> Gedichte und Zitate für alle: Gedichte von Wilhelm Müller: Die Passionsblume (36)

2016-04-24

Gedichte von Wilhelm Müller: Die Passionsblume (36)



Die Passionsblume

Hochgebenedeite Pflanze,
Deren schöner Blüthenstern
Uns in mildem, weißem Glanze
Zeigt das Marterthum des Herrn;
Voller Blüthen seh' ich immer
Dich vor ihrem Fenster stehn:
Willst du denn, als eitler Schimmer,
Nur in Farb' und Duft vergehn?

Ward dir kein geheimes Leben
Unverwelklicher Natur
Von dem Heiland eingegeben,
Der dich pflanzt' in unsre Flur,
Als ein Bild von seinen Leiden,
Seinem bittern Liebestod,
Daß daran wir sollen weiden
Unsre Seel' in Lust und Noth?

Hast du nicht in stillen Stunden,
Heil'ge Blum', ihr zugehaucht
Das Geheimniß von den Wunden,
Von dem Dorn in Blut getaucht?
Esther schläft, und Träume schließen
Auf der reinen Seele Schrein:
Laß aus deinem Sterne fließen
Einen Strahl zu ihr hinein!
  Auf der Landstraße

Was suchen doch die Menschen all'
Zu Roß und auch zu Fuß?
Das wandert hin und wandert her
Zeitlebens ohn' Verdruß.

Die haben wohl kein Liebchen heim,
Und auch ihr Herz dabei:
Sie sehn mich an und wundern sich,
Daß ich so langsam sei.

Ach, wer mit jedem, jedem Fuß,
Den er setzt in die Welt hinein,
Einen Schritt von seiner Liebsten thut,
Der macht ihn gerne klein.

Wer hat das Wandern doch erdacht?
Der hatt' ein Herz von Stein;
Und wär' es heut' noch nicht bekannt,
Ich ließ' es wahrlich sein.

alle Gedichte von Müller                                                                                                         weiter

Keine Kommentare: