11. An Goethe 16.09.1802
Ihr willkommenes Schreiben vom 31. August fand mich im Kampfe mit einem empfindlichen Zahngeschwür, das von einem heftigen Flußfieber begleitet war und mich fünf Tage lang im Bette erhalten hat. Da ich mich zu früh an die freie Luft gewagt hatte, so habe ich auch dafür so büßen müssen, daß ich Ihnen nur erst jetzt die verlangte Nachrichten mitteilen kann.
Der junge Steffany ist vollkommen gesund und vorigen Sonntag bei mir gewesen. Von Herrn Richter habe ich beruhigende Nachrichten über ihn; er arbeitet jetzt anhaltender als jemals, und man findet, daß ihm seine Arbeit von der Hand geht. Mit seiner Aufführung ist man überall zufrieden, und soviel ich weiß, ist sein Umgang mit Leuten, von denen er allenfalls lernen kann. Etwa zweimal in der Woche kömmt er zu meinem Sohne, mit dem er sich verbrüdert hat. Mit diesem will er in den folgenden Wintermonaten gemeinschaftlich zeichnen und im Frühling mit ihm die Reise über Dresden und Frankfurt am Main nach Paris machen.
Was nun die Collegia bei der hiesigen Bauakademie betrifft, so muß ich leider sagen, daß das Arrangement dabei von der Art zu sein scheint, für vieles Geld so wenig als möglich zu lernen, und deswegen habe ich meinen Sohn bis jetzt auf ganz notwendige Privatcollegia beschränken müssen, um nachher das Beste da zu lernen, wo es die Besten gelernt haben. Für den Steffany ließe sich vielleicht durch Herren Gentz etwas tun, welcher letztere Professor bei dieser Anstalt ist; auch hat mir Steffany gesagt, daß sein Vater sich an Herrn Professor Gentz deswegen wenden werde. Über die Wahl der Collegia habe ich soviel mit Steffany abgeredet, daß unter den vielen ihm vor der Hand die Geometrie nebst Trigonometrie, Statik und Zivilarchitektur, insofern letztere die Konstruktion der Gebäude betrifft, die notwendigsten sein möchten. Denn diese sind es, auf deren Grund sich ein tätiger Jüngling fast gänzlich selbst fortbewegen kann und welche zugleich nirgends besser möchten gelehrt werden als hier in Berlin. Etwas Näheres über die Preise der Collegia denke ich Ihnen in meinem Nächsten mitzuteilen, weil ich es bis jetzt noch nicht mit Sicherheit habe erfahren können.
Auf die Erscheinung Ihres Vorspiels freue ich mich sehr und wiederhole meine Bitte um die Übersendung der Romanze, von welcher Sie mir fünf Strophen vorgelesen haben. Für den künftigen Winter habe ich in Absicht einer kleinen Reise noch nichts beschließen können, indem beinahe mein ganzes Haus den Sommer über krank gewesen ist. Wie gern ich in Ihrer Nähe bin, weiß Gott; so warm als in Weimar hat mir nirgends eine Sonne geschienen. Für den »Herkules« bin ich Ihnen aufs höchste verbunden; er hat mir Ihre Zuneigung besiegelt, die ich zu schätzen weiß. Berlin, den 16. September 1802.
Zelter.
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