> Gedichte und Zitate für alle: Briefwechsel J.W.v.Goethe und C.F.Zelter: An Zelter 16.12.1804 (55)

2016-05-06

Briefwechsel J.W.v.Goethe und C.F.Zelter: An Zelter 16.12.1804 (55)



55. An Zelter 16.12.1804

Sie erhalten den verlangten Brief, den ich mir gelegentlich wiedererbitte. Ich glaube wohl, daß Judas Ischarioth in Berlin wenig Glück gemacht hat. Man muß ein Sonntagskind sein, wenn man das Verdienst eines solchen Gegenstandes gewahrwerden will. Dagegen findet sich in dem Verzeichnis der Berliner Ausstellung manche Seite, ja manches Blatt, worauf geschrieben stehet, was auf dem Gemälde nicht zu sehen ist und nicht zu sehen sein kann.

Daß ich nicht an Ihren Vorlesungen teilzunehmen imstande bin, tut mir sehr leid. Zwar ist es meiner Natur gemäß, an einem kleinen Orte zu leben; aber das Schlimmste ist, daß man da fast nichts zu genießen hat, als was man sich selbst auftischt, da man an großen Orten oft und bequem zu Gaste gehn kann.

Bei Gelegenheit des Zu-Gaste-Gehens fällt mir ein irdisch Bedürfnis ein, daß Sie recht gut befriedigen können. Schicken Sie mir doch mit dem Postwagen einen halben Scheffel echte märkische Rübchen, nur lassen Sie solche gut emballieren, damit sie nicht gleich von der Kälte leiden. Dagegen sende ich nächstens wieder einige griechische Früchte, die den großen Vorzug haben, daß sie Leib und Seele zugleich erquicken. Tausend Lebewohl!

Weimar, den 16. Dezember 1804. J. W. v. Goethe.

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