> Gedichte und Zitate für alle: Gedichte von S. George: Friedensabend (22)

2016-04-12

Gedichte von S. George: Friedensabend (22)



   Friedensabend

Vom langen dulden sengend heisser stiche
Erholen sich die bleichen länderstriche

Und wolken schwarz und schwefelgelb belasten
Die kahlen mauern und die starren masten.

Die gärten atmen schwer von duft beladen ·
Die schatten wachsen fester in den pfaden.

Die zarten stimmen schlummern und verstummen ·
Die hohen mildern sich in sanftes summen.

Wie schemen locken nur die festgepränge
Die wilden schlachten lauten untergänge.

Im dichten dunste dringt nur dumpf und selten
Ein ton herauf aus unterworfnen welten.

Unterm schutz von dichten blättergründen
Wo von sternen feine flocken schneien ·
Sachte stimmen ihre leiden künden ·
Fabeltiere aus den braunen schlünden
Strahlen in die marmorbecken speien ·
Draus die kleinen bäche klagend eilen:
Kamen kerzen das gesträuch entzünden ·
Weisse formen das gewässer teilen.

Hain in diesen paradiesen
Wechselt ab mit blütenwiesen
Hallen · buntbemalten fliesen.
    Schlanker störche schnäbel kräuseln
Teiche die von fischen schillern ·
Vögel-reihen matten scheines
Auf den schiefen firsten trillern
Und die goldnen binsen säuseln –
Doch mein traum verfolgt nur eines.

Als neuling trat ich ein in dein gehege
Kein staunen war vorher in meinen mienen ·
Kein wunsch in mir eh ich dich blickte rege.
Der jungen hände faltung sieh mit huld ·
Erwähle mich zu denen die dir dienen
Und schone mit erbarmender geduld
Den der noch strauchelt auf so fremdem stege.

Da meine lippen reglos sind und brennen
Beacht ich erst wohin mein fuss geriet:
In andrer herren prächtiges gebiet.
Noch war vielleicht mir möglich mich zu trennen ·
Da schien es dass durch hohe gitterstäbe
Der blick vor dem ich ohne lass gekniet
Mich fragend suchte oder zeichen gäbe.

Saget mir auf welchem pfade
Heute sie vorüberschreite –
Dass ich aus der reichsten lade
Zarte seidenweben hole ·
Rose pflücke und viole ·
Dass ich meine wange breite ·
Schemel unter ihrer sohle.

Jedem werke bin ich fürder tot.
Dich mir nahzurufen mit den sinnen ·
Neue reden mit dir auszuspinnen ·
Dienst und lohn gewährung und verbot ·
Von allen dingen ist nur dieses not
Und weinen dass die bilder immer fliehen
Die in schöner finsternis gediehen –
Wann der kalte klare morgen droht.

Angst und hoffen wechselnd mich beklemmen ·
Meine worte sich in seufzer dehnen ·
Mich bedrängt so ungestümes sehnen
Dass ich mich an rast und schlaf nicht kehre
Dass mein lager tränen schwemmen
Dass ich jede freude von mir wehre
Dass ich keines freundes trost begehre.

     Wenn ich heut nicht deinen leib berühre
Wird der faden meiner seele reissen
Wie zu sehr gespannte sehne.
Liebe zeichen seien trauerflöre
Mir der leidet seit ich dir gehöre.
Richte ob mir solche qual gebühre ·
Kühlung sprenge mir dem fieberheissen
Der ich wankend draussen lehne.

Streng ist uns das glück und spröde ·
Was vermocht ein kurzer kuss?
Eines regentropfens guss
Auf gesengter bleicher öde
Die ihn ungenossen schlingt ·
Neue labung missen muss
Und vor neuen gluten springt.

Das schöne beet betracht ich mir im harren ·
Es ist umzäunt mit purpurn-schwarzem dorne
Drin ragen kelche mit geflecktem sporne
Und sammtgefiederte geneigte farren
Und flockenbüschel wassergrün und rund
Und in der mitte glocken weiss und mild –
Von einem odem ist ihr feuchter mund
Wie süsse frucht vom himmlischen gefild.

Als wir hinter dem beblümten tore
Endlich nur das eigne hauchen spürten
Warden uns erdachte seligkeiten?
Ich erinnere dass wie schwache rohre
Beide stumm zu beben wir begannen
Wenn wir leis nur an uns rührten
Und dass unsre augen rannen –
So verbliebest du mir lang zu seiten.

Wenn sich bei heilger ruh in tiefen matten
Um unsre schläfen unsre hände schmiegen ·
Verehrung lindert unsrer glieder brand:
So denke nicht der ungestalten schatten
Die an der wand sich auf und unter wiegen ·
Der wächter nicht die rasch uns scheiden dürfen
Und nicht dass vor der stadt der weisse sand
Bereit ist unser warmes blut zu schlürfen.

Du lehnest wider eine silberweide
Am ufer · mit des fächers starren spitzen
Umschirmest du das haupt dir wie mit blitzen
Und rollst als ob du spieltest dein geschmeide.
Ich bin im boot das laubgewölbe wahren
In das ich dich vergeblich lud zu steigen..
Die weiden seh ich die sich tiefer neigen
Und blumen die verstreut im wasser fahren.

Sprich nicht immer
Von dem laub ·
Windes raub ·
Vom zerschellen
Reifer quitten ·
Von den tritten
Der vernichter
Spät im jahr.
Von dem zittern
Der libellen
In gewittern
Und der lichter
Deren flimmer
Wandelbar.

Wir bevölkerten die abend-düstern
Lauben · lichten tempel · pfad und beet
Freudig – sie mit lächeln ich mit flüstern –
Nun ist wahr dass sie für immer geht.
Hohe blumen blassen oder brechen ·
Es erblasst und bricht der weiher glas
Und ich trete fehl im morschen gras ·
Palmen mit den spitzen fingern stechen.
Mürber blätter zischendes gewühl
Jagen ruckweis unsichtbare hände
Draussen um des edens fahle wände.
Die nacht ist überwölkt und schwül.

Des ruhmes leere dränge sind bezwungen
Seit einen schatz es zu bewahren gilt
Den ich nachdem ich viel verlor errungen ·
Der jeden durst nach andrem prunke stillt.

Die hände zum gebieten ausgestreckt
Vergassen ihre kräfte zu erproben
Weil sie vor dir von deinem glanz bedeckt
In heidnischer verzückung sich erhoben

Und seines amtes heiligkeit verlezt
Der mund der seherwort gespendet
    Seit er sich neigend einen fuss benezt
Der milch und elfenbein im teppich blendet.

Indes in träumen taten mir gelungen ·
Ich zarter weisen mich beflissen ·
Sind die feinde in mein land gedrungen
Sie haben bis zur hälfte mirs entrissen.

Ich aber kann mich nicht zur rache rüsten ·
Zum lezten male war ich held
Als man mir die verräter von den küsten
Herbeigeführt ins rote richterfeld.

Da konnt ich unverwandt noch blicken
Wie sie die nicht gehorsam mir gezollt
Zu boden lagen und auf jedes nicken
Vom glatten schlanken rumpf ein haupt gerollt.

Ich muss mein schönes land gebeugt betrauern ·
Dieses sei allein mein trost:
Der sänger-vogel den zertretne fluren · mauern
Und dächer · züngelnd wie ein feuerrost ·
Nicht kümmern singt im frischen myrtenhage
Unablässig seine süsse klage.

Ich warf das stirnband dem der glanz entflohn
So dass es klirrte hin und satt verliess ich sie:
Den saal in den der süden seine schätze räumt ·
Die höfe wo das wasser duftig spielt ·
Der säulenmauern erz und lazuli
Und meinen thron –
Und ging zu dienen einem pascha der befiehlt
In einer Schiras die in rosennebeln träumt.

Ich freute ihn in langen wochen treu
Durch jubellieder die ich ihm gesungen ·
Durch kränze die ich für ihn flocht ·
Ich beugte mich zu ihm herab voll scheu ·
Zu ihm der alle meuterer bezwungen
Und viele fremde gegner unterjocht.

An einem siegesabend war er heimgekommen
Das volk umgab ihn wie der brandung saus ·
Ich hatte einen dolch für ihn geschliffen:
Er stirbt sobald das wachs erlischt –
Doch als er kaum die stiegen gross und stolz erklommen
Und ich den ehrentrunk für ihn gemischt:
  Hat eine neue reue mich ergriffen ·
Ich schleiche blass und stumm hinaus.

In allen strassen und palästen dröhnen
Die pauken und die zimbeln im verein
Und wein und liebe lohnt den tapfern söhnen ·
Sie schmücken mit geraubter pracht
Die töchter deren lippe glüht und lacht
Im garten bei der fackeln gelbem schein.

Der sklave geht · noch einmal kurz vorm tore
Will ihm ein strauch der breite bunte blüten trug
Vom ruhme lispeln · von der schmach ·
Er aber traut nicht mehr dem lug ·
Er bricht den zweig von einer sykomore
Und flieht den ort wo seine seele brach.

Der sklave geht · sein werk ist all geschehn.
Zum strome wo die sterblichen versinken
Und gläubig aller qual erlösung trinken –
Er kann der woge jezt ins auge sehn.

Wo am lezten rastort reiter
Und geschmückter züge leiter
Spähen nach erreichten zinnen:
Stillen wanderer ihr dürsten ·
Bieten wasserträgerinnen
IHM den krug und grüssen heiter ·
Niemand kennt den frühern fürsten.
Lächelnd dankt er · kein erbittern
Ist in ihm · doch flieht er weiter
Scheu weil seine hoheit bricht ·
Jede nähe macht ihn zittern
Und er fürchtet fast das licht.

Er liess sich einsam hin auf hohem steine ·
Schon lag sein land mit gnaden und befehlen
Ihm sehr entfernt und schätze und juwelen
Erschienen wie in tief versenktem schreine
Als er das haupt in seine hände grub.

Er schwieg – ein seufzen sich um ihn erhub:

Die gräser die betrübt am rande kauern ·
Das zwiegespräch der zedern und der erlen ·
Die lauten tropfen die von felsen perlen
Ergriffen das den menschen fremde trauern
Des der ein königtum verlor.

Und aus dem strom ein rauschen ihn beschwor:

alle Gedichte von George                                                                                                         weiter

Keine Kommentare: