C.F.Zelter: An Zelter 10.03.1803 (20)

2016-04-28

Briefwechsel J.W.v.Goethe und C.F.Zelter: An Zelter 10.03.1803 (20)



20. An Zelter 10.03.1803

Ich begreife recht wohl, daß eine Entschließung dazu gehört, seinen Kreis zu verlassen und in dieser Jahrszeit auswärtige Freunde aufzusuchen. Diesmal aber hat mich Ihr absagender Brief in gar vielfachem Sinne betrübt. Außer dem, was wir für das Allgemeine und Höhere der Kunst durch Kommunikation würden gewonnen haben, bin ich noch in dem besondern Fall, daß ich diesen Winter mit der Organisation der Oper und des Orchesters mehr für die Zukunft als für den Augenblick beschäftigt bin, wobei ich Ihren Beistand mir als ganz unentbehrlich gedacht habe.

Die Wichtigkeit des alten sprichwörtlichen Rates: Gehe vor die rechte Schmiede! ist mir früh einleuchtend gewesen; aber was hilft die Einsicht, wenn die Schmiede so weit liegt, daß man mit seinem Geschirr sie nicht erreichen kann? Ich darf daher die Hoffnung, Sie zu sehen, nicht aufgeben und tue deswegen einen Vorschlag, den Sie freundlich aufnehmen werden.

Wäre es möglich, daß Sie mehr oder weniger Zeit fänden, einen Ausflug zu uns zu unternehmen, so würde ich in meiner gegenwärtigen Lage und in Rücksicht des großen Vorteils, den ich für die Anstalten, die mir am Herzen liegen, durch Sie erwarte, mich verpflichtet fühlen, Ihnen wenigstens die Kosten der Hin- und Herreise zu erstatten und für Ihren hiesigen Aufenthalt zu sorgen. Wollten Sie alsdann die Beschwerlichkeit der Reise und die Verwendung Ihrer kostbaren Zeit gegen das Vergnügen aufrechnen, das Sie allenfalls bei uns genießen möchten, so blieben wir doch nicht in so hohem Grad Ihre Schuldner, und es ließe sich vielleicht eine Leitung treffen, daß wir uns, wo nicht mit Ihrem großen Vorteil, doch wenigstens ohne Ihren ökonomischen Nachteil auch künftig öfters sehen könnten.

Bedenken Sie das und sagen mir Ihre Gedanken über diesen Vorschlag, auf den ich um so eher eine günstige Antwort hoffe, als Sie wegen Zeit keineswegs geniert sind und binnen hier und Pfingsten Ihre Ankunft uns jeden Tag willkommen sein würde.
Noch steht Ihr Zimmer ruhig und bereit, Sie zu empfangen.

Alle Freunde gedenken Ihrer mit Enthusiasmus, welcher durch die gestern erst wieder aufgeführten neuen Kompositionen des »Reiterliedes« und der »Zwerge« aufs neue angefacht worden. Schiller dankt sehr lebhaft.

Es ist ein neuer Tenor bei uns angelangt, der eine sehr schöne Stimme hat, aber in jedem Sinne Noviz ist. Was würde ihm und uns ein Wink sein, auf welche Weise er sich weiterzubilden hätte! Ich nenne nur dieses einzige Glied aus der Kette der Verbindlichkeiten, die wir Ihnen schuldig zu werden wünschten.

Daß die Verbesserung unsers Theaters und besonders der Musik, in Rücksicht der Vermählung unsers Erbprinzen und der in dem letzten Viertel des gegenwärtigen Jahres notwendigen Feste und so weiter, ein ernsthaftes Geschäft sei, brauche ich nicht zu sagen, so wie ich meine getane Vorschläge und Bitten nicht wiederhole.

Die verlangte sehr liebenswürdige Komposition liegt bei. 

Wenn Sie die von Herder ehemals herausgegebenen »Volkslieder« durchlaufen sowie seine »Zerstreuten Blätter«, finden Sie gewiss manches, was Sie anspricht. Ich wünsche sehr, daß in meinen kleinen Konzerten jeder Freund sich über sich selbst verwundere, wenn er seine Arbeiten durch ihr Organ wieder vernimmt.

Sagen Sie mir doch ein gründliches Wort, wie Sie Madame Mara gefunden.

Leben Sie recht wohl und lassen mir bald ein erfreuliches Wort hören.

Weimar, den 10. März 1803. Goethe.

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