62. An Zelter 19.06.1805
Für die baldige Übersendung der erbetenen Musik sei Ihnen der beste Dank gesagt. Ich will suchen, sie baldmöglichst, so gut es immer gehen will, zu hören. Übrigens bin ich mit Ihnen überzeugt, daß man bei dieser Gelegenheit nicht flicken, sondern etwas aus dem Ganzen schneiden sollte. Ich habe nur leider nie das Glück gehabt, neben mir einen tüchtigen Tonkünstler zu besitzen, mit dem ich gemeinschaftlich gearbeitet hätte, und daher habe ich mich immer in solchen Fällen an das Stoppeln und Zusammensetzen halten müssen, und so schwebte mir das auch bei der gegenwärtigen Gelegenheit wieder vor.
Sie sollen aber nun baldmöglichst wenigstens zuerst mein Schema erfahren und mir Ihre Gedanken darüber eröffnen. Sowohl Vorsatz aber als Arbeit bleibt unter uns, bis wir fertig sind und getrost auftreten können.
Indem ich an »Rameaus Neffen« und dessen Zubehör arbeitete, habe ich oft an Sie gedacht und mir nur wenige Stunden Unterhaltung mit Ihnen gewünscht. Ich kenne Musik mehr durch Nachdenken als durch Genuß und also nur im allgemeinen. Mich freut, daß Ihnen dieses Bändchen eine gute Unterhaltung gegeben. Das Gespräch ist aber auch ein wahrhaftes Meisterwerk.
Für den »Wilhelm Meister« bleib’ ich Ihr Schuldner, so wie für manches andere. Indessen sende ich hier eine Schachtel Spaniol, welcher wohlbehalten anzukommen wünsche.
Iffland hat auf jede Weise recht, den pathologischen Anteil des Publikums für seine Zwecke zu benutzen. Wenn die Deutschen nicht real gerührt sind, so sind sie ideal schwer zu rühren. Setzt er seine Reihe der Vorstellungen durch und führt er sie am Ende zu einer tüchtigen Benefizvorstellung für die hinterlassenen Kinder, so soll er gerühmt werden.
Das Frankfurter Absurdum lege ich bei. Man setzt in die Zeitung: er sei nicht reich gestorben, habe vier Kinder hinterlassen, und gewährt dem lieben Publikum einen freien Eintritt zu einer Totenfeier! Pfaffen und Mönche wissen die Totenfeier ihrer Heiligen besser zum Vorteil der Lebenden zu benutzen. Das tiefe Gefühl des Verlustes gehört den Freunden als ein Vorrecht. Die Herren Frankfurter, die sonst nichts als das Geld zu schätzen wissen, hätten besser getan, ihren Anteil realiter auszudrucken, da sie, unter uns gesagt, dem lebenden Trefflichen, der es sich sauer genug werden ließ, niemals ein Manuskript honoriert haben, sondern immer warteten, bis sie das gedruckte Stück für 12 Groschen haben konnten. Verzeihen Sie mir, daß ich so weitläuftig bin. Ich könnte es noch mehr sein, wenn ich sagen wollte, was über diesen Gegenstand alles zu sagen ist.
Geheimerat Wolf von Halle war auf 14 Tage bei mir. Die Gegenwart dieses so höchst tüchtigen Mannes hat mich in jedem Sinne gestärkt. Jacobi erwarte ich alle Tage. Warum kann ich nicht hoffen, Sie auch noch dieses Jahr zu sehen?
Leben Sie wohl und sagen mir bald wieder etwas, daß nicht so lange Pausen entstehen. Man pausiert sich sonst einmal unversehens ins ewige Leben hinein.
Weimar, den 19. Junius 1805. G.
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